FC Bayern München - Erkenntnisse zum Sieg gegen Union: Ein überwunden geglaubtes Problem macht Sorge

Nino Duit
31. Oktober 202109:35
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Der FC Bayern München hat sich beim 5:2-Sieg bei Union Berlin nichts vom Gladbach-Debakel drei Tage zuvor anmerken lassen. Sorge machte aber ein überwunden geglaubtes Problem, ein Abgeschriebener unterdessen Hoffnung. Drei Erkenntnisse.

1. Der FC Bayern lässt sich das Debakel nicht anmerken

Wie reagiert der FC Bayern München eigentlich, wenn er mal so richtig untergeht? Das 0:5 im DFB-Pokal bei Borussia Mönchengladbach am Mittwoch hatte bekanntlich eine historische Dimension. Für einen Vergleichswert muss man etwas recherchieren.

Noch schlimmer erwischte es den FC Bayern in einem Pflichtspiel letztmals vor fast 43 Jahren im Dezember 1978, damals setzte es in der Bundesliga ein 1:7 bei Fortuna Düsseldorf. Trainer Gyula Lorant musste daraufhin gehen, die Mannschaft verlor das darauffolgende Spiel gegen den Hamburger SV unter seinem ehemaligen Assistenten Pal Csernai trotzdem.

Auch beim Spiel eins nach Gladbach 2021 wurde der FC Bayern von einem ehemaligen Assistenten betreut, es ging gegen Union Berlin. Der Unterschied: Dino Toppmöller stand auch schon beim Debakel selbst an der Seitenlinie und wird bald wieder ein echter Assistent sein. Vermutlich schon beim Champions-League-Spiel am Dienstag gegen Benfica Lissabon, sofern sein Chef Julian Nagelsmann bis dahin planmäßig seine Corona-Quarantäne verlassen darf.

Aktuell muss er noch aus seiner Küche agieren, von wo aus er in ausführlichen Telefonaten mit den Führungsspielern das Debakel aufgearbeitet hatte. "Am Ende waren wir uns alle einig, dass uns das nicht nochmal passieren sollte", resümierte Nagelsmann. Zumindest in Berlin passierte es nicht nochmal. Diesmal schoss nicht der Gegner fünf Tore, sondern der FC Bayern.

Vom Anpfiff an war der Mannschaft das Debakel nicht anzumerken. Viel Ballbesitz in der Anfangsphase und ein früher Doppelpack von Robert Lewandowski (15. und 23.) gaben zusätzliche Sicherheit. Obwohl der FC Bayern später noch zwei unnötige Gegentore kassierte, drohte das Spiel zu keinem Zeitpunkt ernsthaft zu kippen. "Wir können zufrieden sein mit der Leistung. Es war eine gute Reaktion auf das, was am Mittwoch passiert ist", sagte Toppmöller.

Thomas Müller, der an vier Treffern direkt beteiligt war, sah ebenfalls eine "gute Reaktion", betonte im Rückblick auf Gladbach aber auch: "Wir haben nicht nur ein Spiel verloren, sondern einen Wettbewerb, der uns viel bedeutet in der Saison. Dementsprechend müssen wir weiter damit umgehen." Wenn dieser Umgang weitere deutliche Siege bedeutet, ist das kein gutes Zeichen für die Gegner der kommenden 43 Jahre.

2. Die Defensive erinnert an überwunden geglaubte Probleme

Als es nach dem Abpfiff in den Katakomben des Stadions an der Alten Försterei nur so vor Spielern und Betreuern wuselte, tauchte auf einmal auch Hansi Flick auf. Der Bundestrainer war mutmaßlich auf dem Weg in der Kabine des FC Bayern, um seine ehemaligen Schützlinge zu begrüßen. Ihren Auftritt hatte er sich zuvor von der Tribüne aus angeschaut. Dabei dürfte ihm ein Verhaltensmuster aus seiner zweiten und letzten Saison als Bayern-Trainer aufgefallen sein: unerklärliche defensive Unachtsamkeiten aus dem Nichts.

Als der FC Bayern das Spiel komplett unter Kontrolle hatte, verschuldete der in die Startelf rotierte Rechtsverteidiger Josip Stanisic mit einer kleinen Orientierungslosigkeit Niko Gießelmanns 1:3 (43.). Von einem Moment auf den anderen wackelte die zuvor so sichere Defensive und wackelte nach dem Seitenwechsel einfach weiter, nur eben in die andere Richtung. Beim 2:4 von Julian Ryerson (65.) verteidigte dann Niklas Süle nicht energisch genug.

Keeper Manuel Neuer sprach im Anschluss von "ärgerlichen" Gegentoren. "Ich sehe das an dieser Stelle hier nicht so kritisch", beschwichtigte Toppmöller. Beobachten sollten er und sein Chef Nagelsmann die weitere Entwicklung in dieser Hinsicht aber trotzdem ganz genau. Sich auf Gala-Auftritte von Lewandowski, Müller oder Sane zu verlassen, ist langfristig durchaus riskant.

Das Einfangen ärgerlicher Gegentore schien die Mannschaft nach dem Trainerwechsel von Flick zu Nagelsmann weitestgehend abgestellt zu haben. Gelang ihr in der vergangenen Saison phasenweise wochenlang kein Spiel ohne Gegentor, galt die Defensive bis zum 0:5 in Gladbach als große Stärke. Vor allem die drei Innenverteidiger Niklas Süle, Dayot Upamecano und Lucas Hernandez befanden sich in Topform.

Nun stellt sich die Lage etwas anders dar: Upamecano saß nach seiner desolaten Vorstellung in Gladbach in Berlin zunächst auf der Bank, was Toppmöller aber explizit "nicht als Denkzettel" verstanden wissen wollte. Die Innenverteidigung bildeten stattdessen der zeitweise unkonzentrierte Süle und Hernandez, der zuletzt mit Justiz-Problemen zu kämpfen hatte und Mitte der zweiten Halbzeit wegen eines Schlages unterhalb des Knies ausgewechselt werden musste.

3. Corentin Tolisso empfiehlt sich mehr als Marcel Sabitzer

Als Corentin Tolisso in der Bundesliga letztmals in der Startelf stand, da war Flick noch Trainer des FC Bayern: Bei einem wilden 3:3 (siehe Punkt 2) gegen Arminia Bielefeld im Schneetreiben des letzten Winters. Weite Teile der Restsaison verpasste der 27-jährige Franzose wegen eines Sehnenrisses, zuletzt litt er unter Wadenproblemen, zwischendurch reichte es nur zu vereinzelten Kurzeinsätzen. Tolisso? Abgeschrieben.

In Anbetracht der langen Leidenszeit und der wenigen Spielpraxis kam sein Startelfauftritt in Berlin überraschend und verlief dann überraschend ordentlich. In Abwesenheit des verletzten Leon Goretzka bekam Tolisso den Vorzug vor dem gleichaltrigen Neuzugang Marcel Sabitzer, der zuletzt in der Champions League beim 4:0-Sieg bei Benfica Lissabon seine Startelf-Chance nicht genutzt hatte.

Tolisso brachte dagegen eine Prise Dynamik ins Spiel und fiel auch mit dem einen oder anderen guten Vertikalpass auf, beispielsweise bei der Entstehung von Leroy Sanes Treffer zum 3:0 (34.). In der 69. Minute wurde er für Sabitzer ausgewechselt, der im internen Ranking nun womöglich hinter Tolisso zurückfällt - aber wohl eher nur kurzfristig.

Sabitzer war Nagelsmann im Sommer schließlich als dessen ehemaliger Kapitän von RB Leipzig zum FC Bayern gefolgt. Sein Vertrag gilt bis 2025, während Tolissos im nächsten Jahr ausläuft und Stand jetzt nicht verlängert werden soll.