Am Dienstag beginnen in Barcelona die letzten Testfahrten vor dem Saisonstart am 27. März in Melbourne. Bis Samstag haben die Teams Zeit, ihre Autos fit für die WM zu machen. Aber wer hat noch welche Baustellen abzuarbeiten? Ein Überblick.
Red Bull: Der Weltmeister steht bestens da. Die Rundenzeiten sind in der Spitze zwar noch nicht so toll, aber das riecht verdächtig nach Bluff. Auf den Long-Runs ist das Auto bärenstark und hat vor allem den Trumpf im Ärmel, dass es augenscheinlich besonders schonend mit den Pirelli-Reifen umgeht. Bei den letzten Tests experimentierte das Team noch mit unterschiedlichen Luftaustrittsöffnungen am Heck, aber das scheint eher ein Detailproblem als eine echte Sorge zu sein.
Ferrari: Die Scuderia offenbarte bei den bisherigen Tests ebenfalls keine großen Probleme. Das Auto läuft wie ein Uhrwerk und hat eindeutig die meisten Kilometer im Feld. Dazu ist man auf den Long-Runs auf Augenhöhe mit Red Bull.
Dennoch hat man den Eindruck, dass der Ferrari vom Speed her nicht ganz mit dem Red Bull mithalten kann. "Red Bull ist eine halbe Sekunde vor Ferrari", schätzt Williams-Technikchef Sam Michael. Um die aufzuholen, wird Ferrari in Barcelona neue Teile - unter anderem ein stark verändertes Heck - im Gepäck haben, die das bereits zuverlässige Auto nun auch richtig schnell machen sollen. Vorausgesetzt, sie funktionieren. Das hinzubekommen, wird Ferraris Aufgabe sein.
McLaren: Die Engländer machen sich Sorgen um ihre Wundertüte. Das revolutionäre Auto braucht dringend Testkilometer auf der Uhr, sonst sieht es für die Feinabstimmung düster aus. Und die ist bitter nötig, um das kritische Thema Reifen in den Griff zu bekommen. Nur ein gut abgestimmtes Auto wird schonend mit den Pneus von Pirelli umgehen.
Lewis Hamilton klagt zudem noch über zu wenig Grip, was erklären würde, warum das Team ständig zwischen unterschiedlichen Auspuff-Konzepten und Diffusoren hin und her gewechselt hat. Es gibt also jede Menge Arbeit.
Mercedes: Bei den Silbernen soll der Riesenschritt kommen. Ein großes Update soll das mittlerweile zwar zuverlässige, aber vor allem auf den Long-Runs noch deutlich zu langsame Auto mit einem Schlag an die Spitze katapultieren. Eine riskante Taktik, denn starke Veränderungen erfordern auch stark veränderte Abstimmungen.
Neu am Mercedes wird vor allem der Auspuff sein, dessen Konzept Teamchef Ross Brawn nach eigener Aussage noch bei keinem anderen Team gesehen hat. Da das bisherige Auto schon auf den neuen Auspuff ausgerichtet war, war die aerodynamische Effizienz bisher alles andere als optimal. Damit erklärt sich das Team den Rückstand von mehr als einer Sekunde auf Red Bull und Ferrari.
Sollten alle Veränderungen zünden und zudem die alten Probleme mit der Überhitzung - teilweise musste per Hand Löcher in die Seitenkästen geschnitten werden - gelöst sein, dann könnte Mercedes in Barcelona für staunende Gesichter sorgen. Aber das Risiko ist groß.
Lotus-Renault: Das Auto war in Jerez pfeilschnell, hat sich laut Nick Heidfeld aber in Barcelona zuletzt nicht mehr so gut angefühlt. Jetzt hat das Team die zweite Chance, die Abstimmung auch in den schnellen Kurven des Circuit de Catalunya hinzubekommen.
Weitere Baustelle ist das KERS. Wegen Problemen mit dem Hybridantrieb verbrachte Heidfeld große Teile des bisher letzten Testtages an der Box. Was dagegen offenbar gut funktioniert, ist der nach vorne aus den Seitenkästen austretende Auspuff. Die zu Beginn der Tests befürchteten Probleme mit der Hitze-Ausbreitung sind ausgeblieben.
Teil II: Von Williams bis HRT - die zweite Reihe in der Analyse
Williams: Das Team hat ein radikales und schnelles Auto gebaut, hatte aber große Probleme mit der Zuverlässigkeit. Im Jerez ging fast gar nichts, bis die überraschende Bestzeit von Rubens Barrichello kam, in Barcelona wurde es dann etwas besser.
Große Baustelle ist KERS. Die Probleme mit dem System sind so groß, dass das Team nicht einmal mehr ausschließt, es zum Saisonstart nicht einzusetzen. Das würde das eigentlich gute Auto auf einen Schlag um rund vier Zehntel pro Runde langsamer machen. Um das zu verhindern, muss sich in Barcelona in den kommenden Tages einiges tun.
Force India: Das Team von Adrian Sutil hat das Problem, erst extrem spät KERS zum ersten Mal eingesetzt zu haben. Am letzten Tag in Barcelona durfte Sutil ran, da kann man natürlich noch nicht viele Erkenntnisse sammeln. Die Abstimmung des Autos wird das Problem sein, ganz zu schweigen von möglichen technischen Kinderkrankheiten.
Da zu allem Überfluss auch der Speed des Autos noch nicht auf dem Level der direkten Konkurrenz ist, muss in den kommenden Tagen viel passieren, damit Force India zum Saisonstart die Top Ten angreifen kann.
Sauber: Ähnlich wie Mercedes hat sich auch Sauber stark auf die Zuverlässigkeit konzentriert und ist damit bisher gut gefahren. Denn der Speed hat zusätzlich noch gestimmt. Nichtsdestotrotz kündigt Technikchef James Key für den Barcelona-Test und auch für das erste Rennen zahlreiche Updates an.
Wie die genau aussehen werden, ist nicht bekannt, aber Key sagte im Interview mit "motorsport-total.com": "Wenn wir alles ans Auto schrauben würden, würde es ziemlich anders aussehen." Man darf also gespannt sein.
Toro Rosso: Der Auftrag an die junge Truppe kann eigentlich nur heißen, den bisher beeindruckenden Speed zu halten und die Zuverlässigkeit weiter zu verbessern. Denn technisch war der Toro Rosso von Beginn an sehr mutig konstruiert. Toro Rosso profitiert sowohl von seiner Abkopplung von Red Bull als auch von der engen Zusammenarbeit mit Ferrari in Sachen KERS: Das eigenständige Team besticht durch kreative Ideen.
Lotus: In Sachen Zuverlässigkeit und auch Speed läuft es für Lotus eigentlich ganz gut. Aber natürlich ist das Team immer noch extrem jung und braucht jeden Testkilometer. Dazu ist es notwendig, genug Teile im Gepäck zu haben. Das war beim letzten Test nicht der Fall, weshalb Lotus einen Tag früher abreisen musste.
Wie alle neuen Teams verzichtet Lotus zu Saisonbeginn auf KERS. Damit fehlen zwar vier Zehntel, aber auch ein Unsicherheitsfaktor für die letzten Testtage.
HRT: Dieses Team hat keine Baustellen, es ist eine einzige Baustelle. Erst jetzt wird das neue Auto zum ersten Mal auf die Strecke gehen. Das sieht zwar auf Bildern gut aus, wird aber sicher Kinderkrankheiten haben. Von daher zählt in Barcelona jede einzelne Runde. Immerhin testet HRT überhaupt, das war 2010 noch anders.
Zu allem Überfluss gibt es auch immer noch keine endgültige Sicherheit über den zweiten Fahrer. Zwar gehen alle davon aus, dass es Vitantonio Liuzzi sein wird, aber unterschrieben ist noch nichts. Er wird auf jeden Fall wieder Testfahrten bestreiten. Gut, dass ein erfahrener Mann wie er dabei ist. Denn die Informationsflut, die auf das Team hereinprasselt, wird riesig sein.
Virgin: Die bitterste Pille ist, dass Timo Glock nach seiner Blinddarm-Operation nicht wird fahren können. Seine Erfahrung bei der Entwicklung des Autos ist lebenswichtig. Ohne ihn wird der erforderliche Schritt in Richtung Lotus kaum möglich sein.
Größte Baustelle bei Virgin ist das Heck, das beim letzten Test sehr schwammig war. In diesem Bereich wird es einige Neuerungen geben, die nun aber leider der total unerfahrene Jerome d'Ambrosio wird abstimmen müssen.
Die Renntermine der Saison 2011 im Überblick