3000 statt 30.000 - die Frankfurter Fan-Invasion fiel in London deutlich geringer aus als in Barcelona. Für große Emotionen reicht aber auch ein kleiner Gästeblock. Doch die Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt mahnen: Das 2:1 im Halbfinal-Hinspiel bei West Ham United ist erst die halbe Miete für den ganz großen Traum.
Martin Hinteregger genoss sichtlich das Bad in der Fanmenge. Freudestrahlend feierte der Abwehrchef von Eintracht Frankfurt vor den mitgreisten Fans den 2:1-Erfolg im Halbfinal-Hinspiel der Europa League bei West Ham United und holte sich dabei eine Menge Schulterklopfer ab.
Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, da musste der weinende Hinteregger nach seinem Elferfehlschuss und dem Aus im EL-Halbfinale gegen den FC Chelsea von den SGE-Fans an der Stamford Bridge getröstet werden. Diese Bilder sind Teil der jüngeren Frankfurter Europapokal-Geschichte - doch sie sind Vergangenheit, aktuell zählt die Gegenwart. "Sehr viel positive Emotionen", machte Torhüter Kevin Trapp am RTL-Mikrofon bei der kleinen Party vor dem Gästeblock aus.
Die Bilder, wie rund 30.000 Frankfurter Fans beim Viertelfinal-Rückspiel in Barcelona das Camp Nou eroberten, konnte die Feier des Frankfurter Anhangs in London natürlich nicht toppen. Das war schon im Vorfeld klar, schließlich ließ der Gastgeber nur 3.000 Gästefans ins Londoner Olympiastadion von 2012.
"Heute war es ein anderes Highlight für uns. Es waren nicht so viele dabei, aber das Ding ist wieder voll", sagte Trapp und deutete Richtung Fanblock, der auch lange nach Spielschluss noch Wechselgesänge zwischen Ober- und Unterrang anstimmte. Trotz des stark begrenzten Gästekontingents hatten erneut Tausende Fans ihre Eintracht nach London begleitet und sich am Donnerstag unter anderem mit einer Bootsfahrt auf der Themse auf den nächsten großen Europapokal-Abend eingestimmt.
Eintracht Frankfurt: Knauff und Kamada schocken West Ham
Und während die Hammers mit einer eigenwilligen Feuershow und lauten Bässen aus den Stadionlautsprechern einzuheizen versuchten, ließ Ansgar Knauffs Blitztor nach 50 Sekunden das weite Runde schnell verstummen. Zwar nutzte Michail Alonso (21.) die Zuordnungsprobleme der Eintracht nach einem Freistoß zum Ausgleich, aber "Mister Europacup" Daichi Kamada (54.) zog mit seinem fünften EL-Saisontor den Heimfans erneut den Stecker, sodass auch der zahlenmäßig unterlegene Gästeblock letztlich die Oberhand gewann.
"Kaum ein deutscher Verein macht international so viel Spaß wie die Eintracht", twitterte Nationalspieler Ilkay Gündogan, neuester prominenter "Fan" der Europa-Eintracht: "Respekt an diese Mannschaft für diese Leistung, vor allem aber auch an die Frankfurter Fans. Wow!"
Die Eintracht surft weiter auf ihrer Euphoriewelle durch Europa. "Es ist einfach ein tolles Gefühl", sagte Knauff, der mit seinem Treffer im Viertelfinal-Hinspiel gegen den FC Barcelona schon sein persönliches emotionales Highlight erlebt hatte. "Es ist ein unglaublicher Weg, den wir mit der ganzen Stadt gerade machen. Jetzt sind wir noch einen Schritt vom Finale entfernt. Alle sind schon heiß auf das Rückspiel und wir werden das rocken."
SGE-Keeper Kevin Trapp warnt
Die Party soll definitiv noch nicht zu Ende sein. Der etwas überschaubarere Rahmen erlaubte es den Frankfurter Verantwortlichen am Donnerstag ebenfalls, ein bisschen auf die Euphoriebremse zu treten. Auch um den Fokus auf den greifbaren Finaleinzug nicht zu verlieren.
"Es ist das große Ziel, aber wir dürfen jetzt nicht schon zwei Schritte voraus machen", warnte Trapp. "Wir haben nächste Woche zuhause wahrscheinlich das wichtigste Spiel der Saison. Das Stadion wird platzen. Wir glauben daran. Wir müssen es im letzten Schritt noch einmal umsetzen."
Die in der Europa League jetzt seit elf Spielen ungeschlagene Eintracht hat beste Chancen auf den Einzug ins Endspiel am 18. Mai in Sevilla. Selbst ein Unentschieden würde reichen. Aber darauf will sich bei den Hessen mit dem Traum vom ersten Europapokaltitel seit dem UEFA-Cup-Triumph vor 42 Jahren im Hinterkopf keiner verlassen.
Frankfurt-Präsident Fischer fordert Demut
"Wir wissen, es ist Halbzeit", betonte Präsident Peter Fischer und erinnerte an das Viertelfinale, als West Ham nach einem 1:1 im Hinspiel Olympique Lyon auswärts mit 3:0 besiegte. Der Fallrückzieher von Jarrod Bowen am Donnerstag in der Nachspielzeit an die Unterkante der Latte dürfte den Frankfurtern Warnung genug sein, dass man das Team von Trainer David Moyes noch nicht abschreiben sollte. "Demut und unser Ding machen", gab Fischer daher als Mantra vor, "und wer uns in unserem Stadion schlagen will, der muss sich schon einiges einfallen lassen."
Oliver Glasners Überfalltaktik zu Beginn der beiden Halbzeiten ging für das Hinspiel aus Frankfurter Sicht jedenfalls auf. "Ich kann den Jungs nur ein Kompliment machen, wie sie alles umsetzen, was wir ihnen mitgeben", sagte der Frankfurter Coach. "Wir werden uns gut vorbereiten, werden dieses Spiel analysieren und dann werden wir wieder mit voller Power ins Rückspiel gehen."
Als Glücksbringer hatte sich der Österreicher übrigens wieder ein neues Exemplar jener Hose gekauft, die seinem Jubel-Diver in Barcelona zum Opfer gefallen war. "Gewaschen wird sie", kündigte er für das Rückspiel an - damit dürften die Frankfurter für ein neuerliches Bad in der Fanmenge im eigenen Stadion mit 47.000 Eintracht-Fans bestens gerüstet sein.
Europa League: Das Halbfinale im Überblick
Datum | Heim | Ergebnis | Auswärts | Runde |
Donnerstag, 28. April 2022 | RB Leipzig | 1:0 (0:0) | Glasgow Rangers | Hinspiel |
Donnerstag, 28. April 2022 | West Ham United | 1:2 (1:1) | Eintracht Frankfurt | Hinspiel |
Donnerstag, 5. Mai 2022 | Glasgow Rangers | 21 Uhr | RB Leipzig | Rückspiel |
Donnerstag, 5. Mai 2022 | Eintracht Frankfurt | 21 Uhr | West Ham United | Rückspiel |