WM 2022 - Katars Hoffnungsträger Almoez Ali: Retter vor Peitschenschlägen

Nino Duit
16. November 202213:38
SPOXgetty
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Almoez Ali gilt als Katars größte WM-Hoffnung: Bevor der Stürmer in seiner Heimat zum Star avancierte, sammelte er bei Katars europäischen Kooperations-Klubs Erfahrungen - unter anderem in Österreich beim LASK aus Linz.

Für seine 26 Jahre hat Almoez Ali schon einige beachtliche Erfolge vorzuweisen: Mit dem al-Duhail SC gewann er mehrmals die katarische Meisterschaft und einmal den Pokal, er schoss seine Nationalmannschaft 2019 zum Asien-Cup-Sieg - und er bewahrte den heutigen Ersatzkeeper des VfL Wolfsburg Pavao Pervan vor der katarischen Gerichtsbarkeit. Es passierte in der Saison 2015/16 bei einem Trainingslager ihres damaligen Klubs LASK in Doha.

"Kurz vor Trainingsbeginn musste ich auf einmal dringend aufs Klo", erzählt Pervan bei SPOX und GOAL. "Weil es in der Nähe aber keines gab, bin ich in eine Ecke neben dem Platz gegangen. Ich hatte mir schon die Hose runtergezogen, da kam Almoez hergelaufen und schrie: 'No, my friend, don't do this, don't do this! Wenn du das hier machst, kriegst du Peitschenschläge und wirst des Landes verwiesen.' Sofort war es gar nicht mehr dringend und meine Hose wieder oben."

Als Almoez Ali zu Pervans Retter avancierte, war der Stürmer gerade 19 Jahre alt. Die Reise zum Trainingslager nach Doha mit dem LASK war für ihn eine kurze Rückkehr dorthin, wo für ihn alles begann: in die Aspire Academy. Ali ist einer der aktuell besten Fußballer seines Landes - und hat einen katarischen Vorzeige-Werdegang hinter sich.

Alis typischer Weg: Aspire Academy, Eupen, LASK, Leonesa

Wie bei etlichen seiner Nationalmannschafts-Kollegen liegen auch Alis Wurzeln außerhalb Katars. Von den 2,7 Millionen Einwohnern besitzen tatsächlich nur rund 300.000 einen katarischen Pass. Ali wurde in der sudanesischen Hauptstadt Khartum geboren, übersiedelte mit seinen Eltern aber schon als Kind in das kleine Emirat am Persischen Golf. Schnell zeigte sich dort sein immenses fußballerisches Talent, also wurde er in die Aspire Academy aufgenommen.

Die topmoderne Anlage ging 2004 in Betrieb, längst wird sie von Top-Klubs wie dem FC Bayern München regelmäßig als Trainingslager-Niederlassung genutzt. Die Aspire Academy ist eines von vielen Sportswashing-Standbeinen Katars. Genau wie die Ausrichtung von internationalen Sport-Veranstaltungen oder die kostspielige Alimentierung von Paris Saint-Germain soll sie das weltweite Image des wegen Menschenrechtsverletzungen umstrittenen Landes verbessern.

Ursächlich dient die Aspire Academy der Förderung der vielversprechendsten Nachwuchs-Athleten Katars. Weil gerade für die Entwicklung in einem Mannschaftssport wie Fußball auch ein ordentlicher Wettkampf unumgänglich ist, wurden kurzerhand zwei europäische Klubs übernommen: der belgische Erstligist KAS Eupen und der spanische Drittligist Cultural Leonesa. Dazu kommen weitere Kooperations-Klubs, zeitweise unter anderem auch der LASK.

Hintergund: Die Verflechtungen zwischen Katar, Senegal und KAS Eupen

Alis Weg: Nachdem er seine Grundausbildung an der Aspire Academy abgeschlossen hatte, spielte er eine Saison lang für Eupens U19, sammelte ein halbes Jahr erste Profi-Erfahrungen beim damals zweitklassigen LASK in Österreich und verbrachte anschließend noch einige Monate bei Leonesa, um nach insgesamt zwei Spielzeiten in Europa gestärkt nach Katar zurückzukehren. Seit 2016 spielt er in der Nationalmannschaft und für al-Duhail, wo er mittlerweile Top-Torjäger und Kapitän ist.

Almoez Ali: Seine Profi-Stationen

ZeitraumKlubLand/LigaPflichtspieleToreAssists
2015LASKÖsterreich/2. Liga913
2016Cultural LeonesaSpanien/3. Liga101-
seit 2016al-Duhail SCKatar/1. Liga1635047

Almoez Ali beim LASK: "Sehr, sehr lieber Kerl"

Auch während seiner Zeit in Europa wurde Ali von der Aspire Academy intensiv betreut. Katarische Mitspieler hatte er sowieso bei jeder seiner Stationen, beim LASK stand ihm und seinem damals ebenfalls in Linz spielenden heutigen Nationalmannschafts-Kollegen Assim Madibo darüber hinaus ein eigener Betreuer der Aspire Academy zur Seite.

Isoliert war Ali laut seines damaligen Mitspielers Pervan deshalb aber nicht: "Obwohl er kein deutsch und kaum englisch sprach, war er gut in die Mannschaft integriert. Große Konversationen waren mit ihm zwar nicht möglich, aber man hat immer seine positive Art gespürt. Er hat mit seinen freundlichen Augen und seinem Lächeln gesprochen." Ein "sehr, sehr lieber Kerl" sei Ali gewesen: "Ehrgeizig, wissbegierig, bodenständig, demütig." In seiner Freizeit habe er gerne fotografiert: "Immer wieder hat er mir Fotos gezeigt, die er geschossen hat."

Fotos schoss Ali in Linz jedenfalls mehr als Tore, in neun hauptsächlich kurzen Einsätzen gelang ihm lediglich ein Treffer. Sein Potenzial erkannte Pervan dennoch: "Almoez war sehr wendig, schnell und mutig im Eins-gegen-eins. Ich habe ihm schon damals eine große Karriere zugetraut." Akuten Nachholbedarf hatte Ali lediglich im Defensivverhalten, "vor allem im Umschaltspiel, auf das Trainer Oli Glasner großen Wert gelegt hat".

Bereits nach einem halben Jahr endete Alis Zeit in Linz jedoch abrupt. Laut eines LASK-Statements, das der österreichischen Nachrichtenagentur APA vorliegt, habe die Aspire Academy auf "eine (nicht erfüllbare) Stammplatzgarantie bestanden." Die Kooperation wurde aufgelöst und Ali sowie sein Landsmann Madibo zogen zu Leonesa weiter, wo sie erneut nicht über die Rolle der Ergänzungsspieler hinauskamen.

Mit neun Treffern schoss Almoez Ali Katar 2019 zum sensationellen Gewinn des Asien Cups.imago images

Almoez Ali schoss Katar zum Asien-Cup-Sieg

Erst nach seiner Rückkehr in die Heimat blühte Ali richtig auf - bei seinem neuen Klub al-Duhail, vor allem aber in der Nationalmannschaft. In 85 Länderspielen gelangen ihm 42 Tore, neun davon beim sensationellen Gewinn des Asien Cups 2019. Im Finale gegen Japan traf er per Fallrückzieher zum vorentscheidenden 1:0. Den Pokal gab es zunächst aber nur unter Vorbehalt, weil die im Halbfinale geschlagenen Vereinigten Arabischen Emirate Einspruch gegen die Spielwertung legten.

Die VAE stellten die Einsatzgenehmigung von Ali und seinem Kollegen Bassam Al-Rawi mit Wurzeln im Irak in Frage. Um für das Nationalteam spielberechtigt zu sein, muss laut FIFA-Statuten entweder der Spieler selbst, ein Elternteil oder ein Großelternteil im jeweiligen Land geboren sein oder der Spieler nach Vollendung seines 18. Lebensjahres mindestens fünf Jahre durchgehend in dem Land gewohnt haben.

Letzteres traf wegen seiner Zeit in Europa auf Ali nicht zu. Dass seine Mutter wie von ihm behauptet tatsächlich in Katar geboren wurde, zweifelten die VAE an. Die FIFA entschied letztlich zu Gunsten Katars. Titel und Alis Spielberechtigung blieben bestehen.

Almoez Ali: Im Zweifel lieber Real Madrid

Als Asien-Cup-Sieger wurde Katar im Sommer 2021 zum nordamerikanischen Gold Cup eingeladen. Wieder war auf den Turnier-Spezialisten Ali Verlass: Mit vier Treffern schoss er seine Mannschaft bis ins Halbfinale, wo es eine knappe Pleite gegen die USA setzte.

Zuletzt blieb Ali in der Nationalmannschaft fast ein Jahr lang torlos, ehe er beim letzten Freundschaftsspiel gegen Albanien zum entscheidenden 1:0 traf. Der Test war Teil einer monatelangen WM-Vorbereitung in Österreich und Spanien, bei der Trainer Felix Sanchez Bas sämtliche Nationalspieler zur Verfügung standen.

Möglich war das, weil sie alle in Katar unter Vertrag stehen. Auch Ali, dessen großer Traum somit bisher unerfüllt blieb. "Eines Tages möchte ich für einen der großen spanischen Klubs spielen", sagte er während seiner Zeit bei Leonesa. "Welcher der beiden ist mir egal. Aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich Real Madrid nehmen."

Katar bei der WM 2022

SpieltagDatumGegner
1.20.11., 17 UhrEcuador
2.25.11., 14 UhrSenegal
3.29.11., 16 UhrNiederlande