Alieu Darbo wollte offenbar unbedingt Millionen mit dem Fußball verdienen, hatte aber nicht ausreichend Talent. Also probierte er es wohl mit Betrug.
Es gibt diese Geschichten, bei denen man sofort denkt: Das kann doch eigentlich nur ein Film sein. Weil sie einem so unwirklich vorkommen, man sich nicht vorstellen kann, dass das alles tatsächlich in der Realität passiert sein soll. Die von Alieu Darbo ist solch eine. Auch wenn wohl nie final geklärt werden wird, was die wahren Beweggründe dahinter waren, was davon wirklich stimmt und was vielleicht nicht.
Die Geschichte beginnt auf jeden Fall damit, dass Alieu Darbo ein zumindest einigermaßen talentierter Fußballer sein muss. Denn immerhin lief der in Schweden geborene Mittelfeldmann dreimal für die U17 von Gambia auf, dem Land seiner Wurzeln. Er nimmt sogar an der U17-WM 2009 teil, ist dabei, als Gambia in der Gruppenphase der niederländischen Auswahl um Oguzhan Özyakup, Adam Maher, Stefan de Vrij oder Luc Castaignos nur mit 1:2 unterliegt.
Offiziell ist Darbo seinerzeit gerade frisch aus dem Nachwuchs des schwedischen Zweitligisten Örgryte zum damaligen französischen Erstligisten Le Mans gewechselt. Dort bleibt er drei Jahre lang, ist wohl aber nicht gut genug, es in die erste Mannschaft zu schaffen und verlässt Le Mans im Sommer 2012. Seitdem probierte Darbo offenbar mit betrügerischen Mitteln, sich den Status eines millionenschweren Profi-Fußballers anzueignen.
2013 wurde er bei Dinamo Zagreb vorstellig. Mit damals 21 Jahren ergaunerte er sich wohl mit einem Empfehlungsschreiben des einstigen schwedischen Bayern-Scouts Björn Andersson einen Dreijahresvertrag beim kroatischen Serienmeister. Auf ein Probetraining müsse er verzichten, da er zum Zeitpunkt der Unterschrift verletzt gewesen sei, soll Darbo gesagt haben. Dinamo vertraute ihm, merkte allerdings schnell, dass mit dem Neuzugang etwas nicht stimmen konnte und löste den Vertrag nach wenigen Monaten wieder auf.
Alieu Darbo: Schweigegeld von Dinamo Zagreb?
Der Vorfall soll den Verantwortlichen Zagrebs so peinlich gewesen sein, dass sie Darbo sogar ein Schweigegeld in Höhe von 40.000 Euro gezahlt haben sollen, damit er nicht die Öffentlichkeit über die wahren Hintergründe informiert. Björn Andersson, der Scout, von dem die gefälschten Referenzen stammten, äußerte sich in der schwedischen Zeitung Aftonbladet nicht konkret zu dem Fall Darbo, gab aber an, bereits dreimal Anzeige erstattet zu haben, weil jemand in seinem Namen gefälschte Dokumente verbreitet habe.
Darbo zog aus Kroatien indes offenbar weiter nach Griechenland. Er nahm Kontakt zum Top-Klub PAOK Saloniki auf - und log vermutlich so dreist wie nie zuvor. PAOKs damaligen Sportdirektor Zisis Vryzas, der als Spieler mit Griechenland 2004 Europameister geworden war, soll er mit einem vermeintlichen Empfehlungsschreiben von Borussia Dortmunds damaligem Sportdirektor Michael Zorc getäuscht haben. Darin stand auch, dass der angebliche Zorc PAOK darum bitte, Darbo für die kommenden Jahre Spielpraxis zu geben, um ihn dann wieder zurück zum BVB zu schicken. Den Griechen hätte der Deal eine Summe von bis zu vier Millionen Euro einbringen können.
Doch so sehr der sich als Michael Zorc ausgebende Absender auch von Darbo schwärmte und so verlockend das Geld war: Vryzas wurde misstrauisch. Die Absenderadresse kam ihm komisch vor, zudem die Bitte Zorcs, Darbo ein Probetraining zu ersparen. Und dass man nur per Mail kommunizieren solle, weil er telefonisch nur sehr schwer erreichbar sei. Alles seltsam.
Instagram Alieu Darbo / Imago ImagesAlieu Darbo: Gefälschte Empfehlung von BVB-Boss Zorc
Laut einem Bericht der 11Freunde versuchte Vryzas, Zorc ans Telefon zu bekommen, der hob aber zunächst nicht ab und beinahe hätte er Darbo daher seinen Vertrag gegeben. Doch im letzten Moment habe Zorc dann doch noch zurückgerufen und erklärt, den Namen des Spielers noch nie gehört zu haben, ihn als Betrüger entlarvt.
Darbos damaliger Berater erzählte Aftonbladet einige Jahre später anonym die Geschichte von damals in Saloniki. Er erzählte auch, dass Vryzas und einige PAOK-Ultras nach der Aufdeckung des Betrugs vor ihrem Hotelzimmer standen, ihnen drohten. "Bis morgen früh seid ihr hier verschwunden!" Darbo selbst habe sich daraufhin noch am selben Tag aus dem Staub gemacht, sein Berater soll sich für die Nacht aus Angst vor Vryzas und Co. in seinem Badezimmer verbarrikadiert haben.
Hier kommt Darbos Version der Geschichte ins Spiel, die er Anfang 2017 der dpa erzählte. Ein Streit mit einem Berater sei nämlich der Stein des Anstoßes gewesen, sagte er. Dieser habe ihn während seiner Zeit bei Dinamo Zagreb an einen Geschäftspartner weitergegeben. Letzteren habe er bezahlt, den ursprünglichen Berater allerdings nicht - was diesem natürlich übel aufstieß.
"Er sagte, er werde alles tun, um meinen Namen zu zerstören", erzählte der heute 30-jährige Darbo. Seine Vermutung: Der wütende Berater verschickte die gefälschten Empfehlungsschreiben an Klubs und Manager, die Sache mit PAOK leugnete er indes komplett: "Ich war nicht in Griechenland, das ist nicht wahr. Ich war dort nur einmal im Urlaub", sagte er.
Alieu Darbo posiert bei Crotone mit der Nummer 10
Was nun stimmt und was nicht - Darbos Geschichte führte sogar noch kurz vor dem PAOK-Gate zum Beispiel zum FC Crotone. Auch hier, beim italienischen Zweitligisten, soll er mit Fake-Empfehlungen und fragwürdigen YouTube-Zusammenschnitten seiner Skills angeheuert haben. Es existiert sogar ein Bild, das ihn bei der vermeintlichen Präsentation mit einem Crotone-Trikot mit der Nummer 10 und seinem Vornamen zeigt. Warum das Engagement nach nur wenigen Tagen wieder beendet war und bei seiner Karriere-Laufbahn im Internet gar nicht gelistet wird? Offen.
Darbo zog weiter zum norwegischen Klub Nybergsund, dann nach Malta, Algerien, Ägypten und noch einmal nach Malta. Nirgendwo blieb er länger als sieben Monate, in der Saison 2013/14 lief er sogar einmal für den finnischen Erstligisten Inter Turku auf. Auf Malta soll er für Mosta FC bei vier Einsätzen in der Meisterschaftsrunde mal einen Assist geliefert haben, für Ittihad Alexandria dreimal in Ägyptens erster Liga aufgelaufen sein.
Ola Brenden, Sportchef von Nybergsund, dem norwegischen Verein, bei dem Darbo Anfang 2015 mal einen Monat lang unter Vertrag stand, betonte jedenfalls laut 11Freunde: "Es wurde schnell klar, dass er nicht das Kaliber war, das wir uns erhofft hatten."
Von Oktober 2016 an war Darbo jedenfalls lange vereinslos. Bei seiner vorerst letzten Station, dem maltesischen Zweitligisten Naxxar Lions FC, machte er immerhin sechs Pflichtspiele. Doch nach nur ein paar Wochen sortierte man ihn dort aus. "Ich glaube, er wollte nach Zypern", sagte Vereinspräsident Pierre Sciberras. "Was er dort vorhatte, weiß ich nicht."
Alieu Darbo: 27.000 Follower bei Instagram
Bis Anfang 2020 kam Darbo dann offiziell bei keinem Verein mehr unter, ehe er plötzlich beim katarischen Klub Al-Bidda SC gelistet wurde. Die Betrugsgeschichte lässt ihn bis heute nicht los, sie habe "eine Menge Probleme verursacht", sagte er der dpa. "Für mich und meine Familie, für meine Eltern und meine Karriere."
Und wenngleich er es nie zum großen Star geschafft hat, ist er dennoch eine kleine Berühmtheit. Immerhin über 27.000 Menschen folgen ihm auf Instagram, wo er sich "Gambischer Nationalspieler" nennt, ohne je ein A-Länderspiel bestritten zu haben. Und wo er kundtut, dass er im "normalen Leben" als Botschafter für die Geldtransfer-Agentur Supersonicz arbeitet.