18 Tore in sechs Bundesligaspielen. Acht Siege in Folge. Seit 748 Pflichtspielminuten ohne Gegentor. Der FC Bayern München hat eine beeindruckende Serie in der Saison 2011/12 hingelegt. Was macht die Bayern unter Trainer Jupp Heynckes in der ersten Phase der Saison so stark? Zahlen und Daten liefern Antworten.
Höhere Verteidigung
Unter Heynckes stehen die Bayern auch bei Ballbesitz des Gegners höher als in der letzten Saison. Die Innenverteidiger positionieren sich meist etwa zehn Meter hinter der Mittellinie. Die Abstände zu den Doppelsechs-Positionen wurden so deutlich verringert und die Gefahr, nach Ballverlust einen Konter durch die Mitte zu kassieren, minimiert.
In der Saison 2010/11 ließen die Bayern zum gleichen Zeitpunkt der Saison in der Bundesliga acht Torschüsse nach Kontern zu, in dieser Saison erst zwei.
"Es muss unser Ziel sein, dass es für den Gegner wieder schwerer wird, gegen Bayern München Tore zu erzielen. Das geht nur, wenn die einzelnen Mannschaftsteile enger zusammenstehen und nach Ballverlusten keine Lücken entstehen", sagte Heynckes in der Saisonvorbereitung.
Dadurch, dass die Abwehr in dieser Saison höher steht, führen die Defensivspieler mehr Zweikämpfe (547) als letzte Saison (503). Auch die Quote ist mit 62 Prozent gewonnener Duelle klar besser als 2010/11 (56 Prozent).
Obwohl die Abwehrspieler intensiver verteidigen, leisten sie sich kaum Fouls. Beim Champions-League-Auftakt waren es deren sechs, Rafinha, Philipp Lahm und Daniel van Buyten kamen gar ohne Foulspiel aus - ein ungewöhnlicher Wert bei gleichzeitig gestiegener Aggressivität.
Die Innenverteidigung: Aktivposten Badstuber
In der letzten Saison war van Gaals "Liebling" häufiger verletzt und kam so nie an seine körperliche Leistungsfähigkeit. Unter Heynckes blüht Badstuber richtig auf. Seine Erfolgsquote bei den angekommenen Pässen ist enorm: In Villarreal spielte Badstuber keinen einzigen Fehlpass und gewann in der ersten Halbzeit alle sechs Zweikämpfe am Boden.
Auf Schalke kamen von 47 Kurzpässen 45 an. Badstuber geht im Passspiel mehr Risiko als Nebenmann Jerome Boateng. Er spielt den Ball häufiger zu einem der Mittelfeldspieler. Auf Schalke waren es 22 Anspiele, Boateng kam auf zwölf.
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Das gute Passspiel ist ein Faustpfand der ganzen Abwehr. In Villarreal war Rafinha mit einer Erfolgsquote von 84 Prozent der "schlechteste" (Badstuber und van Buyten 100 Prozent, Lahm 96 Prozent, Boateng 89 Prozent).
Aggressives Spiel gegen den Ball und schnelles Umschalten
Die beeindruckende Serie des FC Bayern hatte ihren Ursprung am 2. Spieltag in Wolfsburg kurz vor Schluss. Luiz Gustavo erzielte in der 90. Minute den Siegtreffer.
Der Brasilianer fiel in diesem Spiel aber nicht nur wegen seines Tores auf. Alleine in der ersten Halbzeit eroberte Gustavo in der gefährlichen zentralen Zone, knapp 30 Meter vor dem Bayern-Tor, fünf Bälle.
Gustavo steht stellvertretend für die hohe Aggresivität des FC Bayern unter Jupp Heynckes. Der ballführende Gegenspieler wird mit höherem Tempo attackiert und durch gutes Verschieben häufig gedoppelt (siehe Video). Das Pressing beginnt bereits im Sturmzentrum bei Mario Gomez, der regelmäßig die gegnerischen Innenverteidiger beschäftigt.
"Mario hat in punkto Defensivarbeit enorm dazugelernt. Er stört beim Aufbauspiel und läuft die Abwehrspieler sehr gut ab", sagt Bastian Schweinsteiger. Auch Franck Ribery hat offenbar Spaß am Pressing gefunden. In den ersten neun Pflichtspielen hat er mehr Bälle erobert als in der gesamten Saison 2010/11.
"Wir haben wieder ein Konzept, wie wir verteidigen und gegen den Ball arbeiten sollen", sagte Kapitän Philipp Lahm nach dem 7:0 gegen Freiburg. "Jeder Spieler beteiligt sich an der Defensivarbeit. In der letzten Saison haben drei, vier Spieler attackiert, jetzt macht es die ganze Mannschaft. Das ist der wesentliche Unterschied", erklärte Mario Gomez bei SPOX.
Als besonders zweikampfstark entpuppt sich dabei Schweinsteiger. In Villarreal gewann er im Zentrum alle fünf Duelle gegen Bruno, auf Schalke ließ er in zwölf Zweikämpfen Julian Draxler, Jefferson Farfan und Kyrgiakos Papadopoulos nicht ein einziges Mal den Vortritt.
Nach der Balleroberung wird schnell umgeschaltet. In der letzten Saison schossen die Bayern nach Kontern in den ersten sechs Spielen sieben Mal aufs gegenerische Tor, in dieser Saison sind es bereits 13 Torschüsse. Nach einem in der gegnerischen Hälfte provozierten Balllverlust schossen die Bayern bereits drei Tore, 2010/11 nur eins.
Toni Kroos kommt als Zehner eine Schlüsselrolle zu, die er mit Bravour ausführt. Kroos hält seine Passquote konstant bei knapp 90 Prozent und war in der Bundesliga schon an 28 Torschüssen beteiligt.
Seite 2: Vertikales Offensivspiel und Linkslastigkeit
Vertikales Offensivspiel
In der Saison 2010/11 hatten die Bayern in der Bundesliga einen durchschnittlichen Ballbesitzwert von 64 Prozent. Louis van Gaal setzte auf eine dominante Spielweise nach dem Vorbild des FC Barcelona.
Allerdings fehlte es dem Offensivspiel in der letzten Saison häufig an Tempo und Risiko. Bereits in der Abwehr zogen die Bayern das Spiel in die Breite.
2010/11 hatten die Verteidiger einen Ballbesitzanteil von 44 Prozent, die Mittelfeldspieler von 47 Prozent. In dieser Saison wird das Spiel nach vorne verlagert. Die Mittelfeldspieler sind 50 Prozent am Ball, die Abwehrspieler 41 Prozent.
Bis zum 6. Spieltag der Saison 2010/11 spielten die Münchner 103 längere Diagonalbälle und 82 Steilpässe. 2011/12 ist das Angriffsspiel vertikaler: 66 längeren Diagonalbällen stehen 103 Steilpässe gegenüber.
Die Ballkontaktzeiten sind verkürzt, das Risiko wurde erhöht. Die Passquote hat durch das temporeichere Offensivspiel nicht gelitten. Wie in der letzten Saison spielen die Bayern 13 Prozent Fehlpässe.
Dafür erarbeiten sie sich deutlich mehr Großchancen (2011/12: 23, 2010/11: 11). 13 von 18 Bundesligatoren erzielten sie aus dem Spiel heraus.
Bei Ballbesitz wird das 4-2-3-1 mitunter in ein 4-2-4 umgewandelt, indem die offensive Mittelfeldreihe und der zentrale Stürmer nahezu auf einer Linie spielen und dabei rotieren. Verlässt beispielsweise Ribery die linke Seite und zieht in die Mitte, geht Kroos ab und zu auf den Flügel. Als Zehner hat er schon elf Flanken von links geschlagen.
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Bayern ohne Robben extrem linkslastig - aber variabel
Während sich Arjen Robben mit einer hartnäckigen Schambeinentzündung herumplagt, präsentiert sich Franck Ribery seit Wochen in bestechender Form.
In der Liga war der Franzose an 33 Torschüssen beteiligt - die meisten aller Bayern-Spieler. Er traf dreimal und bereitete drei weitere Tore vor. Seine Passquote ist besser als letzte Saison (2011/12: 81,8 Prozent, 2010/11: 80,3 Prozent).
In Robbens Abwesenheit ist Ribery der Flügelspieler, über den die meisten Angriffe laufen. Auf Schalke hatte er 85 Ballkontakte und führte 32 Zweikämpfe.
Thomas Müller, Riberys Pendant auf rechts, kam auf "nur" 45 Ballkontakte und ging in 17 direkte Duelle.
Ein weiteres klares Indiz für die Linkslastigkeit des Bayern-Spiels sind die Passdaten aus dem Villarreal-Spiel.
Ribery bekam mit Ausnahme von Rechtsverteidiger Rafinha von allen Spielern mehr Pässe als Müller. Bastian Schweinsteiger spielte Ribery 20 Mal an, Müller nur acht Mal.
Im Gegensatz zu den Van-Gaal-Jahren interpretiert Ribery seine Rolle deutlich variabler. Er profitiert dabei von Heynckes' Maßnahme, die Mannschaft vom starren Positionskorsett seines Vorgängers zu befreien.
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Ribery muss unter Heynckes aktiv am Pressing teilnehmen und mehr Defensivarbeit verrichten, hat aber deutlich mehr Bewegungsfreiheit. Die Positionen müssen auch unter Heynckes besetzt sein, aber nicht zwangsläufig von einem Spieler.
Dieser taktischen Neuerung bedienen sich vor allem Ribery und Linksverteidiger Philipp Lahm. Ribery öffnet für Lahm auffallend häufig die linke Seite, indem er ins Zentrum zieht. Lahm hinterläuft Ribery dann und beteiligt sich am Angriffsspiel.
In der letzten Saison schlug Lahm als Rechtsverteidiger zwar deutlich mehr Flanken (21) als zum gleichen Zeitpunkt 2011 (8), ist aber jetzt deutlich häufiger an Torschüssen beteiligt (2010/11: 5, 2011/12: 11).
Geht es nach Heynckes, soll Ribery aber so schnell wie möglich entlastet werden - durch Robbens Rückkehr in die Mannschaft.
"Ich habe in meiner Laufbahn schon viele Topspieler trainiert, aber Arjen Robben ist ein ganz besonderer Spieler aufgrund seiner Professionalität und seines Könnens. Insofern stellt sich für mich die Frage nicht, ob wir ihn brauchen. Ich hoffe, dass er schon gegen Leverkusen wieder spielen kann", sagte Heynckes nach dem 2:0 auf Schalke bei "Sky".
Seite 1: Höhere Verteidigung, Aktivposten Badstuber und aggressives Pressing
Kader, Ergebnisse, Termine: Der FC Bayern 2011/12
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