Nicht nur die sich durch die gesamte Saison ziehenden Defensivprobleme haben dem FC Bayern die Meisterfeier in Mainz zunichte gemacht. Bei der 1:2-Pleite (hier gibt es die Highlights) zeigte sich die generelle Müdigkeit. Vor allem der "Maschinenraum" von Joshua Kimmich und Co. wirkte ausgelaugt. Einen Lichtblick gab es trotzdem. Drei Erkenntnisse zum Spiel.
1. Der FC Bayern ist müde - vor allem sein Maschinenraum
In Mainz kassierte die Mannschaft von Hansi Flick - nicht zum ersten Mal auf durchaus vermeidbare Art und Weise - ihre Gegentore Nummer 39 und 40. So viele waren es zuletzt in der Saison 1991/92, als die Münchner auf einem historisch schwachen zehnten Platz landeten. Der Unterschied zu heute? Sie hatten keine so starken Offensivspieler in ihren Reihen.
Der Bayern-Angriff anno 2021 um den alles überragenden Robert Lewandowski war über weite Strecken der Saison zur Stelle, wenn die Abwehr zuvor schlecht ausgesehen hatte. In Mainz ging dieser Plan nicht auf. Zum einen, weil der Gegner von der ersten bis zur letzten Minute um jeden Zentimeter kämpfte. Zum anderen, weil die Bayern nach über einem Jahr Nonstop-Fußball aus dem letzten Loch pfiffen.
Allein in Durchgang eins liefen die Mainzer mit 59,8 Kilometern knapp vier Kilometer mehr und gewannen 55 Prozent ihrer Zweikämpfe. Trainer Flick zeigte Verständnis: "Wenn ich die ganzen letzten Wochen, Monate und fast das ganze Jahr nehme, dann kann man verstehen, wenn die Mannschaft ab und zu mal ein bisschen müde wirkt."
Diese Müdigkeit wurde in Mainz vor allem beim sonst so zuverlässigen "Maschinenraum", dem zentralen Mittelfeld, deutlich. Joshua Kimmich leistete sich auf der Sechs wie auch schon in den Wochen zuvor ungewöhnlich viele Fehlpässe (16 Ballverluste), während Leon Goretzka bei fast jedem Zweikampf zu spät kam und von Glück reden konnte, nach 42 Minuten nicht mit Gelb-Rot vom Platz gestellt worden zu sein.
Die zweite Halbzeit erlebte Goretzka folgerichtig als Zuschauer. Doch der von Flick auf die Position neben Kimmich vorgezogene David Alaba wirkte ebenso träge. Selbiges galt für Thomas Müller, noch so ein Dauerbrenner von Flick, der im Spiel nach vorne kaum Akzente zu setzen vermochte.
imagoFC Bayern: Kimmich, Goretzka, Müller und Alaba sind am Limit
"Unsere Ballan- und -mitnahme waren immer eine halbe Sekunde langsamer als auf anderem Geläuf", stellte Müller fest. "Das macht dir dann die Räume zu. Und Mainz hat es leidenschaftlich wegverteidigt."
Gut aus Bayern-Sicht, dass ein Sieg in den drei übrigen Partien gegen Borussia Mönchengladbach, den SC Freiburg und den FC Augsburg reicht, um die Meisterschaft aus eigener Kraft unter Dach und Fach zu bringen. Spieler wie Kimmich, Goretzka, Alaba und Müller sind am Limit und brauchen - gerade mit Blick auf die Europameisterschaft - dringend mehr Ruhepausen.
Alternativen bieten sich Flick zumindest auf dem Papier zur Genüge. Vertrauen scheint der 56-Jährige aber nur in Youngster Jamal Musiala zu haben, der seine Eignung als Spielmacher schon mehrfach unter Beweis gestellt hat. Neuzugang Marc Roca und der sich auf Abschiedstournee befindende Routinier Javi Martinez, der im Laufe der zweiten Hälfte in Mainz von Fitnesstrainer Holger Broich ermahnt werden musste, weil er sich trotz Aufforderung nicht mit seinen Kollegen aufwärmte, spielen eher keine ernsthafte Rolle (mehr) in Flicks Plänen.
Es sieht also so aus, als müssten die üblichen Verdächtigen bis zur endgültigen Entscheidung im Meisterkampf noch einmal die Kohlen aus dem Feuer holen.
2. Der Lichtblick beim FC Bayern: Nianzou macht Lust auf mehr
Neben dem 36. Bundesliga-Tor von Lewandowski, das den Polen ein Stückchen näher an den Uralt-Rekord von Gerd Müller (40 Treffer) brachte, war Tanguy Nianzou die positive Nachricht für den FC Bayern in Mainz.
Der 18-jährige Franzose kam zu Beginn der zweiten Hälfte für den rotgefährdeten Goretzka ins Spiel und rückte in die Innenverteidigung neben Jerome Boateng, wo er eine abgeklärte Leistung zeigte. Nianzou gewann elf seiner zwölf Zweikämpfe (davon fünf seiner fünf Luftzweikämpfe) und brachte fast 89 Prozent seiner Pässe an seine Mitspieler.
Klar: Die Mainzer zogen sich in Hälfte zwei weitestgehend in ihre Hälfte zurück und forderten Nianzou und Co. wenn überhaupt über Umschaltaktionen, aber dieser Auftritt machte Lust auf mehr. Das sah auch Flick so, der den vor der Saison ablösefrei von Paris Saint-Germain verpflichteten und seither von zwei schweren Muskelverletzungen heimgesuchten Rechtsfuß explizit lobte: "Tanguy hatte eine sehr schwierige Phase mit seinen zwei Muskelverletzungen. Heute hat er es sehr souverän gemacht. Darüber freuen wir uns alle sehr."
In der nächsten Saison, wenn Alaba und Boateng weg sind, soll Nianzou Lucas Hernandez, Niklas Süle und dem von RB Leipzig kommenden Dayot Upamecano Konkurrenz im Abwehrzentrum machen. Die Bayern-Bosse trauen ihm zu, mittelfristig Stammspieler zu werden. Auch deshalb hat sich Sportvorstand Hasan Salihamidzic klar gegen eine Verlängerung mit Boateng ausgesprochen.
3. In dieser Form bleibt Mainz 05 erstklassig
Man erinnere sich nur an den Saisonstart des FSV Mainz 05 zurück, als ein von Routinier Adam Szalai angeführter Streik der Mannschaft zum Aus von Trainer Achim Beierlorzer führte und das Chaos plötzlich Einzug bei den Nullfünfern hielt. Es folgten bis zum Ende der Hinrunde zwei weitere Trainerwechsel und ein Führungsbeben mit dem Aus von Sportvorstand Rouven Schröder. Die Ausbeute nach 17 Spieltagen lag bei sieben Punkten. Es roch nach Abstieg. Doch das ist knapp fünf Monate später vergessen.
Durch den Triumph über die Bayern - den ersten im heimischen Stadion seit 2011 - ist das Abstiegsgespenst in Mainz fürs Erste vertrieben. Der seit Anfang Januar als Trainer fungierende Bo Svensson hat eine aus vielen Eigenbrötlern bestehende Truppe zu einer geschlossenen Einheit geformt, die füreinander arbeitet. Kluges Angriffspressing, aggressive Zweikampfführung, sichere Konterabsicherung und der Mut zu Spielwitz - all das hat dem Rekordmeister am Samstagnachmittag den Schneid abgekauft.
imago"So wie er mit dem Team arbeitet und die Mannschaft einstellt, ist er sicher ein ganz großer Schlüssel zum Erfolg", sagte Sportdirektor Martin Schmidt am Samstag über Svensson. Der Däne definiert sich als der Typ Trainer, der von seiner Mannschaft stets die höchste Wachsamkeit fordert: "Mein Verständnis von Fußball ist, dass es keine Pausen gibt. Das bedeutet nicht, dass du immer laufen musst, aber du musst dir immer Gedanken darüber machen, welche Position sich für dich in diesem Moment am meisten lohnt."
In dieser Verfassung ist ein Sieg am kommenden Spieltag gegen Hertha BSC - und damit der nächste wichtige Schritt zur endgültigen Zementierung des Klassenerhalts - möglich. In der Rückrunden-Tabelle belegen die Mainzer mittlerweile den vierten Platz.
Mainz 05 auf Platz vier: Die Rückrunden-Tabelle der Bundesliga
Platz | Mannschaft | Sp. | S. | U. | N. | Tore | Dif. | Pk. |
1 | Bayern München | 14 | 10 | 2 | 2 | 37:15 | 22 | 32 |
2 | Eintracht Frankfurt | 14 | 9 | 2 | 3 | 32:21 | 11 | 29 |
3 | VfL Wolfsburg | 14 | 9 | 1 | 4 | 28:13 | 15 | 28 |
4 | 1. FSV Mainz 05 | 13 | 8 | 3 | 2 | 18:13 | 5 | 27 |
5 | Borussia Dortmund | 14 | 8 | 2 | 4 | 33:20 | 13 | 26 |