Ferrari-Pilot Sebastian Vettel hat mit seinem Sieg beim Großen Preis von Belgien ein Ausrufezeichen im Titelkampf der Formel 1 gesetzt und gleichzeitig zahlreiche Fragezeichen bei Lewis Hamilton und Mercedes hinterlassen. Die Szenerie erinnert ans Vorjahr - mit umgekehrten Vorzeichen.
"Ehrlich gesagt habe ich mir schon gestern viele Gedanken darüber gemacht", berichtete Sebastian Vettel auf der Sieger-Pressekonferenz von seiner detaillierten Vorbereitung auf das Überholmanöver gegen Lewis Hamilton in der ersten Runde. Der Heppenheimer wusste: Auch auf dem langen, vielseitigen Circuit de Spa-Francorchamps würde er gegen Polesitter Hamilton nicht viele Gelegenheiten für eine Attacke bekommen. Und vor allem wusste er: So wie im Vorjahr dürfte er diesmal auf keinen Fall agieren.
Damals saugte sich Vettel nämlich schon vor der Eau Rouge so nah an Hamilton heran, dass er in der Bergauf-Passage kurz lupfen musste und nicht genug Geschwindigkeit auf die Kemmel-Geraden mitnehmen konnte, um am Rivalen vorbeizuziehen. Seine einzige Chance auf einen möglichen Sieg verpuffte bereits nach wenigen Metern.
Diesmal stellte sich Vettel besser an. Ihm gelang es, mit vollem Speed hinter Hamilton herzujagen und anschließend am Silberpfeil mit solch einem Überschuss vorbeizufliegen, wie es der amtierende Weltmeister seit seinem Wechsel zu Mercedes wohl noch nie erlebt hat. "Sie waren auf den Geraden einfach schneller und wir konnten nichts dagegen unternehmen", klagte Hamilton später mit Blick auf den Ferrari und mutmaßte: "Sie haben irgendwelche Tricks an ihrem Auto."
Lewis Hamilton wehrt sich gegen Verschwörungstheorien
Ob der Brite mit diesen "Tricks" lediglich raffinierte Upgrades meinte oder doch illegale Maßnahmen, blieb zunächst offen. Erst als die Interpretationen und Verschwörungstheorien außer Rand und Band liefen, stellte er seine Aussage klar: "Jeder hat solche Tricks. Es ist etwas, das zusätzliche Leistung bringt. Mehr will ich gar nicht sagen, also bitte interpretiert das nicht und dreht mir die Worte auch nicht im Mund herum. Sie machen nichts Illegales."
Dennoch hat Hamilton damit seine Verwunderung über den (legalen) Wunder-Ferrari offenbart. "Wir haben ein ziemlich gutes Upgrade nach Belgien mitgebracht. Aber jedes Mal, wenn wir eine Ausbaustufe zünden, dann hat Ferrari eine noch größere dabei", beschreibt er das Wettrüsten desillusioniert.
Und auch Mercedes-Technikchef James Allison zeigte sich nach der Niederlage ernüchtert. "Heute", stellte der einstige Ferrari-Mann fest, "lässt sich nichts schönreden. Wir wurden von einem schnelleren Team geschlagen, das uns auf beiden Reifen im gesamten Stint davonfahren konnte. Nach der Performance im Qualifying gestern war das sehr enttäuschend. Uns steht nun viel Arbeit ins Haus, um Ferrari in Monza und bei den verbleibenden Saisonrennen wieder einen Kampf zu liefern."
Es ist ein neues Bild, das sich da zeigt. Während Mercedes im Vorjahr in Topform aus der Sommerpause zurückkehrte, hadert man nun im Stuttgarter Lager. Die Pleite in Belgien scheint Stand jetzt daher so etwas wie ein erster Akt der Andersartigkeit zu sein. 2017 spann Hamilton seine Zelte zwar mit 14 Zählern Rückstand im WM-Kampf mit Vettel auf, gewann dann aber nicht nur in Spa-Francorchamps, sondern fegte die gesamte "Rückrunde" über Freund und Feind hinweg.
Sebastian Vettel und Lewis Hamilton 2017 im Vergleich
Rennen | Sebastian Vettel | Lewis Hamilton |
Belgien | 2. | 1. |
Italien | 3. | 1. |
Singapur | DNF | 1. |
Malaysia | 4. | 2. |
Japan | DNF | 1. |
USA | 2. | 1. |
Mexiko | 4. | 9. |
Brasilien | 1. | 4. |
Abu Dhabi | 3. | 2. |
Sebastian Vettel und Ferrari haben Vorteil auf ihrer Seite
Diesmal sind die Vorzeichen umgekehrt. Vettel war es, der die zweite Saisonhälfte mit dem Handicap von 24 Punkten aufnahm. Und Vettel war es, der den Belgien-GP siegreich bestritt. Dass es im königlichen Park zu Monza ähnlich erfolgreich läuft, scheint wahrscheinlich. Immerhin besteht der italienische Hochgeschwindigkeitskurs hauptsächlich aus Geraden und die bringt Ferrari - wie gesehen - besonders schnell hinter sich.
"Es tut gut zu wissen, dass alles geklappt hat. Die neuen Teile und der neue Motor sind rund gelaufen", lobte Vettel seine Ingenieure daher nicht umsonst. Und Teamchef Maurizio Arrivabene betonte bei Sky: "Heute war es endlich mal nicht bewölkt und so konnten wir unser Potenzial entfalten. Wir haben gewonnen und gezeigt, dass unser Auto stark ist. Sebastian ist Weltklasse."
Die Chancen, dass Vettel in seiner elften vollständigen Formel-1-Saison also zum neunten Mal nach der Sommerpause mehr Punkte als zuvor holt und damit in Richtung Titel Nummer fünf fährt, scheinen gegeben. Allerdings: Auch in der ersten Hälfte hatte Ferrari oft genug das beste Auto und scheiterte an Pech oder sich selbst. Doch vielleicht ist es in diesem Herbst ja anders ...