Im Alter von 19 Jahren bombte John Guidetti die komplette Eredivisie auseinander, schoss Feyenoord sensationell auf Platz 2 und stand vor einer Nominierung für die Europameisterschaft 2012. Doch dann streikte der Körper des Schweden.
Man sah schon viele Talente emporsteigen. Der neue Pele, der neue Maradona, der neue Zidane und was man nicht schon alles angepriesen bekam. Doch ebenso schnell wie sie aufstiegen, verglühten manche Spieler auch schon am schnelllebigen Fußball-Firmament.
Die Gründe hierfür sind vielseitig und oft nicht genauer zu erörtern. Mal sind es unglückliche Vereinswechsel, mal das falsche Umfeld - und manch anderer kam mit dem Druck nicht klar. Demnach müsste John Guidetti alles richtig gemacht haben. Er entschied sich eigentlich für den richtigen Klub, hatte eigentlich das richtige Umfeld und wirkte eigentlich klar im Kopf. Eigentlich.
Guidetti wechselte 2011 als 19-Jähriger auf Leihbasis von Manchester City zu Feyernoord und traf fortan in der Eredivisie wie er wollte (20 Tore in 23 Spielen). Er hatte ein gefestigtes Umfeld und machte nicht den Eindruck, als könne er abheben. Trotz des frühen Erfolgs. Auch charakterlich schien er für das Stahlbad Profi-Fußball gemacht. Stark vorm Tor, aber auch stark im Kopf.
Ein Stückchen Hühnerfleisch
Bis das Schicksal zuschlug. Ein vergiftetes Stückchen Hühnerfleisch kostete ihm fast die Karriere. Ein Virus griff das zentrale Nervensystem ein, so dass er vom einen auf den anderen Tag sein rechtes Bein nicht mehr spürte. Lange wurde darüber gerätselt, ob er überhaupt wieder Fußball spielen wird können. Eine achtmonatige Reha stand vorerst auf dem Programm.
"Ich wollte damals die Meisterschaft mit Feyenoord holen und mit Schweden zur EM fahren. Daraus wurde nichts. In der einen Sekunde war ich im Himmel, in der anderen Sekunde in der Hölle. Ich konnte das damals alles nicht glauben", sagte Guidetti über diese Zeit.
Viele junge Spieler wären daran vielleicht zerbrochen. Auch Guidetti war im ersten Moment entsetzt. "Als ich davon hörte, fing ich an zu weinen. Ich sah meine komplette Karriere in sich zusammen brechen", sagte er damals. Doch der Schwede mit italienischen Wurzeln ist ein Kämpfer. Nicht umsonst nennt man ihn in England den schwedischen Wayne Rooney. Und Guidetti gab nicht auf.
"Die Jungs waren richtig erschrocken"
Er kehrte zunächst zurück zu den Citizens, absolvierte dort die restliche Reha und arbeitet seitdem wieder an seinem Comeback. "Ich wusste, dass ich meine ganze Power in meinem rechten Bein verloren hatte. Aber was mir gar nicht so auffiel war, dass mein Bein so dünn geworden ist. Die Jungs in der Kabine waren richtig erschrocken, wenn sie mich bei der Reha sahen."
Anfang des Jahres wähnte er sich schon wieder fit und absolvierte sieben Spiele in der Reserve-Mannschaft der Citizens. Sechs Treffer erzielte er in der Zeit, doch dann folgte ein abermaliger Rückschlag.
Im Sommer musste sich Guidetti einer Knie-OP unterziehen, Anfang November war es dann wieder soweit: "16 Monate und nun wieder vollständig fit. Ich kann das Gefühl gar nicht beschreiben. Danke an jeden, der mich unterstützt hat", twitterte er euphorisch nach seinem Einsatz für Citys U 21 gegen Norwich City.
50 Minuten kam er in diesem Spiel zum Einsatz, ein Treffer gelang ihm nicht, aber "mein Körper fühlte sich gut an." Das ist das wichtigste derzeit. Der lange Weg zurück zu alter Form wird garantiert kein einfacher werden. Und trotz seines langen Ausfalls ist er nicht vom Radar vieler Klubs verschwunden.
Interesse der Bayern?
Nach seiner Gala-Saison in den Niederlanden war angeblich sogar der FC Bayern am 1,85-Meter-Hünen interessiert. Auch im letzten Sommer hatten einige englische und internationale Klubs Interesse an Guidetti, doch City schob dem Ganzen einen Riegel vor. So blieb er und arbeitet weiter an seinem Comeback.
Doch hat er im hellblauen Star-Ensemble überhaupt eine Chance? Mit Edin Dzeko, Sergio Aguero, Alvaro Negredo und Stevan Jovetic hat Manuel Pellegrini bereist vier hochkarätige Angreifer im Kader. Für einen 21-jährigen Rekonvaleszenten scheint auf den ersten Blick kein Platz zu sein. Schon Jovetic kommt derzeit kaum zum Zug und äußerte sich unzufrieden über sein Reservistendasein.
Daher könnte ein Wechsel auf Leihbasis im Winter Guidettis Problematik Abhilfe schaffen. So hat der FC Liverpool angeblich bereits seine Fühler ausgestreckt, doch für den Stürmer ist es wichtig, dass er erst mal wieder richtig fit wird.
Zurück zu alter Form
Danach wird man sich in seinem Umfeld zusammensetzen und beraten. Unter dem Ex-Coach Roberto Mancini genoss Guidetti hohes Ansehen. Pellegrini hat sich zu ihm bisher noch nicht geäußert. Das könnte sich allerdings ändern, wenn er wieder in Form kommt und in der Reserve seine Tore erzielt.
"Hätte ich mir diesen Virus nicht eingefangen, wäre ich jetzt fester Bestandteil von Citys A-Mannschaft", sagt Guidetti vor einiger Zeit. Keine Frage, Talent besitzt er. Und wenn er gesund bleibt, kann er vielleicht alsbald wieder eine große Nummer werden. Doch eins macht John Guidetti sicherlich nicht: "Hühnerfleisch? Nein, das esse ich garantiert nicht mehr."
John Guidetti im Steckbrief