Lange stand ein Verkauf der Formel 1 im Raum, nun ist es passiert: Das US-Medienimperium Liberty Media übernimmt die Königsklasse des Motorsports. Der Deal ist komplex und wirft viele Fragen auf. Was genau ist passiert? Warum verkauft der bisherige Hauptanteilseigner CVC seinen Besitz? Wer ist eigentlich Liberty Media? Was bedeutet der Verkauf für die Formel 1? Und was wird aus Bernie Ecclestone?
Was ist passiert?
Gerüchte, dass die Formel 1 verkauft werden soll, gab es in den vergangenen Jahren zu Hauf. Am Ende des Tages blieb die Königsklasse aber immer im Besitz von Mehrheits-Anteilseigner CVC Capital Partners und den übrigen Stakeholdern.
Nicht so dieses Mal: Die Meldungen, die am Rande des Großen Preises von Italien die Runde machten, stellten sich als wahr heraus. Die Formel 1 wird an Liberty Media verkauft. Das bestätigte das US-Medienunternehmen am Mittwochabend offiziell.
"Wir freuen uns, Teil der Formel 1 zu werden. Wir glauben, dass unsere langfristige Ausrichtung und Expertise mit Medien- und Sportgeschäften uns erlaubt, der Formel 1 eine gute Führung zu geben, von der Fans, Teams und Anteilseigner profitieren werden", ließ CEO Greg Maffei verlauten.
Der Kaufpreis liegt bei 4,4 Milliarden Dollar (3,93 Milliarden Euro). Hinzu kommen Schuldenbegleichungen vergleichbarer Höhe, die dem Gesamtgeschäft einen Wert von 8,0 Milliarden Dollar geben. 1,1 Milliarden Dollar fließen in bar, dazu gibt es 138 Millionen neu aufgelegte Aktien von Liberty Media, 351 Millionen Dollar in Schuldscheinen und noch ein paar Extras.
Allerdings: Liberty Media wird die Transaktion nicht in einem Abwasch vollziehen, sondern seine Anteile häppchenweise kaufen. Im ersten Schritt hat der Konzern bereits 746 Millionen Dollar an CVC überwiesen und sich damit 18,7 Prozent der Formel-1-Dachgesellschaft Delta Topco gesichert.
Im ersten Quartal 2017 wird Liberty Media den Deal dann endgültig abschließen und sich Delta Topco komplett einverleiben. Trotzdem bleiben CVC und Co. an Bord: Sie halten nach der Übernahme 65 Prozent der Anteile an Liberty Media, das in Formula One Group umbenannt wird. Zusätzlich gibt es Sitze im Aufsichtsrat der Formula One Group, die bisherigen Eigentümer sollen die weitere Entwicklung der Formel 1 begleiten, den Kurs aber nicht steuern.
Das absolute Stimmrecht bekommt Liberty nach der Übernahme der CVC-Anteile sowie des Kaufs eines bestimmten Prozentsatzes der anderen Mitbesitzer. Zudem müssen der Internationale Automobilverband FIA und das europäische Kartellamt dem Deal erst ihren Zuspruch geben - das jedoch ist wohl reine Formsache.
Die Eigentümerstruktur der Formel 1 vor und nach der Übernahme:
Eigentümer | Anteil vor der Übernahme | Anteil nach der Übernahme |
Liberty Media | 0% | 35,3% |
CVC Capitals | 38,1% | 24,7% |
Waddell & Reed | 20,5% | 13,3% |
Lehman Group | 12,1% | 7,8% |
Bambino Holdings | 8,4% | 5,4% |
Norwegen | 4,1% | 2,7% |
Bernie Ecclestone | 3,3% | 2,1% |
F1-Management | 2,8% | 1,8% |
Andere | 10,6% | 6,9% |
Warum verkauft CVC seine Gelddruckmaschine?
Der Verkauf der Formel 1 war überfällig. CVC Capitals ist der größte Gewinner, den die Formel 1 jemals sah. Knapp zwei Milliarden US-Dollar investierte das Private-Equity-Unternehmen in den Ankauf der populärsten Rennserie der Welt insgesamt. Seitdem hat der Konzern mit Sitz in Luxemburg seine Anteile halbiert und gleichzeitig Gewinne eingestrichen: 4,4 Milliarden Dollar.
Der Return on Invest (ROI) lag schon vor dem Verkauf an Liberty bei unglaublichen 350 Prozent. Zusammen mit den 8 Milliarden für die restlichen 35 Prozent klettert er auf über 1000 Prozent. Ein profitableres Geschäft gab es in der 35-jährigen Geschichte von CVC noch nie. 1,4 Milliarden Dollar Gewinn machte die Formel 1 allein im letzten Geschäftsjahr.
Warum der Verkauf angesichts dieser Profitabilität trotzdem überfällig war? CVC kauft Firmenteile an, um sie nach und nach oder auf einen Schlag, aber definitiv in kurzer Zeit wieder abzustoßen - mit Gewinn. Fünf Jahre beträgt die durchschnittliche Haltedauer.
Durch den Verkauf bekommt CVC ein neues Spielzeug: Anteile an Liberty Media, die nach der Übernahme in Formula 1 Group umbenannt werden soll. Und: Die Expertise der US-Amerikaner könnte dafür sorgen, dass der bei CVC verbliebene Unternehmensanteil schnell seinen Wert weiter steigert.
Wer steckt hinter Liberty Media?
Hinter Liberty steht der Self-Made-Multimilliardär John Malone. Er hält die Mehrheit der stimmberechtigten Aktien. Forbes zählt den 75-Jährigen mit 7,1 Milliarden US-Dollar in ihrer Liste zu den 100 reichsten Amerikanern. Er ist der größte private Landbesitzer in den USA.
Der öffentlichkeitsscheue Malone hat sein Geld mit Kabelfernsehen verdient. Er führte von 1973 bis 1999 den US-TV-Anbieter TCI, der schließlich mit AT&T fusionierte.
Nebenbei investierte Malone sein eigenes Geld, um sich selbst ein Netzwerk aufzubauen. Über die Jahre ist ein komplexes Firmenkonstrukt entstanden. In Deutschalnd kaufte er Unity Media und Kabel BW, das Kartellamt verhinderte die Übernahme des Telekom-Kabelnetzes. Melones Hauptholdings sind Liberty Global und Liberty Media.
Liberty Global mit Sitz in London beschäftigt 45.000 Mitarbeiter, macht 19 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr - als größter Kabelnetzbetreiber außerhalb der USA. Liberty Media, der Formel-1-Käufer, dagegen ist an zahlreichen Medienunternehmen beteiligt, beschäftigt 24.000 Mitarbeiter und kommt auf 10 Milliarden Dollar Umsatz jährlich.
Sein aggressives Geschäftsgebaren hat Malone mehrere Spitznamen eingebracht: Cable Cowboy ist einer der netteren, ein Senator namens Al Gore verglich seinen Landsmann mit Darth Vader und Mafiabossen.
Malone ist ein Freund von Mega-Medienkonzernen. Erst im Juni fusionierte das Filmstudio Lionsgate mit der US-Sendergruppe Starz. Verwertungsketten sind sein Steckenpferd. Für die Formel 1 könnte das Veränderungen mit sich bringen. Liberty Media gehört Discovery Communications, der Mutterfirma von Eurosport, die unter anderem schon Anteile an der Formel E hält. Es scheint logisch, dass die Elektrorennserie stärker mit der Formel 1 verbunden wird.
Auch sonst ist Malone längt kein Unbekannter im Sport-Business. Liberty Media gehören unter anderem die Atlanta Braves. Die MLB-Franchise erhielt die Holding bei einem Tauschgeschäft mit Time Warner und Rupert Murdochs News Corp. als "Bonus" zur Kontrolle über den US-Satellitenanbieter DirecTV. Zuvor hatten sich die beiden Medienmogule zwei Jahre lang einen Kampf um die Vorherrschaft im TV-Markt von Großbritannien und den USA geliefert.
Liberty und CVC sind grundverschiedene Unternehmen. Während CVC schnellen Gewinn erzielen will, beschreibt sich Liberty selbst als Teil des Medien-, Kommunikations- und Unterhaltungsgeschäfts. Die Amerikaner haben massig Erfahrung, wie Events richtig vermarktet werden. Zu Liberty gehört unter anderem Live Nation, die Konzerte und Events organisieren und über Ticketmaster vertreiben.
Was bedeutet der Verkauf für die Formel 1?
Bernie Ecclestone und CVC haben die Königsklasse des Motorsports zu einer Gelddruckmaschine entwickelt. Mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn pro Jahr war für das Investmentunternehmen zuletzt Standard. Unter den immensen Einnahmen der Hauptanteilseigner litten die eigentlichen Akteure - die Streckenbetreiber, die meisten Teams und nicht zuletzt die Fans.
Mit der Übernahme von Liberty Media könnte sich einiges ändern. Wollte ein Veranstalter einen Formel-1-GP austragen, forderte Ecclestone zuletzt Summen im achtstelligen Bereich. Beispiel: Die Veranstalter des Grand Prix von Italien müssen für die nächsten drei Jahre satte 68 Millionen Euro überweisen, 35 Prozent der F1-Einnahmen stammen von den Streckenbetreibern.
Die Folge? Immer mehr Rennen wurden in finanzstarken Ländern wie Abu Dhabi, Aserbaidschan oder Russland gefahren, während die Traditionsstrecken in Europa verwaisten.
Diese Entwicklung soll nun in eine andere Richtung laufen. Liberty Media will die Formel 1 zu einem größeren Teil über Bewegtbildrechte finanzieren. Die Streckenbetreiber würden so entlastet. Sinken die Antrittsgebühren für die Betreiber, sinken wohl auch die Eintrittspreise für den Zuschauer vor Ort. Ticketpreise in Höhe von 500 Euro und mehr würden dann der Vergangenheit angehören.
Gerade die europäischen Fans dürfen hoffen: Europa sei das Herz der Formel 1, teilten die neuen Besitzer mit, dieses Fundament müsse bewahrt werden. Trotzdem sollen neue Märkte erschlossen werden. Weitere Grands Prix in Amerika und Asien scheinen daher nur möglich, wenn der Kalender weiter ausgedehnt wird. Dafür ist die Zustimmung der Teams nötig.
Für sie könnte der Milliarden-Deal gewaltige Folgen haben. Liberty Media will die Rennställe an der Formel 1 beteiligen. Der Vorteil für das Unternehmen: Die Hersteller werden langfristig an die Rennserie gebunden und sind für ihren Erfolg mitverantwortlich. Dauerhafte öffentliche Kritik an der eigenen Serie würde so wohl der Vergangenheit angehören und eine Zustimmung zur Ausweitung des Kalenders könnte ebenfalls leichter fallen. Es winkt mehr Geld.
Zwar werden durch das bis zum Jahr 2020 gültige Concorde-Agreement wohl keine neuen Rennställe in die Formel 1 eintreten und auch das Auszahlungssystem wird bis dahin gleich bleiben. Doch nach Ablauf des Vertrags könnten die Erfolgsprämien gerechter verteilt werden. Während aktuell Ferrari, Mercedes und Red Bull den Löwenanteil kassieren, gehen kleinere Teams wie Force India und Sauber bei der Gewinnausschüttung nahezu leer aus. Liberty könnte sich künftig am System der großen US-Sportligen orientieren und die Einnahmen angleichen.
Die Art der Formel-1-Berichterstattung wird sich ebenfalls ändern. Das Internet wird eine größere Rolle spielen, besonders die Sozialen Medien dürften in den Vordergrund gerückt werden. Die Ernennung von Chase Carey als Vorstandsvorsitzenden verspricht neue Ansätze: Der Ex-Präsident von 21st Century Fox war früher CEO von DirecTV, er ist ein Medienunternehmer erster Klasse. Er kündigte direkt an, Augmented Reality und Virtual Reality nutzen zu wollen. Ein Rennen gegen Lewis Hamilton fahren? Noch scheint das weit weg.
Die Quintessenz: Liberty verfolgt einen klaren Plan, das Unterhaltungsprodukt Formel 1 weiterzuentwickeln, die globale Marke auszubauen. Natürlich will auch der Malone-Konzern wie CVC Geld verdienen, aber nicht im selben Umfang. Statt die Formel-1-Kuh nur zu melken, steht die zukunftsorientierte Verbesserung des Produkts im Mittelpunkt.
Das von vielen als zu komplizierte Regelwerk könnte trotz des Besitzerwechsels beibehalten werden. Hauptverantwortlich für diesen Agenda-Punkt ist nämlich die FIA.
Was wird aus Bernie Ecclestone?
Die Kritiker wünschten sich schon seit Jahren einen Formel-1-Verkauf. Dann endlich sollte nämlich Bernie Ecclestone seinen Hut nehmen und die Geschicke anderen überlassen. Doch nun, trotz des Liberty-Deals, kommt es anders: Der Zampano bleibt der Königsklasse weiterhin treu - zumindest vorerst.
"Er hat das Weltunternehmen Formel 1 über Dekaden hinweg zu dem gemacht, was es heute ist, und ich fühle mich sehr geehrt, von Mr. E. lernen zu dürfen", sagte Chase Carey im Gespräch mit Motorsport.com. Der Amerikaner übernimmt das Amt des Vorstandsvorsitzenden der Formel 1, während Ecclestone für die nächsten drei Jahre an dessen Seite als Geschäftsführer tätig bleiben soll.
Pikant: Ecclestone plante offenbar, andere Käufer zu finden, da er nur rudimentär in die Verhandlungen mit Liberty eingebunden war und vom US-Unternehmen nur als Übergangslösung gesehen wird. Entsprechend kurz kommentierte der 85-Jährige die Meldung in einer Pressemitteilung: "Ich möchte Liberty Media und Chase Carey in der Formel 1 willkommen heißen und freue mich darauf, mit ihnen zu arbeiten."
Zudem liebt Ecclestone die Alleinherrschaft. "Wir müssen zurück zu den guten alten Tagen, als ich in einer Position mit viel mehr Macht war. Als ich ein Diktator war", sagte der Brite erst vor einigen Monaten. Das Gegenteil ist nun der Fall: Ecclestone gibt von seinen 5,3 Prozent großen Anteilen nicht nur 2,2 Prozent ab.
Ecclestone muss mit Carey jetzt einen starken Mann an der Spitze dulden, der die Digitalisierung der Formel 1 vorantreiben will - bis er in ein paar Jahren ganz seinen Hut nehmen wird. Der US-Amerikaner mit dem sympathischen Schnauzbart ist bei weitem kein ungeschriebenes Blatt: Er war eine der zentralen Figuren beim Aufbau von Fox' Sportangebot mit NFL, MLB und NASCAR. Als Non-Executive Director gehört er zudem zur Board of Directors von Sky.
Eine bedeutende Änderung bringt der Deal mit sich: Die Hinterzimmer-Geschäfte und absolute Geheimniskrämerei gehören der Vergangenheit an. Liberty Media ist an der New Yorker Börse notiert, die neue Formule One Group wird es also ebenfalls sein. Die Transparenz des Milliardengeschäfts Formel 1 wird also steigen.
Der Formel-1-Kalender 2016 im Überblick