Drei Weltmeister sind raus, die jungen Wilden drängen sich auf: Hinsichtlich des Personals hat sich beim DFB-Team im neuen Länderspiel-Jahr einiges geändert. Die Probleme, und das zeigte das 1:1 gegen Serbien in aller Deutlichkeit, sind aber immer noch dieselben.
"Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer", heißt es in einem nicht allzu unbekannten Song. Selbst "Can't Hold Us", der fetzige, mittlerweile aber ziemlich ausgelutschte Hit des US-Amerikaners Macklemore, der nach dem Treffer zum 1:1-Endstand durch Leon Goretzka beim Testspiel zwischen Deutschland und Serbien ertönte, ist gefühlt so alt wie die Hommage von Xavier Naidoo an den deutschen Kuschelpop.
Ende 2005, um ganz genau zu sein, im Hinblick auf die WM im eigenen Land, eroberte "Dieser Weg" die Charts. Viele fanden den Song schon damals nervig. Viele finden ihn auch heute noch nervig. Die Tontechniker in der Wolfsburger Volkswagen Arena hätten am Mittwochabend trotzdem gut daran getan, ihn anstelle von "Can't Hold Us" einzuspielen. Denn das, was sich den 26.101 Schaulustigen da so gegen den 31. der Weltrangliste bot, hatte wenig von Unaufhaltsamkeit. Vielmehr von Unsicherheit. Von Schwermut.
Vor allem in Hälfte eins, in der das frühe Gegentor in der zwölften Minute durch den Frankfurter Überflieger Luka Jovic nicht das einzige hätte bleiben müssen.
"Wir", sagte Marco Reus nach der Partie angefressen, "sind immer noch Deutschland. Unser Anspruch muss sein, besser zu spielen und zu gewinnen. Im Großen und Ganzen war das heute zu wenig".
Dabei kann man ja nicht gerade behaupten, Bundestrainer Joachim Löw hätte sich in der jüngeren Vergangenheit der Verantwortung entzogen, etwas am lethargischen deutschen Spiel der zurückliegenden zwölf Monate zu verändern. Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller waren in Wolfsburg jedenfalls nicht dabei. Man dachte zwar noch einmal kurz vor dem Anpfiff an sie, weil sich ihre eher stiefmütterlich daherkommende Verabschiedung seitens des DFB mit einer schwer lesbaren Agenturchoreographie fortsetzte. Aber was Löw da so aufs Feld schickte, sah schon nach Umbruch aus.
DFB-Spieler klagen über schlechte Stimmung in Wolfsburg
Mit Timo Werner, Marcel Halstenberg und dem Debütanten Lukas Klostermann spielten beispielweise erstmals drei Profis von RB Leipzig von Beginn an in einem Spiel der Nationalmannschaft. Hinzu kamen mit Jonathan Tah, Julian Brandt und Kai Havertz drei verheißungsvolle Kicker von Bayer Leverkusen. Aber auch sie schafften es zunächst nicht, Löws Vorgabe, mit mehr Dynamik und mehr Tempo zu Werke zu gehen, umsetzen. Vielleicht nahmen sie in den ersten 45 Minuten auch einfach noch an, nur ein Trainingsspiel zu absolvieren. Von so etwas wie Stimmung konnte beim Länderspiel-Auftakt 2019 jedenfalls keine Rede sein.
Es herrschte bis auf wenige Phasen in Durchgang eins Totenstille in Wolfsburg. "Ich könnte jetzt meinen, hier kennt man das, aber das wäre wahrscheinlich ein wenig unfair", flachste Goretzka nach der Partie auf Nachfrage von SPOX und Goal über die seltsame, bei DFB-Spielen aber allmählich zur Normalität werdenden Atmosphäre. Seinem Kollegen Tah war eher weniger zum Scherzen zumute. "Nicht sehr gewöhnlich" sei es, wenn man fast jeden Ballkontakt und jedes Kommando höre, "das wünscht man sich als Spieler natürlich anders", meinte der 23 Jahre alte Innenverteidiger.
Mit dem Pausenpfiff wachte das Publikum dann plötzlich auf - allerdings nicht, um die Mannschaft aufzumuntern, sondern sie mit Pfiffen und Buhrufen in die Kabine zu jagen. Unmutsbekundungen, die offensichtlich nicht spurlos an den Spielern in Weiß vorbeigingen. Mit dem Wiederanpfiff begannen sie sich zu steigern und den Serben nicht mehr mit ideenlosem Ballgeschiebe, sondern zielstrebigen Angriffen zu begegnen. Dazu trugen vor allem die Einwechslungen von Reus und Goretzka bei. Doch auch der fast an jedem Angriff beteiligte Leroy Sane wurde minütlich stärker.
DFB-Team hadert mit Chancenverwertung
"Wir haben in der ersten Halbzeit in den Räumen gespielt, die uns wenig Ertrag gebracht haben. Wir haben viel um die gegnerischen Linien herumgespielt anstatt versuchen sie zu überspielen. Das haben wir in der Pause angesprochen und korrigiert", berichtete Goretzka. Auch Löw sprach von "zwei unterschiedlichen Halbzeiten". Er sei froh über die Reaktion der Seinen gewesen, die Moral habe gestimmt. Wichtige Erkenntnisse für den immer mehr unter Beobachtung stehenden Bundestrainer.
Dass am Ende trotzdem nur ein 1:1 heraussprang, lag zum einen an dem serbischen Teufelskerl im Tor, Marko Dmitrovic, der entweder mit den Händen oder den Füßen zur Stelle war, zum anderen an der Abschlussschwäche der DFB-Spieler. Gerade Werner und Sane ließen mehrere Top-Möglichkeiten im Sechzehner ungenutzt. "Das sind Erfahrungen", erklärte Löw, "die unsere jungen Spieler machen müssen. Es geht um Konsequenz in unseren Aktionen, auch beim Verteidigen. Das müssen wir ansprechen".
Am besten bis Sonntag. Dann geht es unter nicht mehr allzu freundschaftlichen Bedingungen in der Johan-Cruyff-Arena von Amsterdam gegen die wieder erstarkte Niederlande weiter. "Uns erwartet dort ein richtig schweres Spiel", warnte Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff vor einem ungemütlichen Start in die EM-Qualifikation. Auch ihm scheint spätestens nach Mittwochabend klar zu sein, dass ein schwerer und steiniger Weg vor der deutschen Mannschaft liegt.