Erdogan im Stadion, der Wolfsgruß auf der Tribüne? Nach dem jüngsten Eklat und diplomatischen Spannungen birgt das Viertelfinale der Türkei gegen die Niederlande viel Sprengkraft.
Der Präsident kommt. Natürlich. Eine bessere Bühne als das EM-"Heimspiel" der Türken in Berlin hätte sich Recep Tayyip Erdogan für eine Machtdemonstration gar nicht wünschen können. Ein Olympiastadion getaucht in Rot und Weiß, der Wolfsgruß möglicherweise zehntausendfach auf der Tribüne: Schon vor Anpfiff des historischen Viertelfinals wird es im Lichte der neusten diplomatischen Spannungen einen Sieger geben: Erdogan.
Den Ton setzte der türkische Machthaber, indem er sich höchstpersönlich in die Wolfsgruß-Affäre um Nationalspieler Merih Demiral einmischte. "Sagt jemand etwas darüber, dass die Deutschen den Adler auf ihren Trikots haben? Sagt jemand, die Franzosen haben einen Hahn auf dem Trikot, warum führen sie sich wie Hähne auf?", sagte er laut der Nachrichtenagentur Anadolu. Demiral habe lediglich seine "Begeisterung" gezeigt, so Erdogan.
Nach dem Wolfsgruß-Eklat um den türkischen Nationalspieler Merih Demiral, der infolgedessen für zwei Spiele gesperrt wurde, entwickelte sich die Debatte rasend schnell zur politischen Affäre, die Erdogan für sich nutzte und den kurzfristigen Besuch der K.o.-Partie am Samstag (21.00 Uhr/RTL und MagentaTV) gegen die Niederlande ankündigte.
Die diplomatische Sprengkraft ist enorm, das Olympiastadion ein Pulverfass, weshalb die Polizei das Viertelfinale umgehend als "Nonplusultra-Hochrisikospiel" einstufte.
Ein geräuschloses Fußballspiel in der Hauptstadt, in der 200.000 türkischstämmige Menschen leben, darf nach den jüngsten Ereignissen kaum erwartet werden. Am Freitag forderten türkische Ultras dazu auf, während der Nationalhymne vor der Partie den sogenannten Wolfsgruß zu zeigen. Die Aktion solle symbolisieren, hieß es in dem Aufruf bei X, "dass das Zeichen der Grauen Wölfe kein Rassismus ist, sondern das nationale Symbol des Türkentums." Derartige Bilder wären für Erdogan eine enorme Genugtuung.