Als Sieger des Asien-Cups darf Katar drei Jahre vor der Heim-WM an der Copa America (ab Samstag Nacht live auf DAZN) teilnehmen. Zuletzt erlebte die Mannschaft einen erstaunlichen Aufschwung: verantwortlich dafür sind ein ehemaliger Barcelona-Trainer und Spieler mit einem ähnlichen Werdegang.
Beim FC Barcelona bilden sie sich bekanntlich viel ein auf ihre ganz besondere DNA und das auch absolut zurecht: keine Spielphilosophie prägte den Weltfußball des vergangenen Jahrzehnts schließlich intensiver als die katalanische. Sie verhalf mes que un club zu Erfolgen. Mehr als einem Klub - unter anderem gar einer ganzen Nation: Katar.
"Felix Sanchez, champion in the Asia Cup with Barca DNA", titelte die offizielle Vereinshomepage des FC Barcelona am 1. Februar 2019. Katar hatte unter dem ehemaligen Barcelona-Jugendtrainer Felix Sanchez erstmals den Asien-Cup gewonnen.
Die Verbindungen zwischen Katalonien und Katar sind schon länger intensiv: zwischen 2013 und 2017 prangte für jährlich rund 65 Millionen Euro der Schriftzug Qatar Airways auf Barcelonas Trikot. Trainer-Ikone Pep Guardiola ließ einst seine Karriere bei Al Ahli ausklingen und fungiert aktuell als Botschafter der WM 2022. Mittelfeld-Ikone Xavi Hernandez spielte bis zuletzt bei Al Sadd und wechselt nun in den Trainerstab.
Den größten Einfluss hat aber Felix Sanchez: 42 Jahre, geboren in Barcelona, aufgewachsen mit der Barca-DNA, Erfolgsgarant von Katar.
Felix Sanchez: Aspire Academy statt La Masia
Sanchez wollte stets lieber trainieren lassen als selbst trainieren. 21 war er, als er seinen ersten Trainerposten in Barcas Nachwuchsabteilung antrat. La Masia! Zehn Jahre lang sollte er bleiben und in verschiedensten Rollen arbeiten. Mit Sergi Roberto, Gerard Deulofeu und Martin Montoya trainierte er einige spätere Barcelona-Profis.
2006 aber verließ er aber seine Stadt, seinen Verein und übersiedelte nach Katar: Aspire Academy statt La Masia. Erst zwei Jahre zuvor wurde dieses unvorstellbar große und erschreckend moderne Zentrum der Talentsichtung und -entwicklung eröffnet. Fast von Beginn an wirkte Sanchez also mit und half, in Katars Hauptstadt Doha die Barca-DNA zu installieren. Sein folgender Aufstieg verlief parallel mit dem der Fußballnation Katar.
gettyAsien-Cup-Siege mit der U19 und der A-Nationalmannschaft
2012 übernahm Sanchez die U19-Nationalmannschaft und führte sie bald zum erstmaligen Gewinn des Asien-Cups. Kurz darauf wurde er U20-, dann U23- und 2017 schließlich A-Nationalmannschafts-Trainer. Damit beendete er eine muntere Rotation auf dem Posten und führte Katar seitdem in der FIFA-Weltrangliste von Platz 102 auf 55.
Wohl keiner kennt die Fähigkeiten der katarischen Fußballer so gut wie Sanchez. Viele seiner Spieler gingen schließlich den gleichen Weg wie er, den gemeinsamen Weg von der Aspire Academy bis in die A-Nationalmannschaft. Viele debütierten unter ihm für diverse U-Nationalteams. "Wir haben eine gute Gemeinschaft", sagt Sanchez. Die vorläufige Krönung war der Sieg beim Asien-Cup Anfang 2019. Er sagt vieles aus über diese Mannschaft, die Spieler und ihren Trainer.
Katars Weg zum Asien-Cup-Titel 2019
Runde | Gegner | Ergebnis |
Gruppenphase | Libanon | 2:0 |
Gruppenphase | Nordkorea | 6:0 |
Gruppenphase | Saudi-Arabien | 2:0 |
Achtelfinale | Irak | 1:0 |
Viertelfinale | Südkorea | 1:0 |
Halbfinale | Vereinigte Arabische Emirate | 4:0 |
Finale | Japan | 3:1 |
Katars Spielweise: Barca-DNA, aber pragmatischer
Sanchez trägt zwar die Barca-DNA in sich und weiter, aber pragmatischer. Dieser Aspekt ist der zusätzliche Schuss Sanchez. Die defensive Absicherung ist ihm wichtiger, als sie Barcelona ist. In den sieben Turnierspielen bis zum Asien-Cup-Titel kassierte Katar lediglich ein einziges Gegentor, beim 3:1-Finalsieg gegen Japan. Die Gegentorlos-Serie bis dahin war die längste in der Geschichte des Wettbewerbs.
Pragmatisch ist auch die generelle Ausrichtung, Sanchez passt die Taktik optimal an den jeweiligen Gegner an. Im Halbfinale dominierte Katar mit 70 Prozent Ballbesitz gegen die Vereinigten Arabischen Emirate, im Finale gegen Japan waren es dagegen unter 40 Prozent. Locker gewonnen wurden beide Spiele. Katar kann Ballbesitz, Katar kann aber auch Konter. "Wir haben mit einer wohldurchdachten Taktik gespielt und die Schwächen des Gegners ausgenutzt und ihn eingeschränkt", sagte Sanchez neulich in einem Interview mit fifa.com über den Finalsieg.
Im Angriffsspiel hängt vieles von einem Duo ab: Stürmer Almoez Ali und Linksaußen Akram Afif. Von den 19 Treffern auf dem Weg zum Titel erzielte Ali neun, Afif legte elf auf.
Aspire Academy, Eupen, Al Sadd und Al Duhail
Stürmer Ali ist einer von sieben Spielern, die im Finale gegen Japan in der Startelf standen und neben der katarischen Staatsbürgerschaft noch eine zweite besitzen (er und drei weitere die des Sudan). Einige davon sind im Ausland geboren, andere Söhne von Immigranten. Katar selbst hat rund 2,7 Millionen Einwohner, jedoch nur etwa ein Zehntel davon besitzt auch einen katarischen Pass. Darunter aber selbstverständlich die vielversprechendsten Talente.
Fünf der elf Startelf-Spieler aus dem Finale standen im Laufe ihrer Karriere bereits bei KAS Eupen unter Vertrag. Einem belgischen Erstligisten, der seit 2012 der Aspire Zone Foundation gehört. Aspire ist der Kern des katarischen Fußballkosmos. In der Academy werden die Spieler ausgebildet, beim Partnerklub Eupen gewöhnen sie sich an die europäische Wettkampfhärte - und dann kehren sie in die wahre (oder die vermeintliche) Heimat zurück. Entweder zu Al Sadd oder zu Al Duhail.
Zehn der elf Startelf-Spieler sind aktuell für einen der beiden besten Klubs des Landes aktiv. Mit deutlichem Abstand wurden Al Sadd und Al Duhail in der vergangenen Saison Meister und Vizemeister. Sie sind die Aushängeschilder der nationalen Qatar Stars League. Dank der beiden großen Vereinsblöcke kennen sich die Nationalspieler bestens, auf und abseits des Platzes.
gettyFelix Sanchez verlängerte bis zur Heim-WM 2022
Die meisten aktuellen Schlüsselspieler sind Anfang bis Mitte 20. Ihr nächster vorgesehener Entwicklungsschritt ist eine Rückkehr nach Europa. Dann aber nicht in den geschützten Raum Eupen, sondern hinaus in die freie Wildbahn. "Ich bin überzeugt, dass viele von ihnen mittlerweile geeignet sind, in Europa als Profis zu spielen", sagte Sanchez.
Als nächste Präsentationsplattform dient den Spielern die anstehende Copa America, an der Katar genau wie der unterlegene Asien-Cup-Finalist Japan auf Einladung teilnehmen darf. In der Gruppenphase geht es gegen Paraguay (Auftaktspiel am Sonntag, 21 Uhr live auf DAZN), Argentinien und Kolumbien. "Ich hoffe, dass die Spieler bei der Copa America mit starken Leistungen Interesse bei europäischen Klubs wecken", sagte Sanchez. "Wenn es dazu kommt, werden alle profitieren."
Vor allem Sanchez selbst, denn er teilt seine Zukunft mit seinen langjährigen Spielern. Vor wenigen Wochen verlängerte er seinen Vertrag bis zur Heim-WM 2022. Assistieren wird ihm ab sofort sein jüngerer Bruder Fran, der zuletzt die Frauenmannschaft des FC Barcelona trainierte. Das nächste Stück Barca-DNA in Katar.