EXKLUSIV Falko Götz führte Hertha BSC einst in den UEFA-Cup. Nach seiner Entlassung im April 2007 war er einer der Kandidaten, die immer genannt wurden, wenn es einen Trainerposten in der Bundesliga neu zu besetzen galt. Ende 2008 unterschrieb der 46-Jährige nun beim Regionalligisten Holstein Kiel.
Im SPOX-Interview spricht Götz unter anderem über den Kieler Weg, die ehrgeizigen Ziele und Gemeinsamkeiten mit 1899 Hoffenheim.
SPOX: Herr Götz, haben Sie schon Ihre erste Kieler Sprotte gegessen?
Falko Götz: Nein, dazu bin ich bisher nicht gekommen.
SPOX: Konnten Sie denn immerhin schon einen Blick auf die Stadt werfen?
Götz: Ich wohne derzeit noch im Hotel und habe noch nicht viel von der Stadt gesehen. Priorität hat momentan die Arbeit mit der Mannschaft, aber das Private wird demnächst sicher folgen.
SPOX: Gibt es dennoch etwas, was Ihnen in Kiel gleich aufgefallen ist?
Götz: Nun ja, das Wetter hier im Norden ist schon gewöhnungsbedürftig. Ich habe mir aber sagen lassen, dass man an der Küste in der Zeit zwischen April und September dafür entschädigt wird. Im Winter muss man sich dann halt etwas Kuscheliges zum Wohnen suchen.
SPOX: Die schönen Strände waren aber sicher nicht der Grund, warum haben Sie als ehemaliger Bundesligatrainer das Angebot von Regionalligist Holstein Kiel angenommen?
Götz: Nein, aber es gibt kaum einen interessanteren Job, als einen Klub selbst zu entwickeln. Vor meiner Unterschrift haben sich die intensiven Gespräche über neun, zehn Monate hingezogen. Ich habe hier sehr große sportliche Kompetenzen und das, was ich in Kiel als Ausgangsposition vorgefunden habe, hat meine Entscheidung pro Holstein ganz klar positiv beeinflusst.
SPOX: Das heißt konkret?
Götz: Hier gibt es ein vernünftiges Umfeld, der Verein hat Tradition und es herrscht eine unglaubliche Aufbruchstimmung. Es sind Leute am Werk, die wollen, dass in Kiel höherklassiger Fußball gespielt wird und diese Leute sind auch bereit, dafür zu investieren. Die Infrastruktur ist Minimum zweitligareif. Somit ist die Ausgangssituation sehr gut.
SPOX: Wie sehen Ihre Aufgaben in Kiel aus?
Götz: Ich möchte, in Verbindung mit meinem Assistenztrainer Andreas Thom, meine Erfahrung und mein Know How für den Verein nutzen. Das beinhaltet nicht nur, dass wir die erste Mannschaft nach oben führen, sondern vor allem auch, dass ein grundsolides Fundament für Leistungsfußball gelegt wird. Dies umfasst einerseits die Entwicklung eines Konzepts für die Ausbildungsarbeit der Jugendmannschaften und deren Kontrolle. Andererseits soll eine ordentliche Scoutingabteilung aufgebaut werden. Zudem sollen für die erste Mannschaft solche Spieler geholt werden, die in unser Profil passen.
SPOX: Das wie aussieht?
Götz: Wir wollen Auffangbecken für Spieler sein, die bei Leistungsklubs ausgebildet worden sind und großes Talent haben, den Sprung in die erste Mannschaft aber in jungen Jahren noch nicht schaffen. Da wollen wir bereit stehen und mit möglichst hoher Ligazugehörigkeit ein Abnehmer für Talente sein.
SPOX: Sie sagten, dass Holstein ein Konzept anfassen will und dabei Risiko geht. Wie meinen Sie das?
Götz: Es ist immer ein Risiko, wenn man als Regionalligist so ein Trainerteam holt. Ob alles so läuft, wie wir uns das jetzt vorstellen, wird man sehen. Konzepte müssen zumindest nicht mehr erstellt werden. Diese Konzepte existieren bereits. Ich habe diese für Kiel ja selbst erarbeitet und versuche, sie nun unter Berücksichtigung des regionalen Touchs umzusetzen.
SPOX: Ihre beiden Aufsichtsräte Gerhard Lütje und Hermann Langness werden auch als "Mini-Hopps" bezeichnet. Wie viel Geld stecken sie in diese Entwicklung?
Götz: Wenn man einen Verein strukturell verändern will, dann kostet das hier oder da natürlich auch Geld. Aber wir wollen nicht nur mit Geldscheinen wedeln, sondern vor allem Know How weitergeben. Ich denke es kann für einen Scout oder einen Jugendtrainer sehr interessant sein, einem Trainerteam Götz/Thom zuzuarbeiten. Da wird sich jeder Trainer von unserem Erfahrungsschatz sicherlich auch etwas abschauen können. Das ist etwas, was nicht jeder Verein bieten kann.
SPOX: Holstein Kiel ist durch die Verpflichtung Ihrer Person und die Aussage, es Hoffenheim gleichtun zu wollen, in den Fokus gerückt. Entsteht in Kiel das neue Hoffenheim?
Götz: Zunächst einmal haben wir nicht so viel Geld wie Hoffenheim. Zudem ist das Tempo, welches Hoffenheim vorgelegt hat, für niemanden wiederholbar. Aber es gibt sicherlich Ansätze im Konzept von Hoffenheim, die jeder Verein übernehmen könnte. Wir tauschen uns in dieser Hinsicht mit Hoffenheim aus. Ich bin mit Bernhard Peters gut befreundet und kenne auch Ralf Rangnick ganz gut. Aber insgesamt sind wir noch sehr weit davon entfernt, dass man Holstein Kiel mit Hoffenheim vergleichen könnte. Wir sind gerade erst im Anfangsstadium, aber deshalb nicht weniger ehrgeizig bei der Sache.
SPOX: Wie professionell sind die Strukturen momentan bei Holstein Kiel?
Götz: Ich würde die Strukturen als semiprofessionell bezeichnen.
SPOX: Was fehlt noch?
Götz: Ein Kraftraum oder Regenerationsmöglichkeiten. Aber auch hier laufen die Planungen bereits. Der Umbau des Vereinszentrums beginnt Mitte März und nach deren Abschluss werden die Strukturen professioneller sein.
SPOX: Im Gegensatz zum Profigeschäft in der Großstadt Berlin herrscht in der Regionalliga aber auch weniger Rummel.
Götz: Dass man in Ruhe arbeiten kann, war ein Argument hier anzufangen. Es ist etwas ganz anderes im Vergleich zu dem, was ich bis jetzt als Spieler oder Trainer erlebt habe. In meinem Verständnis von Fußball wird das Paket Holstein Kiel damit immer runder.
SPOX: Inwiefern?
Götz: Ich möchte wieder Fußballlehrer sein. Ich möchte Strukturen entwickeln, Talente ausbilden und nicht permanent auf irgendeinem Schleudersitz sitzen.
SPOX: Das hört sich sehr idyllisch an. Aber trotz der Ruhe stehen Sie nicht gänzlich ohne Erfolgsdruck da.
Götz: Das will ich auch gar nicht. Fußball hat mit Druck zu tun und dem muss man standhalten. Ich bin davon überzeugt, dass man durch Ehrgeiz, Nachhaltigkeit und Planung Erfolg haben kann.
SPOX: Wie verliefen Ihre ersten Kontakte zu den Fans, gerade vor dem Hintergrund der Beurlaubung Ihres erfolgreichen Vorgängers Peter Vollmann?
Götz: Die Reaktionen waren meistens positiv. Es ist immer blöd, wenn ein Kollege gefeuert wird. Ich kann es sehr gut nachempfinden, denn auch ich habe solche Erfahrungen schon gemacht.
SPOX: Bei Ihrer Verpflichtung wurde vom Verein das Ziel ausgegeben, spätestens 2012 in der Zweiten Liga spielen zu wollen. Wie sieht Ihr eigener Zeitplan aus?
Götz: Ich habe zwar einen Plan, aber was nützt es, wenn ich über den zweiten Schritt rede, bevor ich den ersten gemacht habe. Der erste Schritt ist, aus der Regionalliga raus zu kommen. Wir werden alles dafür geben, dass dies noch in diesem Jahr passiert.
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