Erkenntnisse des 9. Bundesliga-Spieltags: Bayern Münchens Spiel mit dem Feuer

Stefan Rommel
30. November 202012:00
Hansi Flick plagen vor dem Champions-League-Spiel gegen Atletico Madrid große Personalsorgen.getty
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Die Bayern bleiben in der Bundesliga auf Erfolgskurs, spielen aber weiter deutlich unter ihren Möglichkeiten und sogar ergebnistechnisch über ihre Verhältnisse. Wie lange geht das noch gut? Leipzig freut sich dagegen über seinen verkappten Top-Angreifer und Köln über das Ende der schwarzen Serie. Die Talking Points.

Was ist der Kölner Erfolg in Dortmund wirklich wert?

Über eine Halbserie lang, genau 18 Spieltage am Stück, hat der 1. FC Köln kein Bundesligaspiel mehr gewonnen. Dann fährt der FC als Vorletzter nach Dortmund und gewinnt dort einfach mal mit 2:1 (Video: BVB - 1. FC Köln - die DAZN-Highlights). Der Sieg wirkte wie eine Erlösung, das konnte man allen Spielern, Manager Horst Heldt und natürlich Trainer Markus Gisdol ansehen. Die Punkte waren lebensnotwendig im Abstiegskampf, so viel lässt sich wohl jetzt schon sagen.

Aber was ist der Sieg darüber hinaus wert für die Mannschaft? Es klingt komisch, aber in der aktuellen Verfassung kam ein Gegner wie der BVB wohl gerade recht.

Dortmund definiert sich über Ballbesitz und spielerische Lösungen, will den Gegner dominieren und erdrücken. Der 1. FC Köln dagegen hat massive Probleme, selbst das Spiel zu machen, geschweige denn spielerische Lösungen gegen destruktive Gegner zu finden. Der Kern des Kölner Schaffens liegt in der emsigen Arbeit gegen den Ball. Die Mannschaft verbiss sich regelrecht in den Gegner, lief zum Beispiel knapp sechs Kilometer mehr als der BVB.

Vorne verhalfen zwei einstudierte Standards zu zwei Toren. In diesem einen Spiel ging ein ordentlicher Matchplan gegen einen insgesamt schwachen Gegner zu einhundert Prozent auf. Für die kommenden Wochen wird Köln aber mehr benötigen als nur einen funktionierenden Defensivplan und etwas Glück in der Offensive. Durch diesen einen Sieg sind schließlich nicht automatisch alle Probleme gelöst.

Ridle Bakus Durchbruch-Saison

Zehn Millionen Euro hat der VfL Wolfsburg im Sommer in die Hand genommen, um Ridle Baku aus Mainz zu holen. Eine ganze Stange Geld für einen Spieler, der bei seinem bisherigen Arbeitgeber zwischen Stammelf und Bank pendelte - zumal die Wölfe in William und Kevin Mbabu schon zwei Rechtsverteidiger im Kader haben.

Nach einem guten Viertel der Saison entpuppt sich Baku aber als sehr guter Griff. Schon jetzt hat der 22-Jährige in Wolfsburg halb so viele Scorerpunkte wie in vier Jahren und 50 Bundesligaspielen für Mainz gesammelt.

Baku hat sich auf Anhieb gegen die wirklich starke Konkurrenz auf seiner Position durchgesetzt und schiebt ein ganz entscheidendes Kriterium des Wolfsburger Spiels enorm an: Das Spiel über die Flügel. Mit seinem Nach- und Einrücken ist Baku aber nicht "nur" ein reiner Flankengeber, sondern taucht auch immer wieder in der gefährlichen Zone vor dem gegnerischen Tor auf. Und dass er offenbar auch einen ganz brauchbaren Abschluss hat, zumal mit seinem eigentlich schwächeren linken Fuß, hat er gegen Bremen einmal mehr bewiesen.

Die Bayern wanken - aber sie fallen (noch) nicht

War ja mal wieder typisch Bayern: Selbst einen einigermaßen dreckigen Sieg in Stuttgart hinlegen und dann von den Aussetzern (Dortmund) oder den Ausrutschern (Leverkusen) der direkten Konkurrenz profitieren. Gelungener Spieltag aus Münchner Sicht, wären da nicht die weiteren Verletzten zu beklagen und vor allen Dingen die Erkenntnis zu ertragen, dass die Bayern derzeit ein ganzes Stück entfernt sind von dem, was ihr eigener Anspruch ist.

Die Ergebnisse stimmen zwar immer noch fast durch die Bank, die Leistungen der Mannschaft offenbaren aber gleich eine ganze Reihe von Problemen in beide Spielrichtungen. Gegen den Ball fehlt oft genug der Balldruck und wird dann auch die letzte Linie auf einfachste Art überspielt, mit dem Ball fehlen gegen tieferstehende Gegner derzeit die Ideen, es wird viel geflankt, auf schnelles Umschalten oder auf Einzelaktionen gesetzt.

Die Ideen von Trainer Hansi Flick verwässern derzeit ein gutes Stück. Manuel Neuer im Tor wackelte jetzt auch mal kurz, aber insgesamt kaschiert er die Defensivprobleme und rettete den Bayern zuletzt schon einige wichtige Punkte fast im Alleingang. (Video: Chancenfeuerwerk: So wackelte die Bayern-Defensive gegen den VfB Stuttgart).

In der Offensive ist die schiere individuelle Qualität der Bayern-Spieler, die den Unterschied zu den weniger gut besetzten Gegnern ausmacht. So lag der Wert der so genannten Expected Goals bei den Bayern an den ersten fünf Spieltagen im Schnitt bei 3,4 pro Partie, der Wert für die erwartbaren Gegentore lag nur bei 1,1. In den letzten vier Ligaspielen sackte der xGoal-Wert auf ganz schwache 1,23 pro Spiel ab, wogegen dem Gegner eine Wahrscheinlichkeit von 1,5 Toren pro Spiel gewährt wurde. Das tatsächliche Torverhältnis lautete in diesen vier Partien trotzdem 9:5 aus Sicht der Bayern. Sprich: Noch machen die Münchner auch aus eher aussichtslosen Chancen Tore und kassieren weniger Gegentore als erwartet. Sie spielen über ihre Verhältnisse.

Die Frage ist, wie lange das noch gut geht, wenn jetzt vor Weihnachten noch die schwereren Gegner kommen: Atletico, Leipzig, Union, Wolfsburg oder Leverkusen?

Darum trifft Angelino so oft

37 Scorerpunkte haben sich im Sommer mit dem Weggang von Timo Werner aus Leipzig verabschiedet. Eine ungeheure Zahl, im Schnitt mehr als eine Torbeteiligung pro Bundesligaspiel. Leipzigs Idee, den Verlust Werners und auch den von Edeljoker Patrik Schick aufzufangen, scheitert derzeit noch etwas an der Umsetzung.

Alexander Sörloth bleibt weiter torlos, Yussuf Poulsen und Emil Forsberg springen so gut es geht in die Bresche. Der erfolgreichste Torschütze und der beste Scorer nach neun Spieltagen ist aber Jose Angel Esmoris Tasende, oder kurz: Angelino. Der Spanier dreht derzeit voll auf, überzeugt in allen Wettbewerben und hat jetzt in der Bundesliga schon mehr Tore erzielt als alle Leipziger Angreifer zusammen, nämlich vier (Video: Angelinos Scorerpunkte für Leipzig).

Für einen Flügelverteidiger eine überragende Zwischenbilanz - die aber auch auf Angelinos etwas eigenartiges Aufgabenfeld zurückzuführen ist. Der 23-Jährige darf sich in der Offensive vergleichsweise frei bewegen, rückt vom Flügel immer wieder bis fast ins Zentrum ein und geht auch die Tiefenwege hinter die gegnerische Abwehr. Wie jetzt gegen Bielefeld, als Angelino plötzlich in Timo-Werner-Mittelstürmer-Position, auftauchte und kühl vollstreckte.

Arminia Bielefeld ist das neue Paderborn

Oft genug gab es in den letzten zehn, 15 Jahren die so genannten Überraschungsaufsteiger, von Alemannia Aachen über Greuther Fürth bis zuletzt gleich doppelt den SC Paderborn und nun eben Arminia Bielefeld. Klubs, mit denen man nicht unbedingt im Oberhaus rechnen konnte und die noch vor jeder Saison als Abstiegskandidat Nummer eins gehandelt werden.

Bielefeld schlüpfte dieses Jahr in diese Rolle und kommt nach einem sehr vernünftigen Start nun Woche für Woche unter die Räder. Oder spielt, wie am Wochenende in Leipzig, richtig guten Fußball, sammelt fleißig Lob vom Gegenr ein und steht am Ende doch mit leeren Händen da. Ein wenig erinnert das an das Paderborn der vergangenen Saison, als der Aufsteiger in vielen Spielen richtig gut mithalten konnte, aber irgendwie vergaß, auch zu punkten und dann am Ende doch als 18. und deutlich abgeschlagen absteigen musste.

Nach sieben Niederlagen in Serie ist die Arminia auf den vorletzten Platz abgerutscht, weil es besonders in der Offensive doch ziemlich hakt. Bisher schaffte Bielefeld in keinem Spiel, mehr als ein Tor zu erzielen. Allerdings waren die Gegner zuletzt auch aus dem ganz hohen Regal, nun stehen die "Wochen der Wahrheit" an mit Spielen gegen Mainz, Freiburg, Augsburg und Schalke an, wie Kapitän Fabian Klos sagt. Der hat immerhin sein erstes Bundesligator überhaupt erzielt, vielleicht hilft das ja ein bisschen weiter.

Talking Points: Die Bundesliga-Tabelle nach 9 Spielen

PlatzTeamSpieleTorePunkte
1.Bayern München931:1322
2.RB Leipzig918:620
3.Bayer Leverkusen916:919
4.Borussia Dortmund921:918
5.Wolfsburg914:817
6.1. FC Union Berlin921:1116
7.Borussia M'gladbach917:1415
8.FC Augsburg911:1212
9.Eintracht Frankfurt914:1612
10.VfB Stuttgart917:1511
11.Werder Bremen913:1511
12.TSG Hoffenheim915:169
13.Hertha BSC915:188
14.SC Freiburg910:207
15.1. FC Köln910:156
16.1. FSV Mainz 05911:225
17.Arminia Bielefeld96:194
18.Schalke 0496:283