Bislang ist der Name Bartosch Gaul nur absoluten Insidern ein Begriff. Der 35-Jährige ist nach Stationen in den Nachwuchsabteilungen von Schalke und Mainz seit Sommer Coach beim polnischen Traditionsverein Górnik Zabrze und damit der Chef von Lukas Podolski.
Gaul gilt als großes Trainertalent und gehört zum Stall von Klopp-Berater Marc Kosicke. Im Interview mit SPOX und GOAL spricht Gaul über seinen Karriereweg.
Außerdem verrät Gaul, warum ein Abend mit NBA-Coaching-Legende Phil Jackson ein Traum wäre und wie er in Polen den Krieg in der Ukraine erlebt.
Herr Gaul, Sie sind in Bytow in Polen geboren, aber früh nach Deutschland gezogen. Wann ist der Fußball in Ihr Leben gekommen?
Bartosch Gaul: Das war schon ganz früh quasi unvermeidlich. Als ich 2 Jahre alt war, sind meine Eltern mit mir von Polen ins Ruhrgebiet gezogen, genauer gesagt nach Gladbeck. Die Verbindung nach Polen ist aber nie abgerissen. Die Familie meiner Mutter ist in Polen geblieben, sodass wir immer in den Sommerferien auf Besuch waren. Wenn du im Ruhrgebiet aufwächst, gibt es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten. Entweder schwarz-gelb oder blau-weiß. Und bei mir ist es blau-weiß geworden. (lacht) Die Eurofighter mit Marc Wilmots und Co. waren die großen Idole und Helden der Jugend. Ich habe auch selbst leidenschaftlich Fußball gespielt, ich war aber nie der talentierteste. Gekoppelt mit einigen Verletzungen, gerade an der Leiste, führte das dazu, dass mir früh klar wurde, dass es mit der großen Karriere als Spieler leider nichts werden wird.
Dafür sind Sie sehr früh in die Trainerschiene gerutscht.
Gaul: Ich habe schon als Jugendlicher mit 14 oder 15 Jahren in meinem Heimatverein als eine Art Co-Trainer meine ersten Erfahrungen im Trainerbereich gemacht. Ich habe den Trainerberuf wirklich von der Pike auf erlernt. Ich habe sehr früh gemerkt, wie mich die Arbeit mit jungen Menschen fasziniert. Als ich 21 war, bin ich Co-Trainer in der U17 von Schalke geworden, einige Jahre später wurde ich Assistent von Norbert Elgert in der U19. Eine ganz prägende Zeit für mich.
So viele schwärmen von Elgert. Wie würden Sie versuchen, zu beschreiben, was diesen Mann so besonders macht?
Gaul: Wenn man über Norbert Elgert spricht, muss man abgesehen von seiner fachlichen Kompetenz immer zuerst über das Menschliche sprechen. Er hat zu mir gesagt: Wir betreuen hier keine Maschinen. Wir betreuen keine Fußballer. Wir betreuen junge Menschen und wollen ihnen in ihrer Entwicklung helfen. Die Art und Weise, wie er mit den Jungs umgegangen ist, war sehr faszinierend. Und die zweite Facette war, dass man ja meinen könnte, dass du irgendwann mal dazu neigst, dich vielleicht etwas zurückzulehnen, wenn du so viel Erfahrung hast wie er. Aber von wegen: Er hat immer betont, dass der Schlüssel zum Erfolg bei dir selbst liegt. Du musst als Trainer permanent an dir selbst arbeiten und dich selbst weiterentwickeln. Wenn ich vermitteln will, was ich fühle und denke, muss ich mich erstmal selbst in den entsprechenden Modus bringen. Er hat ein unglaubliches Paket aus absolutem Wissen, Erfahrung und der menschlichen Ebene. Was ich bei ihm gelernt habe, hätte ich in keinem Lehrbuch lernen können.
Wenn Sie davon sprechen, an sich selbst zu arbeiten als Coach, wie machen Sie das?
Gaul: Es ist schon mal ganz entscheidend, dass ich innerhalb meines Staffs eine Atmosphäre schaffe, dass Feedback und Kritik ausdrücklich erwünscht sind. Ich will als Trainer nicht spüren, dass mein Team denkt, der Chef will bloß nicht belehrt werden und weiß eh alles. Ich versuche, mir immer wieder Feedback und Meinungen einzuholen. Auch von den Führungsspielern zum Beispiel. Viele haben etwas Angst vor dieser Offenheit, aber für mich ist sie essentiell. Sie ist mehr Stärke als Schwäche. Ich reflektiere mich viel, ich mache mir viele Notizen, wenn mir Dinge auffallen. Dazu kommt, dass ich mich ab und zu auch extern coachen und sozusagen überprüfen lasse, um Input von Menschen zu bekommen, die nichts mit Fußball zu tun haben. Und als letzten Punkt versuche ich auch, mich um meine eigenen Ressourcen zu kümmern. Wir sind als Trainer zweifellos einem hohen Stresslevel ausgesetzt, umso wichtiger ist es, sich seine Oasen der geistigen Erholung zu schaffen. Oft heißt es dann, dass man dafür keine Zeit mehr hat, aber diese Zeit muss man sich nehmen. Ich stehe dafür dann auch mal früher auf, das muss es einem auch wert sein.
imago imagesBartosch Gaul: "Der Schlüssel ist das Thema Führung"
Wie ist Elgert konkret mit den Nachwuchsspielern umgegangen?
Gaul: Er hat es immer als "situativen Führungsstil" beschrieben. Jeder Spieler muss individuell betrachtet werden. Es gibt Jungs, die eine sehr klare Ansage brauchen. Für andere wiederum wäre das nicht der beste Ansatz. Es gibt sensible Typen, die du anders anpacken und mehr mitnehmen musst. Es geht darum, den Menschen mit all seinen Stärken zu sehen, sowohl im fußballerischen als auch im persönlichen Bereich. Dafür brauchst du aber ein hohes Maß an Empathie und Feinfühligkeit.
Sind Empathie und Feinfühligkeit heutzutage für Trainer wichtiger als fachliche Qualitäten?
Gaul: Ich glaube zumindest, dass diese Qualitäten ganz entscheidend sind. Die Trainerausbildung ist in Deutschland auf so einem hohen Niveau, dass es fachlich keine schlechten Trainer in dem Sinne gibt. Diese Kompetenz bringen alle mit. Der Schlüssel ist das Thema Führung, in all seinen Ausprägungen. Bin ich mit mir selbst im Reinen? Welche Führungsprinzipien habe ich? In einer U23-Mannschaft musst du "nur" die Mannschaft und ein Funktionsteam führen, als Cheftrainer im Profibereich geht es fast in eine Art CEO-Rolle, da kommt das ganze Umfeld des Vereins noch dazu, das du nicht ausblenden kannst. Da spielt der Umgang miteinander eine riesige Rolle. Und ehrlich gesagt ist genau das der Grund, warum ich diesen Job als Cheftrainer so gerne mache. Mich reizt es, mit Menschen zu arbeiten und gemeinsam etwas zu bewegen.
Was ist denn aus Ihrer Sicht der Schlüssel für eine gute Teamchemie? Jede Mannschaft der Welt beschwört den Teamgeist, trotzdem klappt es unterschiedlich gut.
Gaul: Es geht damit los, dass du schon in der Kaderzusammenstellung Fehler vermeiden solltest. Das funktioniert natürlich nicht immer. Aber in einem intakten Verein gibt es eine klare gemeinsame Vision, einen klaren gemeinsamen Weg. Vorstand, Sportdirektor, Trainer, Scoutingabteilung - hier darf nichts auseinander gehen. Nur so schaffst du es, bei einer klaren Linie dann einen Kader charakterlich gut zusammenzustellen. Die Summe von individuell sehr guten Fußballern ergibt noch lange keine gute Mannschaft, das gilt für untere Ligen genauso wie im absoluten Spitzenbereich. Für die Kultur einer Mannschaft ist es aber ganz entscheidend, dass du schon im Vorfeld darauf achtest, wie du einen Kader baust.
Was ist noch wichtig, um eine Kultur zu schaffen?
Gaul: Für mich sind zum Beispiel Rituale sehr wichtig. Ich versuche, vor jeder Saison eine Story zu kreieren, die uns alle als Mannschaft verbindet. Dafür muss ich ins Team hineinhören: Was ist euch wichtig? Wie können wir eine Identifikation schaffen? Ich lasse dann auch mal handschriftlich die Spieler etwas aufschreiben, aus dem sich in der Folge ein Slogan entwickelt, den wir ritualisiert durch die Saison ziehen. Der auch als Poster in der Kabine hängt und den wir jeden Tag sehen. Aktuell haben wir etwas gefunden, was nicht nur zu unserer Spielweise auf dem Feld passt, sondern was auch für die Werte, für die Lebensweise und für die DNA der Region, in der wir uns befinden, stehen soll. So entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das so stark ist, dass es dich im besten Falle durch die ganze Saison trägt.
Sie haben an der Ruhr-Universität in Bochum Sportwissenschaft mit Schwerpunkt Intervention und Diagnostik, aber auch anfangs noch Erziehungswissenschaften studiert. Was hat Sie daran gereizt?
Gaul: Ich wollte die pädagogische und psychologische Seite unbedingt auch machen, weil ich mehr über den Menschen herausfinden wollte. Das Sportwissenschafts-Studium drehte sich vor allem um den athletischen Bereich. Das wäre ein guter Schwerpunkt gewesen, um später als Athletik-Trainer zu arbeiten, aber ich denke, dass mir dieses Wissen auch als Cheftrainer viel weiterhelfen kann, wenn wir an Themen wie Belastungssteuerung denken. Die wichtigste Entscheidung zu der Zeit war für mich, ob ich mich eher im Breitensport oder im Leistungssport sehe. Ich habe mich sehr klar für Letzteres entschieden und bin all-in gegangen, weil ich mich dort mehr wiedergefunden habe.
Sie sind mit der Schalker A-Jugend Meister geworden, das war unter anderem mit Leroy Sané und Thilo Kehrer damals eine interessante Truppe. Was ist aus der Zeit hängen geblieben?
Gaul: Wir haben über die Bedeutung einer Teamkultur gesprochen, das haben wir damals auch in der U19 gesehen. Wir hatten eine sehr gute Mischung aus Überfliegern und Spielern, die es später in ihrer Karriere nicht nach ganz oben geschafft haben, die aber für das Team extrem wichtig waren. Generell ist mir aus dieser Zeit geblieben, dass man sehr gut zwischen Toptalent und "normalem" Talent differenzieren muss. Es gibt diese Ausnahmetalente, die du im Verein alle 15 oder 20 Jahre hast, denen musst du kein Dribbling beibringen. Da geht es um eine andere Art der Begleitung. Diesen Jungs musst du mehr in der Persönlichkeitsentwicklung helfen, in puncto Professionalität oder im Umgang mit schwierigen Situationen.
Sané ist einer der spannendsten und auch einer der streitbarsten Fußballer Deutschlands. Wie haben Sie seine Entwicklung verfolgt?
Gaul: Du konntest bei Leroy damals schon alle Themenfelder durchgehen, ob das jetzt die Technik oder die Athletik war, auf einer Skala von eins bis zehn war Leroy in ganz jungen Jahren überall schon bei einer Zehn fußballerisch. Er hat extrem viel mitgebracht, deshalb war es auch absehbar, dass er sehr schnell einen beeindruckenden Weg gehen wird, solange er gesund und klar im Kopf bleibt. Ich finde, dass die Bewertung von Leroy teilweise zu hart war in den letzten Jahren. Diese Jungs müssen in jungen Jahren unter enormem Druck ständig Topleistungen abrufen. Es ist völlig normal, dass sie auch Leistungslöcher haben, wir sollten ihnen das zugestehen. Und nicht jeder junge Spieler ist gleich. Thilo Kehrer war im Gegensatz zu Leroy jemand, der immer mehr und härter arbeiten musste für seinen Erfolg. Er hat sich über die Jahre gerade im mentalen Bereich hervorragend weiterentwickelt, weil er das als Potenzial für sich erkannt hat und es fokussiert angegangen ist. Ich bin sehr dankbar, dass ich beide ein wenig begleiten durfte.
Bartosch Gaul: Dieser VfB-Mann ist ein "absoluter Kreativkopf"
Nach Ihrer Zeit auf Schalke sind Sie in die Nachwuchsabteilung von Mainz gewechselt. Wie kam es dazu?
Gaul: Ich wollte nach einer sehr intensiven Zeit mit der Arbeit auf Schalke und dem Studium den nächsten Schritt gehen, hauptberuflich im Fußball arbeiten und zum ersten Mal selbst eine Mannschaft leiten. Ich wollte auch aus meiner Komfortzone heraus. Insofern war das Angebot, in Mainz die U15 übernehmen zu können, sehr reizvoll. Zumal Mainz damals wie heute ja einen exzellenten Ruf in der Trainerausbildung genossen hat und einfach eine Top-Adresse ist. Mainz hat finanziell im Nachwuchsbereich nicht die Möglichkeiten, um mit den Topklubs mitzuhalten, daraus hat man aber eine Tugend gemacht. In Mainz wird sehr stark in Lösungen gedacht, statt sich darüber zu beschweren, was woanders möglich ist. Dann muss ich kreativer sein als die Konkurrenz. Innovativer, noch akribischer. Diese Denkweise habe ich mir in der Mainzer Schule angeeignet - das war sicher eine gute Vorbereitung für meine weiteren Stationen.
imago imagesEs gibt viele schlaue Köpfe, die in Mainz sind und waren. Einer davon ist Thomas Krücken, der inzwischen beim VfB schon vieles bewegt hat im Nachwuchsbereich. Sie haben ihn auch kennengelernt, was zeichnet ihn aus?
Gaul: Thomas Krücken ist für mich ein absoluter Kreativkopf. Jemand, der um die Ecke denkt. Der vor allem grenzenlos denkt. Der bereit ist, grenzenlos zu träumen. So entstehen die besten Ideen und dann schaut man, welche davon realisierbar sind. Was ich so von außen mitbekommen habe, hat er auch in Stuttgart schon eine neue Qualität in den Nachwuchsbereich hinein bekommen.
Sie waren dann in Mainz jahrelang Trainer der U23, eine Aufgabe mit ganz besonderen Herausforderungen. Wie wichtig war diese Zeit für Sie?
Gaul: Brutal wichtig. U23-Coach zu sein bedeutet auch, einen sehr komplexen Aufgabenbereich managen zu müssen. Du hast Spieler, die von der ersten Mannschaft nach unten kommen, du hast hoffnungsvolle Talente, die aus der Jugend nach oben kommen, und du hast die erfahrenen U23-Spieler, die teilweise sogar älter als ich waren. Zu einigen habe ich bis heute guten Kontakt. Und die Regionalliga Südwest ist jetzt auch nicht die schlechteste Liga. Das war ein Job, bei dem du viele Dinge unter einen Hut bekommen musst, auch viele Spieler auf unterschiedlichen Leitungsebenen abholen musst, das hat es aber auch so spannend gemacht. Eine U23-Mannschaft ist immer auch eine Mannschaft der Kompromisse, bei der du lösungsorientiert, da sind wir wieder bei dem Punkt angekommen, arbeiten musst.
Im Sommer kam dann plötzlich das Angebot von Górnik Zabrze.
Gaul: Das kam in der Tat sehr kurzfristig. Der Klub hat sich auch auf dem deutschen Markt umgeschaut und ist auf mich gestoßen, sicher auch, weil ich polnische Wurzeln habe und die Sprache spreche. Mich hat der Klub auf emotionaler Ebene sofort gepackt, um ehrlich zu sein. Die Chance, Cheftrainer beim kleinen Schalke 04 von Polen zu werden, hat etwas in mir ausgelöst. Man kann es wirklich gut miteinander vergleichen, die Region ist so etwas wie das Ruhrgebiet Polens. Es ist auch ein Traditionsverein, dessen größte Erfolge aber schon Jahrzehnte zurückliegen, der aber wieder angreifen und eine Vision entstehen lassen will. Für mich war schnell klar, dass ich meinem Bauchgefühl folgen und diese Chance ergreifen will. Ich bin Mainz extrem dankbar, dass wir so tolle offene Gespräche führen konnten und dass man mir überhaupt keine Steine in den Weg gelegt hat.
In Deutschland ist der Klub vor allem deshalb bekannt, weil Lukas Podolski dort spielt.
Gaul: Als ich das Angebot bekam, habe ich sofort versucht, Poldis Nummer zu bekommen und habe mir von ihm noch detaillierte Informationen geholt. Poldi ist bei uns wirklich weit mehr als nur ein immer noch großartiger Kicker, der das Niveau der Liga generell erhöht hat. Poldi ist vor allem jemand, der sehr umtriebig ist und Dinge hier anschiebt. Wenn Poldi etwas anpackt, dann macht er das mit ganzem Herzen. Ohne ihn wäre es gar nicht denkbar, dass hier wieder etwas richtig Gutes entstehen kann.
Hat Sie in der Zusammenarbeit mit Podolski etwas überrascht?
Gaul: Nein, überrascht nicht. Aber es ist dennoch eine große Freude, jeden Tag zu sehen, was für ein Vollblutfußballer er auch mit 37 noch ist. Er kommt jeden Tag zum Training und will zwei Sachen: Spaß haben und gewinnen. Diese Mentalität lebt er vor und ist damit gerade für die jüngeren Spieler Gold wert. Ich habe einen sehr offenen Austausch mit ihm und kann vor allem sehr von seiner Perspektive als Profifußballer, der auf dem allerhöchsten Niveau gespielt und Erfolge gefeiert hat, profitieren. Diese Perspektive fehlt mir. Deshalb höre ich zu und frage nach. Es macht mir großen Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Bartosch Gaul: "Ein Abend mit Phil Jackson wäre ein Traum"
Jeder Trainer wird gerne nach seiner Spielphilosophie gefragt. Deshalb auch an dieser Stelle: Wie soll eine von Ihnen trainierte Mannschaft spielen?
Gaul: Es stimmt ja auch, dass jeder Trainer eine Art Idealvorstellung im Kopf hat. Was die Grundordnung angeht, ist es bei mir aktuell häufig ein 3-4-3, aber nicht, weil ich ein absoluter Fanatiker davon wäre. Ich schaue mir vielmehr an, welche Spieler mit welchen Stärken ich zur Verfügung habe und wie ich diese am besten einsetzen kann. Wichtiger sind mir da die Prinzipien innerhalb des Spiels und die andauernde Verfeinerung dieser Grundsätze. Ich will, dass wir in allen Spielphasen, defensiv und offensiv, die Kontrolle haben. Ich will eine sehr aktive Mannschaft haben. Und ich will den Ball haben. Fußball wird gespielt, weil man den Ball haben will und nicht, weil ich auf Verhaltensweisen des Gegners reagieren will. Das ist zumindest meine Einstellung. Kontrolle, Aktivität und maximale Variabilität innerhalb der Grundordnung - das ist mir wichtig. Mein Ziel ist es, dass die Mannschaft Vertrauen in eine Grundordnung findet, aber dass wir daraus im Laufe einer Saison variabel werden und so einerseits für uns noch mehr Sicherheit gewinnen, aber andererseits auch zur Verunsicherung des Gegners beitragen können.
imago imagesMit welchem Kollegen würden Sie gerne mal einen Abend lang über den Trainerberuf sprechen?
Gaul: Gute Frage. Ich war im Sommer zu Besuch in Flensburg bei Maik Machulla und habe ihm ein bisschen über die Schulter schauen dürfen. Das war toll, weil ich auch generell den Handballsport sehr mag. Mir gefällt das Wertesystem und die Teamkultur, die im Handball vorherrscht. Wenn wir mal im Nicht-Fußball-Bereich bleiben: Ein Traum wäre es sicher, mal einen Abend lang mit Phil Jackson zu verbringen. Er ist eine Persönlichkeit, die mich sehr fasziniert, vor allem aus der Mindset-Schiene heraus. Und aus dem Fußball muss ich Jürgen Klopp nennen. Da sind wir wieder beim Thema Führung. Nach allem, was man hört, ist Klopp ja jemand, der eben nicht sagt, dass er der große Alleswisser oder Alleinherrscher ist, sondern dass er ganz geschickt Experten um sich schart und seinen Mitarbeitern auch großes Vertrauen schenkt. Darüber würde ich mich sehr gerne mal ausführlich mit ihm unterhalten.
Zum Abschluss noch ein ernstes Thema: Sie sind jetzt Trainer in Polen und damit alleine geografisch noch näher am Ukraine-Krieg dran als wir in Deutschland. Wie lebt man in Polen mit dem Krieg?
Gaul: Es ist nicht so, dass der Krieg im Alltag zu jeder Sekunde präsent ist und man hier in großer Angst lebt. Aber ganz offen gesprochen ist es schon so, dass du wahrscheinlich öfter vom Thema Krieg eingeholt wirst als in Deutschland. Manchmal regst du dich in deiner Arbeit als Trainer über irgendwelche Dinge furchtbar auf oder du hast ein Spiel verloren, aber dann siehst du auf der Autobahn haufenweise ukrainische Kennzeichen und du denkst dir: Über was für einen unwichtigen Mist habe ich mich jetzt gerade schon wieder aufgeregt. Das wird dir dann so richtig bewusst. Diesen Moment hatte ich schon einige Male.
Bartosch Gauls Trainerstationen
Saison | Verein |
2008-2015 | FC Schalke 04 - u.a. Co-Trainer von Norbert Elgert bei der A-Jugend-Meisterschaft 2015 |
2015-2022 | 1. FSV Mainz 05 - ab 2018/19 Trainer der U23 |
Seit Sommer 2022 | Cheftrainer Gornik Zabrze |