Der FC Bayern ringt den BVB im Spitzenspiel nieder und schickt sich an, den achten Titel in Folge einzuheimsen. 18 Punkte sind noch zu vergeben. Dass der FC Bayern in seiner derzeitigen Form, die ihm mittlerweile einen Vorsprung von sieben Zählern beschert hat, noch einmal ins Straucheln gerät, erscheint unwahrscheinlich. Fünf Erkenntnisse zum Meisterschaftskampf.
1.: Das Rennen um die Meisterschaft: Aus fünf mach eins
Der Kampf um den Titel hätte auf der Zielgeraden tatsächlich noch einmal spannend werden können, allerdings muss man spätestens nach dem 28. Spieltag konstatieren, dass die ausgelutschte Phrase "Fußball ist kein Spiel der Konjunktive" nach einer verhältnismäßig aufregenden Vorsaison abermals greift.
In erster Linie wird die Prophezeiung der fortan fehlenden Spannung logischerweise dadurch gestützt, dass Borussia Dortmund am vergangenen Dienstag die Chance verpasst hat, bis auf einen Zähler an den dauerdominierenden FC Bayern heranzurücken. Statt jener Punkte-Konstellation dürfen sich die Münchner vor sechs ausstehenden Partien über ein mittlerweile fast schon beruhigendes Polster von sieben Punkten auf den ärgsten Verfolger freuen.
Dass der FCB unaufhaltsam zum achten Titel in Serie stürmt, hängt jedoch nicht bloß damit zusammen, dass der einzig echte Rivale der vergangenen Jahre dem Rekordmeister keine Punkte abtrotzte. RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach, die in der Hinrunde Bayerns Schwächeperiode noch für sich zu nutzen wussten, vermochten nicht, an die Konstanz der ersten Saisonhälfte anzuknüpfen.
Die Fohlen holten aus den vergangenen elf Spielen 18 Punkte (fünf Siege, drei Niederlagen, drei Unentschieden), Herbstmeister Leipzig verspielte zunächst seinen zwischenzeitlichen Vorsprung von vier Punkten auf die Bayern binnen kürzester Zeit und kommt mittlerweile in der Rückrunde auf sechs Unentschieden (insgesamt ebenfalls 18 Punkte).
Auch Bayer Leverkusen wurde aufgrund der enormen Formverbesserung im Vergleich zur Hinrunde noch Außenseiterchancen auf den Titel eingeräumt. Vor allem, weil die Mannschaft von Peter Bosz mit sehenswertem Offensivspiel sowie einer überraschend stabilen Defensive begeisterte und wettbewerbsübergreifend von Dreier zu Dreier eilte (zwölf Spiele ohne Niederlage, davon elf Siege). Seit Bayer 04 am Dienstagabend vor heimischer Geisterkulisse plötzlich überraschend deutlich vom VfL Wolfsburg (1:4) demontiert wurde, ist aber auch Leverkusen endgültig raus.
2.: FC Bayern ist die Ruhe selbst - trotz Nebengeräuschen
Bei aller (berechtigter) Kritik an der Inkonstanz der Konkurrenz, muss angemerkt werden, dass der FC Bayern seit Monaten auf höchstem Niveau agiert und sich auf seinem Weg an die Spitze nicht beirren ließ - obwohl es in der jüngeren Vergangenheit Nebengeräusche gab, die ein Team durchaus ins Straucheln hätten bringen können. Allen voran die Diskussion um Manuel Neuers Vertragsverlängerung sorgte zwischenzeitlich aufgrund von veröffentlichten Interna über angebliche Gehalts- und Laufzeitforderungen für Zündstoff.
Außerdem schwelt seit Jahresbeginn eine Diskussion um den bevorstehende Wechsel Alexander Nübels und die damit verbundenen Konsequenzen an der Säbener Straße. Dabei bestimmten nicht bloß die angebliche Einsatzgarantie des Noch-Schalkers sowie die damit verbundenen Neuer-Aussagen die Schlagzeilen, auch die beiden Ersatztorhüter, namentlich Sven Ulreich und Christian Früchtl, trugen mittels ihres jeweiligen Beraters wahlweise Kampfansagen oder Unmut in die Öffentlichkeit.
Für leiseres Murren sorgte kurz vor der Corona-Pause auch Leon Goretzka, der im Anschluss an die Partie gegen den FC Augsburg über seine Rolle als Joker klagte. Lucas Hernandez, der im Sommer für 80 Millionen Euro von Atletico Madrid geholt wurde und damit zum vereinsinternen Rekordtransfer avancierte, spielt unter Trainer Hansi Flick höchstens eine Nebenrolle. Obwohl der Franzose in der Öffentlichkeit bislang nicht als Miesepeter in Erscheinung trat, dürfte er sich sein erstes Jahr an der Isar, das - zugegebenermaßen - auch von Verletzungen geprägt war, anders vorgestellt haben.
Dennoch ist es den Protagonisten weitestgehend gelungen, die vereinzelten Brandherde und offenen Fragen zu löschen beziehungsweise zu beantworten. Neuer unterschrieb einen Vertrag bis 2023, die Zukunft bei Flick, Thomas Müller und Alphonso Davies wurde ebenfalls geklärt, bei den Leistungsträgern Thiago und David Alaba wurden mit Blick auf die Ausdehnung ihrer Arbeitspapiere positive Tendenzen ausgemacht. Und Goretzka? Der stand seit seiner kleinen Verdrießlichkeit in jedem Spiel in der Startelf.
3.: BVB verspielt Meisterschaft nicht im Spitzenspiel
Borussia Dortmund hat aufgrund der 0:1-Niederlage zwar verpasst, den Anschluss an die Bayern zu halten, die Meisterschaft verspielten die Schwarz-Gelben am Dienstagabend aber mitnichten. Im Signal Iduna Park standen sich zwei Mannschaften gegenüber, die taktisch, spielerisch und kämpferisch qualitativ hochwertig agierten und ihre Vormachtstellung im deutschen Fußball zwar unspektakulär, aber dennoch eindrucksvoll untermauerten.
Joshua Kimmich, dessen Geniestreich das Duell letztlich zugunsten der Gäste entschied, hatte im Nachgang im Gespräch mit Sky eine ausgeglichene Partie gesehen und attestierte dem Kontrahenten eine "überraschenderweise sehr mutige" Herangehensweise. "Wir haben versucht, zu pressen, trotzdem sind sie ruhig geblieben. Das war in der Vergangenheit nicht immer so, das haben sie gut gemacht", sagte der 25-Jährige.
Die Quintessenz seiner Aussagen: Die Partie hätte genauso gut in die andere Richtung gehen können. Von einem 0:1 gegen die Münchner gehen Meisterschaftsträume für gewöhnlich nicht unter, vor allem nicht, wenn sich ein Team derart funktionierend präsentiert wie Dortmund in der Rückrunde. Wenn man jedoch die Ansprüche an sich selbst stellt, ein ernstes Wörtchen um die Schale mitsprechen zu wollen, sollte eine Spitzenmannschaft im Vorhinein dafür sorgen, dass eine Niederlage gegen den FCB keine Quasi-Entscheidung mit sich bringt.
Das ist dem BVB in dieser Saison nicht gelungen. Ehe die Bayern unter Niko Kovac schwächelten, standen bei den Dortmundern bereits eine Niederlage gegen Union Berlin sowie drei aufeinanderfolgende Remis gegen Frankfurt, Bremen und Freiburg zu Buche.
Zu allem Überfluss, und da kommt Kimmichs "das war in der Vergangenheit nicht immer so" zum Tragen, erwischte die Mannschaft von Coach Lucien Favre gleichermaßen ausgerechnet wie traditionell einen rabenschwarzen Abend in der bayrischen Landeshauptstadt, als sie nahezu ohne sichtbares Konzept und wehrlos mit 0:4 unter die Räder kam. Während jene Partie als Startschuss zur Wende für die Bayern gewertet werden darf, blamierte sich der BVB einen Spieltag später zuhause gegen Schlusslicht Paderborn (3:3 nach 0:3).
4.: Corona-Pause nimmt keinen merklichen Einfluss auf die Physis
Nach einer längeren Pause ist es normalerweise Usus, dass sich Profi-Mannschaften akribisch über viele Wochen auf den Start einer neuen Saison vorbereiten können. Da im Jahr 2020 wegen der globalen Corona-Pandemie aber alles anders ist und die Bundesliga aus Termingründen bis Ende Juni finalisiert werden sollte, blieb den Trainerteams nur wenig Zeit, ihren Schützlingen die viel zitierten Automatismen einzuprägen.
Im Vorfeld der Wiederaufnahme des Spielbetriebs wurden neben der Legitimation, nicht nur aus spielphilosophischer Sicht erhebliche Zweifel geäußert - auch mögliche Auswirkungen auf die Physis der Spieler wurden thematisiert. Zwar hatten sich Akteure in diversen Cyber-Trainings über den gesamten Zeitraum der Pause fitgehalten, ein klassisches Mannschaftstraining ersetzten die virtuellen Einheiten allerdings nicht.
Nach drei absolvierten Spieltagen kann man resümieren, dass die Zwangspause von Anfang März bis Mitte Mai keinen negativen Einfluss auf die Fitness der Spieler genommen zu haben scheint. Schlimmere Verletzungen, die in man in Zusammenhang mit der Unterbrechung bringen könnte, blieben bislang aus.
Vielmehr diente das Spitzenspiel zwischen Dortmund und Bayern als positives Beispiel, dass die Fitness-Maßnahmen im Zeitraum der Kontaktbeschränkungen sogar Früchte getragen haben. So stellte Kimmich mit einer Laufleistung von 13,73 Kilometern einen neuen klubinternen Bestwert seit Beginn der detaillierten Trackingdatenerfassung auf, Müller spulte 12,74 Kilometer ab und Dortmunds Lauffreudigster, Thorgan Hazard, brachte 12,12 Kilometer auf die Uhr. Auch insgesamt wichen die diesbezüglichen Daten ligaweit im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit keineswegs ab.
Goretzka scheint die Wochen indes dafür genutzt zu haben, an seinem Muskelaufbau zu arbeiten. Sichtlich bepackt kam der ehemalige Schalker aus dem "Homeoffice" und verzeichnete prompt messbare Erfolge: Mit 21 gewonnen Zweikämpfen entschied er mehr direkte Duelle für sich als jeder andere Bundesliga-Spieler in den vergangenen drei Spieltagen.
5. FC-Bayern-Abhängigkeit von Robert Lewandowski weniger offensichtlich
"Wenn Lewandowski nicht trifft, fangen die Probleme in München an", sagte Stefan Effenberg Anfang Dezember, als der Pole das - für seine Verhältnisse - "Kunststück" vollbrachte, drei Bundesliga-Spiele in Serie keinen Treffer beizusteuern.
Tatsächlich gaben die Ergebnisse dem ehemaligen Bayern-Kapitän zum damaligen Zeitpunkt recht, gingen doch immerhin zwei der drei Spiele verloren (1:2 gegen Leverkusen, 1:2 gegen Gladbach). Generell wurde bereits zuvor die Abhängigkeit vom zuverlässigen Torjäger, der aktuell bei 27 Saisontoren steht, als Negativaspekt im Münchner Spiel ausgemacht.
Dass die Faustregel aber mittlerweile keinen Bestand mehr hat, zeigte sich allerdings schon vor der Pause, als die Bayern zwei Liga-Partien ohne den verletzten Goalgetter auskommen musste. Beim 6:0 gegen Hoffenheim fackelte der FCB nicht nur auf den Rängen ein Feuerwerk ab, auch das Derby mit Augsburg entschied er letztlich souverän mit 2:0 für sich.
In Dortmund sah sich Lewandowski bei Mats Hummels und Manuel Akanji über weite Strecken in guten Händen, kam an vorderster Front kaum zum Zuge, ehe er immerhin kurz vor Schluss noch einen satten Schuss an den Pfosten setzte. Am Ende kein Problem aus Bayern-Sicht, da mit Kimmich erneut ein Kollege in die Bresche sprang.