Von Ulrike Weinrich aus Wimbledon
Eigentlich sollte Serena Williams schon am Samstagmittag zur Teatime im angenehm klimatisierten "Main Interview Room" im All England Lawn Tennis Club sitzen und den Medienvertretern aus der ganzen Welt Einblicke in ihr aufregendes Leben geben. Doch die vielleicht beste Spielerin in der Geschichte hatte es sich einfach anders überlegt.
Serena ist nach wie vor DAS Aushängeschild schlechthin
Die Fragestunde wurde kurzerhand um einen Tag verlegt. Die Journalisten zogen erstmal wieder enttäuscht ab. Die Spielerinnenvereinigung WTA würde einen Teufel tun, ihrem Aushängeschild die Leviten zu lesen. Der Tennissport braucht Serena, den globalen Weltstar mit Verbindungen in alle gesellschaftlichen Bereiche. Gewiss mehr als umgekehrt. So scheint es zumindest in diesen Tagen.
Die jüngere Williams ist allseits präsent. In der Klatschpresse, in Mode-Gazzetten ebenso wie in seriösen Magazinen, in denen sie oft ziemlich kluge Sätze über Themen wie Gleichberechtigung und Rassismus sagt. Sie ist Vorbild - nicht nur für viele Farbige in den USA.
Einer wie ihr, der glücklichen Mutter mit geschätzt vierhundert Millionen Dollar auf dem Konto, die aus dem verrufenen L.A.-Vorort Compton stammt und deren Schwester Yetunde Opfer eines Bandenkrieges wurde, nimmt man nach diesem hart erarbeiteten sozialen Aufstieg vieles ab.
Mit der Herzogin beim Polo von Prinz Harry
Es ist deshalb auch bezeichnend, dass die siebenmalige Wimbledonsiegerin am Samstag die Pressekonferenz schwänzte, weil sie ihre Freundin, Herzogin Meghan, partout zu einem Polo-Match von Prinz Harry nach Ascot begleiten wollte. Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass Williams auch bei der Hochzeit der US-Schauspielerin Meghan Markle und dem Mitglied der royalen Familie am 19. Mai in London zu den Ehrengästen gehörte.
Mit einem Tag Verspätung gab sich die ehemalige Nummer eins der Welt, offiziell an Position 181 im WTA-Ranking geführt, am Sonntag dann doch die Ehre. Und versöhnte die Medienvertreter wieder ein bisschen, weil sie auffällig gut gelaunt über sich, ihre zuckersüße Tochter Alexis Olympia (zehn Monate) - und gefühlt über alles andere sprach.
Serena Williams: "Ich habe ein Mommy Brain"
Dass sie zum Beispiel ein "Mommy Brain" habe. Will heißen: Viel vergisst - und oft nur ihren Nachwuchs im Kopf hat. Dass sie nichts, rein gar nichts von ihrem Ehrgeiz eingebüßt habe. "Ich habe ein tolles Kind und so viele Grand Slams gewonnen. Der Druck ist weniger geworden", sagte die Powerspielerin, gab aber zu: "Ich bin selbst schockiert, wie sehr ich den Druck will. Das ist doch verrückt".
Aber es spricht eben auch für sich und Williams' ungebrochene (Sieger-)Mentalität. "Es zeigt", sagt sie - und spricht plötzlich in der dritten Person von sich, wie es nur die Großen tun: "Es zeigt, wer Serena ist!" Entrückt wirkt die 23-malige Major-Siegerin trotzdem nicht, sondern auch irgendwie bodenständig.
Mit der Tochter auf dem Centre Court: "Total emotional"
Doch ihre Gegnerinnen sollten sich vorsichtshalber warm anziehen - trotz des hartnäckigen britischen Hochsommers mit prognostizierten Temperaturen von 30 Grad Celsius. Bei ihrem Grand-Slam-Comeback in Paris im Mai kam Williams ins Achtelfinale, konnte dort aber wegen einer Brustmuskel-/Schulter-Verletzung nicht zum Klassiker gegen ihre Erzrivalin Maria Sharapova (Russland) antreten.
Und die Reise zurück auf den heiligen Rasen ist nach ihrem Fehlen 2017 und exakt 20 Jahre nach ihrem Wimbledon-Debüt etwas ganz Besonderes für die Rechtshänderin aus Florida. "Ich habe an diesen Ort so wahnsinnig tolle Erinnerungen. Die wollte ich mit meiner Tochter teilen." Anfang der Woche nahm sie deshalb Alexis Olympia mit auf den Centre Court. "Ich bin dabei total emotional geworden. Viel mehr, als ich dachte", gestand Serena Williams.
Cibulkova lästert über Setzung der ehemaligen Nummer eins
An der Church Road ist sie trotz ihrer schwachen Weltranglistenplatzierung an Position 25 gesetzt - was nicht jeder gefiel. Die Slowakin Dominika Cibulkova, die Leidtragende, schimpfte, dass es eine "Lex Williams" gebe. "Das ist unfair. Ich habe alles dafür getan und verliere nun meinen Platz. Es ist mein Recht, gesetzt zu sein. Sie machen es nur, weil es Serena ist", sagte Cibulkova.
Doch Williams schlug am Sonntag nicht verbal zurück. Im Gegenteil: Sie ruhte in sich, strahlte einen Tag vor ihrem Auftakt am Montag gegen die Niederländerin Arantxa Rus absolute Zufriedenheit aus. Ganz der handzahme Mega-Star eben.