"Der Deutsche will nicht für dumm verkauft werden": WWE-Star Ludwig Kaiser erklärt die Hürden von Wrestling in Deutschland

Von Tim Ursinus
Ludwig Kaiser hat Jey Uso im Schwitzkasten.
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Ludwig Kaiser gehört zu den aufstrebenden Stars in der WWE. Spätestens beim historischen Event "Bash in Berlin" vor heimischer Kulisse will der Deutsche die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklimmen. Ganz im Sinne seines legendären Vaters.

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Im Interview mit SPOX spricht Ludwig Kaiser, geboren als Marcel Barthel in Pinneberg, über einen möglichen Auftritt beim ersten deutschen WWE Premium Live Event "Bash in Berlin" am 31. August, den Hype und die Hürden von Wrestling in Deutschland sowie das Vermächtnis seines verstorbenen Vaters und deutschen Wrestling-Pioniers Axel Dieter.

Außerdem berichtet der 34-Jährige vom Schmerz, wenn sein Gimmick und Aussehen falsch interpretiert werden und verrät, welchen deutschen Fußballern er eine Wrestling-Karriere zutrauen würde.

Ihr Traum von "Money in the Bank" ist wohl auch wegen einer Verletzung geplatzt. Wie groß war die Enttäuschung?

Ludwig Kaiser: Das ist Teil des Jobs. Ich hatte eine harte Woche und schon ein bisschen Probleme mit der Rippe. Und dann ist sie mir in den ersten zwei Minuten im Kampf bei RAW gebrochen. Das habe ich auch sofort bemerkt und konnte nicht mehr atmen. Es hätte schlimmer kommen können, aber es ist immer nervig, weil man kaum etwas machen kann.

Den Schmerz einer gebrochenen Rippe kennt nicht jeder. Wie sehr behindert es den Alltag?

Ludwig Kaiser: Ich hatte die ersten zwei Wochen Paranoia vor dem Lachen, Husten und Niesen, weil der Schmerz unfassbar ekelhaft ist. Da es so früh im Match passiert ist, hat auch das Adrenalin irgendwann nicht mehr geholfen. Mit einer gebrochenen Rippe durch den Ring geschmissen zu werden, ist natürlich nicht so schön. Zum Glück haben wir ein gutes Medical-Team.

Wenige Wochen zuvor feierten Sie ihren wohl größten Sieg im Main Roster gegen Sheamus. Anschließend nannten Sie den langjährigen WWE-Star in einem Video für die deutsche Seite unter anderem "Protein-Pumuckl" und landeten damit einen viralen Hit. War der Wortlaut der Ansage Ihr Einfall oder wie laufen derartige Promos in der WWE ab?

Ludwig Kaiser: In Deutschland können wir machen, was wir wollen. Da hauen wir auch mal das ein oder andere Easter-Egg oder Insider rein, damit die Leute etwas zum Schmunzeln haben. Da haben wir auch mal den "Kiez-Klatscher"erwähnt. Dann hat es auch einen Mehrwert für die Deutschen. In dem Fall habe ich mir erst kurz nach dem Kampf Gedanken gemacht, da ist man sowieso noch aufgeladen. Da kann man auch mal ein bisschen Quatsch erzählen mit einem kleinen Augenzwinkern.

WWE-Star Ludwig Kaiser: "Er ist für diesen Job der beste Mann auf dem Planeten"

Zu Ihren kommenden Plänen. Klappt es nach dem verpassten Slot bei "Money in the Bank" bei "SummerSlam" am 4. August oder erst zum Heimspiel bei "Bash in Berlin" mit einem großen Auftritt?

Ludwig Kaiser: Ich bin auf einem guten Weg. "Bash in Berlin" ist nicht in Gefahr, da kann ich alle deutschen Fans beruhigen. Bei "SummerSlam" muss man schauen, dafür passiert derzeit zu viel. Jede Woche ist irgendetwas Neues. Die WWE ist am Kochen und Boomen. Zuletzt waren wir in Japan, Mexiko, für das TV in Amerika und dann geht es bald wieder nach Europa. Wenn ich mir den Zeh stoße und verstauche, verpasse ich nächste Woche auch schon etwas.

Ist das erste Premium Live Event in Deutschland der Geschichte auch Ihr Verdienst?

Ludwig Kaiser: Wenn wir über die Popularität in Deutschland sprechen, geht das schon auf unsere Kappe. Aber gar nicht, weil wir so einen überragenden Job gemacht haben. Jeder kennt Wrestling im deutschsprachigen Raum - und wenn du beim Durchzappen dann einen siehst, der Deutsch spricht, ist es natürlich interessant. Wir sind also schon dafür verantwortlich. Das war mir immer wichtig, schon als ich noch in Deutschland gearbeitet habe. Allgemein ist es aber der Verdienst von vielen Leuten. Allen voran von "Triple H" (WWE Chief Content Officer; Anm. d. Red.), der mit seiner Vision genau den Zeitgeist trifft. Er ist für diesen Job der beste Mann auf dem Planeten. Alles in allem ist es ein geiles Produkt, das man nirgendwo anders bekommt.

"Bash in Berlin" ist also die logische Konsequenz?

Ludwig Kaiser: Hundertprozentig! "Backlash" in Frankreich hat schon komplett gekillt, "Clash at the Castle" in Glasgow war auch richtig gut. Jetzt sind wir dran! Wir haben noch die Euphorie der traumhaften EM in unserem Land. Da hat man wieder gesehen, dass Deutschland einfach ein geiles Gastgeberland ist - und jetzt bekommen wir das erste PLE der WWE-Historie. Das ist absolut crazy, das hätte ich mir nie erträumen lassen. Der 31. August wird ein ganz großes Datum für uns, wir schreiben da Geschichte.

Ludwig Kaiser (r.) und Cody Rhodes duellieren sich im Ring.
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WWE-Star Ludwig Kaiser: "Das würde ich schlecht verkraften"

Glauben Sie, dass die Stimmung in Berlin auch mit der EM mithalten und Wrestling in Deutschland auf Dauer sogar zur zweitgrößten Sportart hinter dem Fußball heranwachsen kann?

Ludwig Kaiser: Die Deutschen haben sich Wrestling schon immer gerne angeschaut. Aber wenn man sie danach gefragt hat, haben sie sich beschwert, dass der Ausgang schon vorher klar ist. Der Deutsche will nicht für dumm verkauft werden. Das ist zum Beispiel auch der Grund, warum in Deutschland die Kartenzahlung noch nicht so groß ist wie in jedem anderen Land. Der Deutsche schaut sich lieber alles nochmal genauer an. Das ist ja auch voll in Ordnung, ich bin selbst auch so. Es dauert einfach alles ein bisschen länger. Wir bekommen auch immer noch dieselben Fragen wie vor 20 Jahren gestellt. Die Leute verstehen es erst, wenn sie sich richtig damit auseinandersetzen. Wenn wir jetzt Leute nehmen, die keinen Bock darauf haben und in die Arena bei "Bash in Berlin" packen, garantiere ich, dass sie beim Rausgehen von der besten Show reden, die sie je gesehen haben. Weil keiner kann es so präsentieren wie die WWE. Da wurde im letzten Jahr auch nochmal ein ganz großer Schritt gemacht. Wir sind ein Fußballland und haben das Fundament. Es muss nur noch auf Wrestling übertragen werden. Das kommt, wartet mal ab.

Häufig fungieren Sie in den WWE-Shows als Ansager und Sidekick von Gunther. Haben Sie schon einmal an einen Rollentausch gedacht?

Ludwig Kaiser: Nein, wir sind ganz unterschiedliche Typen. Es ist schon sehr gut, so wie es ist. In den ersten zwei Jahren war er der Anführer von unserem Team und hatte ein gutes Spotlight, weil er alles mitbringt, um in dieser Firma alles zu erreichen. Ich habe es geschafft, in meiner Rolle herauszustechen und bekomme jetzt die Chance, mich alleine zu zeigen. Die Vorlaufzeit als Teil eines Tag-Teams kam mir am Ende zu Gute. Anfang des Jahres hatte es bei mir angefangen, als ich bei einem Singles-Match abgeliefert habe. Dann habe ich auch alleine Kamera-Zeit bekommen. Wir sind jetzt zwar noch zusammen, aber jeder ein bisschen auf seiner eigenen Mission. Da wollte ich darauf hinarbeiten. Es ist wie mit einem Büro-Job: Jeder will sofort aufsteigen und eine Gehaltserhöhung. Aber ich bin froh, wie es jetzt gekommen ist. Am Ende des Tages sage ich mir immer: Kopf runter, hart ackern und daran glauben! Dann wird es auch so kommen.

Sie werden Gunther bei dessen anstehenden Titelkampf um die World Heavyweight Championship bei "SummerSlam" womöglich "nur" begleiten. Würde das Ihnen auch bei "Bash in Berlin" reichen?

Ludwig Kaiser: Das würde ich schlecht verkraften können. Ich habe mir den Status erarbeitet, dass ich die Hütte auch alleine abreißen kann. Gerade auch als einziger Deutscher möchte ich mich vor meiner Familie und Freunden, die mich vor zehn Jahren noch vor 35 Leuten kämpfen sehen haben, zeigen. Das liegt mir am Herzen.

"Imperium" (von links nach rechts): Giovanni Vnici, Gunther und Ludwig Kaiser.
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"Meine Geschwister hätten Kanzler werden können, das hätte ihn weniger gejuckt"

Ihr 2015 verstorbener Vater Axel Dieter gilt als deutscher Wrestling-Pionier. Ist das auch sein Vermächtnis?

Ludwig Kaiser: Auf jeden Fall. Meine ganze Karriere. Ich habe die ersten zehn Jahre in seinen Schuhen gekämpft. Die sind jetzt leider ein bisschen kaputt, aber eben auch 50 Jahre alt. Ich wünschte, mein Vater könnte mich heute im Fernsehen kämpfen sehen. Das wäre geil, weil Wrestling stand für ihn über allem. Meine Geschwister hätten Bundeskanzler werden können, das hätte ihn weniger gejuckt. Auch das Gimmick "Imperium" ist alles auf die Ideale meines Vaters zurückzuführen und was er uns beigebracht hat. Nicht nur mir, sondern auch Gunther.

Sie hatten es vorhin schon angerissen: War die Trennung von Ihrem langjährigen "Imperium"-Partner Giovanni Vinci die richtige Entscheidung?

Ludwig Kaiser: Ja, sie war sogar bitter nötig. Er hatte mehr von dem Team als ich. Mich hat es eher unten gehalten, weil man in den nächsten Jahren von mir mehr sehen möchte. Ich muss mich auf mich selbst konzentrieren, das ist eben im Wrestling so. In einem Team gibt es immer einen Kompromiss. Man kann nie so ganz das machen, was man möchte. Ich war immer davon überzeugt, dass ich alles mitbringe, um in der WWE ein großer Name zu werden. Auch in Anbetracht des Vermächtnisses meines Vaters war es für mich wichtig, dass ich mein Ding alleine mache. Das hat man auch sofort gesehen. Innerhalb weniger Wochen ist meine Aktie extrem gestiegen.

Ludwig Kaiser hat Jey Uso im Schwitzkasten.
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Mit Füllkrug, Müller und Andrich: Ludwig Kaiser stellt Wrestling-Team zusammen

Gunter sagte im SPOX-Interview im Mai, dass Ihr militärisches Auftreten als Duo noch nicht zu einem Applaus von der falschen Seite geführt hat. Haben Sie schon andere Erfahrungen gemacht?

Ludwig Kaiser: Mein Vater und mein Opa waren beide Opfer des Krieges. Mein Opa war in einem Konzentrationslager und mein Vater Gefangener, weil er sich in Frankreich der Fremdenlegion angeschlossen hat. Ich bin dem also emotional verbunden. Aufgrund meiner Historie war ich von Beginn an darauf bedacht, so etwas aus dem Weg zu gehen. Politik hat sowieso nichts zu suchen im Wrestling. Am Ende des Tages müssen wir aber auch realistisch sein. Wenn du in ein anderes Land gehst, wirst du als Deutscher entweder dieser Richtung zugeordnet oder bist der bayerische Junge mit den Lederhosen. Ich höre das aber leider sehr oft, allein wegen meiner Haare. Aber ich kann 30 Nationen aufzählen, wo dieser Haarschnitt auch auftaucht. Als Deutscher ist es egal, was man macht. Solche Dinge bekommt man schnell an den Kopf geschmissen. Die Leute finden immer etwas, wenn sie es denn suchen. Ich finde es sehr unfair. Zu amerikanischen, russischen, britischen oder anderen europäischen Leuten sagt niemand so etwas. Aber ich musste mich schon meine ganze Karriere damit herumärgern, obwohl ich am weitesten davon entfernt bin und meine Familie großes Leid erfahren hat in dieser Zeit. Das tut mir persönlich sehr weh. Auf der anderen Seite bin ich auch ehrlich zu mir, weil ich nichts dagegen mache. Ich wünsche mir aber, dass sich die Leute mit Gunthers und meiner Materie mehr befassen, bevor solche Gedanken aufkommen. Die Story ist immer viel deeper, wenn man hinter den Vorhang blickt.

Abschließend noch ein kleines Gedankenspiel: In die WWE verirren sich immer wieder Athleten aus anderen Sportarten. Zum Beispiel Tim Wiese. Welchen deutschen Sport-Star könnten Sie sich als Wrestler vorstellen?

Ludwig Kaiser: Niclas Füllkrug sieht so aus, als ob er schon ein paar Runden mit uns gegangen ist (lacht). Ich feier den! Antonio Rüdiger und Jonathan Tah wären auch stabil dabei. Thomas Müller könnte eine kleine Promotion heraushauen. Und Robert Andrich! Der ist nämlich Jens Jeremies 2.0 für mich - unsere Kante aus dem Osten.

WWE, SummerSlam: Die Match Card im Überblick

MatchesMatchart
Damian Priest (c) vs. GuntherSingles Match für die World Heavyweight Championship
Bayley (c) vs. Nia JaxSingles Match für die WWE Women's Championship
Liv Morgan (c) vs. Rhea RipleySingles Match für die Women's World Championship
Cody Rhodes (c) vs. Solo SikoaSingles Match für die Undisputed WWE Championship
Logan Paul (c) vs. LA KnightSingles Match für die United States Championship
Sami Zayn (c) vs. Bron BreakkerSingles Match für die Intercontinental Championship
CM Punk vs. Drew McIntyreSingles Match (mit Special Guest Referee: Seth Rollins)