Aufsteiger Wolverhampton Wanderers ist aktuell Siebter der Premier League. Dabei handelt es sich jedoch um kein Fußball-Märchen, sondern das Resultat eines durchdachten Plans eines chinesischen Konglomerats sowie eines portugiesischen Spielerberaters.
Wenn man Phil Ofosu-Ayeh nach der Stadt Wolverhampton fragt, dann sagt er erstmal: "Relativ trist." Im Sommer 2017 wechselte der Deutsch-Ghanaer von Eintracht Braunschweig zu den Wolverhampton Wanderers. Ein Jahr verbrachte er dort, im Herzen von England. Ofosu-Ayeh verletzte sich zwar bereits in der Vorbereitung und fiel deshalb fast die gesamte Saison lang aus - aber immerhin durfte er eine der spannendsten Geschichten des aktuellen Fußballgeschehens aus nächster Nähe mitverfolgen.
Die 250.000-Einwohner-Stadt mit Kohlebergbau-Vergangenheit ist zwar generell noch genauso trist wie zuvor, aber im April 2018 füllten für einen Tag zehntausende Menschen die Straßen mit Leben. "Es gab eine riesige Party. Krass!", sagt Ofosu-Ayeh im Gespräch mit SPOX und Goal. Der lokale Fußballverein Wanderers hatte schließlich einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt und war als souveräner Zweitligameister nach sechs Jahren Abwesenheit in die Premier League zurückgekehrt.
Dort ist Wolverhampton aktuell Siebter. Oder: Erster hinter den großen Sechs.
gettyDie Weltmeister aus Wolverhampton
So gut wie jetzt stand es um Wolverhampton eigentlich seit den 1950er Jahren nicht mehr. Drei Meistertitel gewann der Klub damals und weil er 1954 in einem Freundschaftsspiel gegen das vermeintlich unschlagbare Honved Budapest um Ferenc Puskas mit 3:2 gewann, schrieb die Daily Mail: "Hail Wolves, Champions of the World." Die Weltmeister aus Wolverhampton.
Damals hieß der Trainer Stan Cullis und die besten Spieler Billy Wright, Roy Swinbourne und Johnny Hancocks. 65 Jahre später heißt der Trainer Nuno Espirito Santo und die besten Spieler Ruben Neves, Joao Moutinho und Rui Patricio. Damals, 1954, orderte Cullis vor dem Anpfiff des Spiels gegen Honved an, den Rasen so stark zu wässern, dass die Ungarn ihr technisch anspruchsvolles Spiel nicht aufziehen können. Heute spielt Wolverhampton selbst das technisch anspruchsvolle Spiel. Südländisches Flair.
gettyChinesisches Konglomerat, portugiesischer Spielerberater
Der Grund dafür ist 53 Jahre alt, stammt aus der portugiesischen Hauptstadt Lissabon und heißt Jorge Mendes. Alles begann im Sommer 2016, als das chinesische Konglomerat Fosun International Limited die Wanderers für rund 50 Millionen Euro kaufte. Der Mann, der aus diesem in der zweitklassigen englischen Championship dahindarbenden Klubs etwas Großes machen sollte, war eben jener Mendes.
Mendes ist Gründer und Besitzer der Berateragentur GestiFute, die unter anderem Cristiano Ronaldo sowie James Rodriguez zu ihren Klienten zählt und zwischen 2001 und 2010 laut eines Berichts des Guardian an 70 Prozent des Transfer-Gesamtvolumens von Sporting, Benfica und dem FC Porto beteiligt gewesen sein soll. Gleichzeitig ist Mendes Freund und Geschäftspartner der neuen chinesischen Wolverhampton-Eigentümer. Kurz vor der Übernahme erwarb eine Tochtergesellschaft der Fosun International Limited laut dem Independent 20 Prozent Anteile an GestiFute.
Der damalige Zweitliga-Konkurrent Leeds United beklagte sich bald über die Doppelrolle von Mendes, doch der Verband FA sah keinen Verstoß gegen das eigene Regelwerk. Mendes übe bei Wolverhampton schließlich kein offizielles Amt aus. Geschäftsführer Laurie Dalrymple versicherte pflichtbewusst: "Jorge Mendes ist nicht für die Transferpolitik des Klubs verantwortlich. Wir holen uns nur Rat." Rat, den der Klub dann eben haargenau befolgt.
Ein Portugiese folgt auf den nächsten
Seit dem Besitzerwechsel 2016 importiert Wolverhampton bei GestiFute unter Vertrag stehende Portugiesen, wie es einst Kohle exportierte. In rauen Mengen. Ivan Cavaleiro war der erste. Er kostete acht Millionen Euro und war damit der bis dahin teuerste Transfer der Vereinsgeschichte. Bereits ein halbes Jahr später wurde dieser Rekord jedoch gebrochen: Helder Costa, Portugiese, von GestiFute beraten, 15 Millionen Euro Ablöse.
Im darauffolgenden Sommer: Ruben Neves, Portugiese, von GestiFute beraten, 18 Millionen Euro Ablöse. Dieser Transfer zeigte bestens, wie groß Mendes' Einfluss tatsächlich ist. Neves war damals 20 Jahre alt, Schlüsselspieler des FC Porto und galt als eines der größten Talente Europas. Etliche Top-Klubs sollen interessiert gewesen sein - doch er ging nach Wolverhampton. Seitdem schießt er mit Vorliebe Tore aus der Distanz.
Kurz bevor Neves kam, wurde der Trainer (und ehemalige BVB-Profi) Paul Lambert entlassen. Er hatte sich negativ über Mendes' Einfluss geäußert. Sein Nachfolger wurde einer, der das sicherlich niemals tun würde: Nuno Espirito Santo. Natürlich ist er Portugiese, natürlich wird auch er von GestiFute beraten. Espirito Santo war einst Mendes' erster großer Transfer. Die beiden hatten sich in einem Nachtclub kennengelernt, in dem Mendes als DJ arbeitete. 1996 transferierte er den Keeper für 2,5 Millionen Euro von Vitoria Guimaraes zu Deportivo La Coruna. Zwei Karrieren nahmen ihren Anfang.
Jorge Mendes schweigt und genießt
Nun tat Espirito Santo seinem alten Kumpel eben den Gefallen, Wolverhampton in die Premier League zu führen. Aktuell stehen sechs GestiFute-Spieler im Kader der Profimannschaft und einige weitere in der Reserve. Der Stimmung in der Mannschaft schadet dieser Umstand laut Ofosu-Ayeh jedoch nicht: "Die portugiesischen Spieler genießen keine Sonderstellung. Alleine durch ihre sportlichen Leistungen haben sie eine Daseinsberechtigung. Während ich dort war, war das Teamgefüge überragend."
Kommunikationsprobleme hätte es nicht gegeben: "Vor der Mannschaft und in der Öffentlichkeit spricht der Trainer nur Englisch, auf dem Platz aber natürlich mit seinen Landsleuten manchmal Portugiesisch." Mendes spricht dagegen vorzugsweise gar nicht. "Ich habe ihn und seine Mitarbeiter einige Male im Stadion gesehen", sagt Ofosu-Ayeh. "Mit öffentlichen Äußerungen hält er sich aber sehr zurück." Schweigen und genießen. "Seitdem er dort ist, läuft es für Wolverhampton überragend, deswegen sehen ihn alle positiv."
Die Entwicklung soll aber noch längst nicht zu Ende sein. Ofosu-Ayeh verließ den Klub im Sommer zunächst per Leihe zu Hansa Rostock, im Winter zog er weiter zu den Würzburger Kickers. Sein Ex-Klub rüstete unterdessen unaufhaltsam auf. In den beiden Transferperioden dieser Saison gab Wolverhampton insgesamt 112 Millionen Euro aus - und damit am viertmeisten aller Premier-League-Vereine. Unter anderem mehr als die beiden Manchester-Klubs United und City sowie der FC Arsenal. "Es gibt in Wolverhampton nur eine Richtung", sagt Ofosu-Ayeh. "Und das ist nach oben."