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"Massives unausgeschöpftes Potenzial": Deutschland ist für die NFL immer noch der Wilde Westen

Von Stefan Petri
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Die NFL war erneut zu Gast in München. Das Spiel geriet zur großen Partie, doch im Hintergrund wird fleißig geplant - Stichwort "Wilder Westen".

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NFL in München: Die Teams sind nicht entscheidend

Wie hoch die NFL in der Gunst deutscher Fans mittlerweile steht, macht eine Begegnung vor der Allianz Arena deutlich, rund zwei Stunden vor dem Kick-Off. Ein Anhänger hatte für das Spiel sogar seine hochschwangere Ehefrau versetzt. "Kann sogar sein, dass er während des Spiels Papa wird", verriet ein Kumpel gegenüber SPOX. In diesem Fall müsse er eben per Taxi ab nach Hause. Der Clou: Der Vater in spe war nicht einmal Anhänger der Carolina Panthers oder New York Giants - sondern in voller Steelers-Montur unterwegs.

Auch als Steelers-Fan wollte er sich das Spektakel nicht entgehen lassen. Genau wie die Anhänger in den Jerseys von Patrick Mahomes, Tom Brady, Tua Tagovailoa, und und und. Wie schon in den letzten Jahren hätte die NFL das Stadion mehrfach füllen können. Rund 700.000 Fans hatten Interesse angemeldet, knapp über 70.000 waren schließlich die Glücklichen in der Allianz Arena.

Dort machte auch die Tatsache, dass man mit den Panthers und Giants (je 2-7) auf dem Papier eine der schlechtesten Begegnungen der gesamten Saison erwischt hatte. Doch während US-Fans in den sozialen Medien scherzten, wieso man die Deutschen derart bestrafe, feierten die nach 2022 die zweite große NFL-Party in München, von der spektakulären Choreographie vor Spielbeginn bis hin zum spielentscheidenden Field Goal in der Verlängerung.

NFL in München: Man weiß mittlerweile, was funktioniert

Die NFL spielte selbst fleißig mit. Es gab das übliche Programm mit Cheerleadern, Tortilla-Chips-Kanone, Kiss und Flex Cam, aber eben auch Bayern-Keeper Manuel Neuer, der in Panthers-Jersey auf die Pauke haute. Und sogar Head Referee Shawn Hochuli sagte aus dem Nichts plötzlich eine Strafe in akzeptablem Deutsch an und erntete dafür Applaus: "Fehlstart Angriff. Funf Yards Strafen."

Am stärksten feierten die Menschen im Stadion aber in gewisser Weise sich selbst. Von "Sweet Home Alabama" und "Major Tom" über "Hey Baby" und "Sweet Caroline" wurde aus vollen Kehlen geschmettert, was der Stadion-DJ anspielte. Natürlich fehlte im Vergleich zu 2022 der Überraschungsmoment, als im Schlussviertel "Country Roads" intoniert wurde, aber das machte es nicht weniger spektakulär. Der Gassenhauer brachte sogar eine Spielverzögerung mit sich, bis die Referees irgendwann nicht mehr warten wollten und das Kommando gaben. Also drehte der DJ die Musik ab - aber natürlich wurde kräftig weitergesungen.

Ein bisschen übertrieben? Sicherlich spielt mittlerweile auch in manchen Hinterköpfen eine Rolle, dass man ein gutes Bild in der Welt abgeben, dem eigenen guten Ruf gerecht werden will. Aber wenn es funktioniert? "Die Fans haben die ganze Zeit mitgemacht", lobte Giants-Linebacker Brian Burns. "Sie haben gesungen und auch mal gejubelt, wenn es keinen Grund gab. Aber es hat Spaß gemacht." Panthers-Quarterback Bryce Young feierte ebenfalls die "tolle Stimmung", für den deutschen Fullback Jakob Johnson war es sowieso "der Hammer", auch wenn er selbst nicht zum Einsatz kam. Von "Prunk, der normalerweise für den Super Bowl reserviert ist", schrieb ESPN.

Im vierten regulären NFL-Spiel in Deutschland weiß man mittlerweile, was funktioniert und was nicht. Die Nationalhymnen, vorgetragen von Florentina und Star-Geiger David Garrett, kamen deutlich besser an als noch vor einem Jahr, und auf dem Rasen, der im Ausland bisher ständiges Thema war, rutschten die NFL-Stars auch nicht andauernd aus.

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NFL-Spiele in Deutschland: Wie im Wilden Westen

Dementsprechend soll die Partnerschaft langfristig fortgesetzt werden - und die Bewerber um die Austragungen der Spiele steigen. Berlin will Millionen investieren und bringt sich so in Stellung, vielleicht sogar schon für das vertraglich vereinbarte Spiel in Deutschland im kommenden Jahr. "Wir wollen auch in Zukunft in Deutschland spielen, ein NFL-Spiel in Berlin wäre spektakulär", erklärte Commissioner Roger Goodell bei RTL, wo in der Spitze 1,42 Millionen Zuschauer mitfieberten. Das könnte der Hauptstadt angeblich mehr Umsatz bringen als das DFB-Pokalfinale.

Das bedeute jedoch nicht, betonte Goodell, "dass wir nicht nach Frankfurt und München zurückkommen". Vielleicht schon 2025? Das kommt wohl auf Berlin an, aber auch auf die übrigen International Games: Acht sollen es in der nächsten Saison werden. Fix sind davon weitere Spiele in London, ein Auftritt in Madrid und das Gastspiel in Deutschland. Sollten es drei Spiele in Wembley und dem Tottenham Hotspur Stadium bleiben, wären noch drei zu vergeben. "Wir rechnen mit einer Rückkehr nach Mexiko City und nach Brasilien", verriet Goodell. "Und wir schauen uns das Potenzial eines weiteren Spiels in Irland an." Macht zusammen acht, aber wenn irgendwo etwas schiefgeht, stünde Deutschland wie schon 2023 bereit, als man das Spiel übernahm, das eigentlich in Mexiko geplant war.

Manchen Teams wäre das vielleicht gar nicht so Unrecht, der deutsche Markt ist schließlich riesig. Und erinnert insofern an den Wilden Westen, als dass die Teams hier ihren eigenen Claim abstecken können. Wenn sie rechtzeitig dran sind. Chief Strategy Officer Jake Burns von den Panthers bezeichnete sein Team im Forbes Magazine als "Startup-Marke" in Deutschland: "Wir haben es auch deshalb ausgewählt, weil es ungefähr 820.000 Fans gab, die noch kein Lieblingsteam hatten. Die wollen wir so früh und so oft wie möglich erreichen." Auch NFL-Deutschlandchef Alexander Steinforth sprach im Sports Business Journal von "einem massiven unausgeschöpften Potenzial", über als die Hälfte der Fans seien noch unentschlossen. Über die Ticketanfragen könne man das Fanaufkommen immer besser erfassen: Im Vergleich zu Frankfurt hätte sich "eine gute sechsstellige Zahl" neuer Anhänger beworben.

Bryce Young kann sich also schon auf einen weiteren Besuch in Deutschland einstellen, sollte er den Job als Starting Quarterback in Carolina langfristig behalten. Und weiter an seinen Deutschkenntnissen schrauben: "Ich habe vielleicht ein oder zwei Wörter aufgeschnappt. Ich habe mein Bestes versucht, aber ich habe noch einen langen Weg vor mir."

NFL: Alle International Games in Deutschland

JahrHeimAuswärtsErgebnisAustragungsort
2024Carolina PanthersNew York Giants20:17 OTMünchen
2023New England PatriotsIndianapolis Colts6:10Frankfurt
2023Kansas City ChiefsMiami Dolphins21:14Frankfurt
2022Tampa Bay BuccaneersSeattle Seahawks21:16München
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