Formel 1 - Erkenntnisse zum Singapur-GP: Nur "nicht schlecht" reicht Schumacher nicht mehr

Christian Guinin
03. Oktober 202210:45
Max Verstappen wurde in Singapur nur Siebter.getty
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Beim Großen Preis von Singapur liefert Max Verstappen das erste schwache Rennen seiner gesamten Saison ab. Sergio Pérez muss unnötig lange auf seinen Sieg warten. Und für Mick Schumacher wird die Luft immer dünner. Die Erkenntnisse zum Singapur-GP.

1. Strafen-Wirrwarr ist nicht gut für den Sport

Sergio Pérez musste sich etwas gedulden, ehe sein zweiter Saisonsieg in trockenen Tüchern war. Der Red-Bull-Pilot wurde nach dem Singapur-GP aufgrund eines Safety-Car-Vergehens noch von Kommissaren vorgeladen - erst um 19.46 Uhr, über zweieinhalb Stunden nach der Zieleinfahrt des Mexikaners, stand das FIA-Urteil fest.

Pérez war vorgeworfen worden, in gleich zwei Fällen als Führender mehr als zehn Fahrzeuglängen Abstand zum Safety-Car gehalten zu haben, was ein Verstoß gegen Artikel 55.10 des Sportlichen Reglements der Formel 1 bedeutet hätte.

Der Mexikaner wurde von den Verantwortlichen zwar letztlich in beiden Vergehen schuldig gesprochen, nur für eine Situation bekam er allerdings eine Fünf-Sekunden-Zeitstrafe aufgebrummt. Der zweite Verstoß wurde mit einer Verwarnung seitens der FIA geahndet, die insgesamt 7,5 Sekunden Vorsprung im Ziel auf den Zweiplatzierten Charles Leclerc reichten dem RB-Piloten also aus.

Dass die Entscheidung mehrerer Stunden Abwägung durch die Rennkommissare bedurfte, mag auf den ersten Blick aufgrund der vielen Parameter, die der FIA erst bei genauerer Analyse zur Verfügung stehen, vielleicht richtig erscheinen, letzten Endes ist sie aber pures Gift für Fans und Zuschauer.

Sergio Pérez durfte seinen Sieg in Singapur behalten.getty

FIA muss schneller und transparenter werden

Kaum jemand verfolgt noch Stunden nach Rennende das Geschehen rund um die Strecke, ein aberkannter Sieg am grünen Tisch hat daher immer einen faden Beigeschmack. Hinzu kommen die Emotionen während der Zeremonie auf dem Podium, welche im Nachhinein durch kaum nachvollziehbare Entscheidungen gekillt werden.

Dass es im Falle Pérez nun zu keiner Aberkennung kam, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Anstatt noch Ewigkeiten nach Zieleinfahrt über die potenziellen Strafen und Vergehen eines Rennsiegers zu entscheiden, sollte die FIA ihre Entscheidungsfindung drastisch verkürzen und vor allem transparenter gestalten.

Bei Pérez' Vorfall war das Vergehen des Mexikaners beispielsweise weit vor Rennende ersichtlich, dennoch entschied die Rennleitung erst wenige Runden vor Schluss, sich überhaupt mit dem Fall zu befassen. Offenbar brauchte es erst einen Anstoß von Rivale Ferrari, der sich selbst noch Chancen auf den Sieg ausrechnete, um die Kommissare zu einem Eingriff zu bewegen.

2. Nur "nicht schlecht" reicht Schumacher nicht mehr

Mick Schumacher ist aktuell nicht zu beneiden. Nach wie vor hat der 23-Jährige keinen festen Sitz für das kommende F1-Jahr, auch in Singapur konnte er sich nicht wirklich ins Rampenlicht stellen und für eine Weiterbeschäftigung empfehlen.

Dabei lieferte der Deutsche erneut kein sonderlich schlechtes Rennen ab, zu einem überzeugenden Auftritt fehlte aber dann eben auch ein gutes Stück. Schon am Start verlor er zwei Positionen und fiel bis auf Rang 14 zurück. Danach arbeitete er sich langsam zurück in Schlagdistanz zu den Top-Ten-Plätzen, ehe ihm eine (nichtverschuldete) Kollision mit George Russell (Mercedes) einen Strich durch die Rechnung machte und sein Rennen quasi beendete.

Auf den ersten Blick mag das nach keinem schlechten Rennen Schumachers klingen, in Anbetracht seiner aktuellen Saison wird ihn das aber kaum weiterbringen. Viel mehr als nur "nicht schlechte" braucht Schumacher "gute" Auftritte. Rennen, in denen er sein Talent und seinen Speed zeigen und seinem Team beweisen kann, auch für das kommende Jahr die richtige Wahl zu sein.

Denn die Anzahl an möglichen Cockpits wird auf der anderen Seite immer geringer. AlphaTauri hat sich übereinstimmenden Medienberichten zufolge mit Nyck de Vries auf einen Vertrag geeinigt, im Gegenzug wird Pierre Gasly Red Bulls B-Team in Richtung Alpine verlassen. Auch bei Williams soll sich Gerüchten zufolge ein Favorit auf die Nachfolge von Nicholas Latifi herauskristallisiert haben - US-Youngster Logan Sargeant.

Mick Schumacher kämpft um sein F1-Cockpit.getty

Haas ist die letzte Option für Schumacher

Für Schumacher ist Haas damit die letzte und einzige Möglichkeit auf einen Platz im kommenden Jahr. Teamchef Günther Steiner hatte zwar zuletzt angedeutet, noch bis Ende Oktober auf seine Entscheidung warten zu lassen, viel Zeit bleibt Schumacher aber nicht. In den kommenden zwei, drei Rennen müssen zwingend Ergebnisse her, sonst könnte der Traum von der ganz großen F1-Karriere bereits ausgeträumt sein.

Schumacher selbst will sich von seinem Weg jedenfalls nicht abbringen lassen und spricht sich Mut für die kommenden Rennen zu. Insgesamt sei es ein "sehr schönes Wochenende" gewesen, so der 23-Jährige. "Ich hatte viel Spaß, die Strecke hier kennenzulernen. Das Rennen auf den Intermediates hat schon sehr viel Spaß gemacht, dem Auto liegt einfach das Nasse, die Pace war auf jeden Fall da, was sehr positiv ist."

3. Verstappen menschelt

Fünf Siege fuhr Verstappen zuletzt in Folge ein - und das unter teils widrigsten Voraussetzungen. In Monza, Spa und Budapest startete er fernab der ersten Startreihen, dennoch schien der Niederländer wie am Schnürchen von Triumph zu Triumph zu rauschen. Probleme oder ernsthafte Gegenwehr? Fehanzeige! Niemand schien ihn aufhalten zu können.

In Singapur lieferte Verstappen nun nach längerer Zeit wieder einmal ein eher vermurkstes Rennwochenende ab. Nach Problemen im Training und zu wenig Sprit im Qualifying verlief auch der GP auf dem Marina Bay Street Circuit alles andere als nach dem Geschmack des Niederländers.

Bereits am Start fiel Verstappen vom achten auf den zwölften Rang zurück, da er sich beim Erlöschen der roten Ampel im falschen Kupplungs-Modus befand. Im Anschluss kämpfte er sich zwar wacker durchs Feld und war zur Rennhälfte wieder auf Platz fünf angekommen, ein erneuter Patzer sorgte jedoch für das endgültige Ende aller Podiums- und Sieg-Träume.

In Runde 40 verbremste sich der Niederländer beim Versuch, McLaren-Pilot Lando Norris zu überholen, was ihn zu einem erneuten Boxenstopp zwang, der ihn wieder zurück in den Verkehr spülte. Letztlich beendete Verstappen das Rennen nur einen Platz vor seiner Startposition, in Anbetracht der vermeidbaren Fehler und dem Sieg von Teamkollege Pérez wäre jedoch deutlich mehr möglich gewesen.

Max Verstappen wurde in Singapur nur Siebter.getty

Verstappen kann in Japan aus eigener Kraft Weltmeister werden

"Er war in einem falschen Modus", analysierte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko den Auftritt seines Schützlings. "Das kann passieren, aber das ganze Wochenende war mit Max eigentlich nicht gut." Auch Verstappen selbst sprach von einem schwierigen Wochenende: "Wir sind nicht da, wo wir sein wollen, aber es fängt natürlich schon mit dem gestrigen Tag an. Man bringt sich in so eine Situation und es kann entweder brillant funktionieren, man kann wieder nach vorne fahren, oder es ist sehr frustrierend, so wie wir es hatten."

Die Entscheidung in der WM ist damit vertagt. Erst am kommenden Sonntag in Suzuka kann Verstappen seinen zweiten Weltmeisterschafts-Triumph perfekt machen - sollte er das Rennen gewinnen und gleichzeitig den Extrapunkt für die schnellste Rennrunde einheimsen. Nehmen kann man ihm den Titel ohnehin kaum mehr, das Rennen in Singapur hat jedoch gezeigt, dass auch der bislang so fehlerlose und übermächtige Red-Bull-Pilot unter Druck menschelt.

Formel 1: Der WM-Stand (nach 17 von 22* Rennen)

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Max VerstappenRed Bull341
2Charles LeclercFerrari237
3Sergio PerezRed Bull235
4George RussellMercedes203
5Carlos SainzFerrari202
6Lewis HamiltonMercedes170
7Lando NorrisMcLaren100
8Esteban OconAlpine66
9Fernando AlonsoAlpine59
10Valtteri BottasAlfa Romeo46
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Red Bull576
2Ferrari439
3Mercedes373
4McLaren129
5Alpine125
6Alfa Romeo52
7Aston Martin37
8Haas34
9AlphaTauri34
10Williams6

*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.