Kerber nimmt sich den Druck: "Der Platz ist genauso groß - und die Gegner dieselben"

Von Ulrike Weinrich
Angelique Kerber, Wimbledon
© getty

Angelique Kerber startet am Dienstag im Duell zweier ehemaliger Wimbledon-Finalistinnen gegen Vera Zvonareva in das bedeutendste Rasenturnier der Welt. Für viele ist die Kielerin eine der Topfavoritinnen auf den Titel an der Church Road. Sie selbst versucht, den Druck nicht zu groß werden zu lassen.

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Von Ulrike Weinrich aus Wimbledon

Als ein spitzfindiger Fragesteller neulich auf Mallorca von Angelique Kerber wissen wollte, wer denn in diesem Jahren den begehrten Wimbledon-Titel gewinnen werde, reagierte die Kielerin äußerst schlagfertig. "Der Roger - Roger Federer", antwortete Kerber - und schmunzelte.

Kerber steht bei vielen Experten ganz oben auf der Favoritinnenliste

Wohlwissend, dass der Journalist in der kleinen Gesprächsrunde im ersten Stock des Country Clubs von Santa Ponsa eigentlich erfahren wollte, wer denn bei den Damen 2018 den großen Coup im Südwesten von London landen werde. Natürlich weiß die 30-Jährige, dass sie selbst zum illustren Kreis derer gehört, die auf der Liste der Topfavoritinnen ganz oben steht.

Das ist zum einen der Vergangenheit geschuldet - und ihrer Finalteilnahme in Wimbledon 2016. Und ihrer Liebe zum saftigen Grün, das so perfekt zu ihrer Spielweise passt. Aber auch der Gegenwart, in der sich "Angie" in starker Verfassung befindet. In Eastbourne verlor die Weltranglistenzehnte am vergangenen Freitag das Halbfinal-Duell mit der späteren Turniersiegerin Caroline Wozniacki (Dänemark) knapp in drei Sätzen.

Nach ärgerlicher Eastbourne-Niederlage: Frustbewältigung im Expresstempo

In Durchgang zwei hatte Kerber sogar einen Matchball gegen die Nummer zwei der Welt. Viel Zeit zum Ärgern blieb allerdings nicht. "Da hat es mir geholfen, dass Wimbledon vor der Tür stand", berichtete sie über die Frustbewältigung im Expresstempo. Wenige Stunden nach dem Aus von Eastbourne saß die zweimalige Grand-Slam-Gewinnerin bereits im Auto Richtung London.

Neues Spiel, neues Glück. Und das nicht irgendwo, sondern bei einem ihrer Lieblings-Events. "Wimbledon ist eben Wimbledon. Ich glaube, jeder Mensch auf der Welt kennt es. Diese Erinnerungen, die ich dort in den letzten Jahren gesammelt habe, sind schon etwas Besonderes, etwas Spezielles für mich", meinte sie.

Der Mythos Wimbledon soll beflügeln, nicht lähmen

Aber allzu viel will Kerber gar nicht an ihre gute Bilanz auf dem heiligen Rasen, das Endspiel (2016), das Halbfinale (2012) sowie ein weiteres Viertelfinale (2014) im elitären All England Lawn Tennis Club denken. Der Mythos Wimbledon soll beflügeln, auf keinen Fall lähmen, deshalb setzt sie auch auf eine nüchterne Betrachtungsweise: "Man versucht, das alles wegzuschieben. Man geht schließlich da raus - und der Platz ist genauso groß, die Gegner sind dieselben wie bei den anderen Turnieren."

Doch Kerber weiß und spürt, dass der Rasen ihre Stärken optimal multipliziert. "Angie bewegt sich sehr gut - und sie schlägt aus tiefen Positionen. Dort hat sie eine tolle Kontrolle und Balance. Das ist für das Spiel auf Rasen äußerst wichtig und effektiv. Gras und Angie, das passt", sagte jüngst Toni Nadal, Onkel und Ex-Coach von Sandplatzkönig Rafael Nadal (Spanien) im tennisnet-Interview.

"Angie" gewohnt zurückhaltend: "Die Grand Slams haben ihre eigenen Gesetze"

Onkel Toni setzte deshalb nicht auf die Tschechin Petra Kvitova, die in dieser Saison die bisherige Bestmarke von fünf Turniersiegen hält, oder auf seine Landsfrau und Titelverteidigerin Garbine Muguruza, sondern auf Kerber: "Ich habe im vergangenen Jahr ihr Achtelfinale in Wimbledon gegen Muguruza gesehen. Angelique hatte so viele Möglichkeiten, dieses Duell damals zu gewinnen", erinnerte sich Toni Nadal: "Muguruza war nicht besser, aber sie hat wenige Tage später den Turniersieg geholt. Und ich glaube, dieses Mal wird Angie besser spielen als 2017."

Kerber indes macht keinen Hehl aus ihrer tiefgründigen Beziehung zum grünen Rasen. Als sie rund eine Woche nach ihrer Viertelfinal-Niederlage bei den French Open gegen Branchenführerin Simona Halep (Rumänien) erstmals in diesem Jahr das Gras zum Trainieren betrat, habe sie sich gefühlt "wie Zuhause." Doch sie weiß auch: "Bei den Grand Slams kann alles passieren, diese Turniere haben ihre eigenen Regeln."

Höhenflüge garantiert: Neuer Werbedeal als gutes Omen?

Vielleicht ist es ein gutes Omen, dass Kerber neuerdings als Markenbotschafterin für den führenden Betreiber von Business-Jets wirbt. Wie übrigens auch Roger Federer, der seine neunte Wimbledon-Krönung anstrebt - und für Kerber bekanntlich DER Titelfavorit ist, der Roger!

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