Schon vor dem Remis des 1. FC Köln in Nizza überschatten Krawalle den Abend. Mindestens ein Fan ist in kritischem Zustand, dieser ist entgegen erster Annahmen wohl kein Deutscher. Am Freitag reagierte die Polizei.
Aus dem erhofften Feiertag an der Cote d'Azur wurden dunkle Stunden für den 1. FC Köln - am Ende standen ein sportliches Remis und viele offene Fragen zu den schlimmen Krawallen. Der Bundesligist kam in seinem ersten Gruppenspiel der Conference League zu einem 1:1 (1:0) bei OGC Nizza (das Spiel im LIVETICKER zum Nachlesen), der Ausgang des Spiels war aber schon vor dem Anpfiff in den Hintergrund gerückt.
Es sei "nicht einfach" gewesen, "den Fokus wieder auf den Fußball zu richten", sagte Kölns Assistenztrainer Andre Pawlak, der den gesperrten Steffen Baumgart vertrat.
Ein Fan befand sich in äußerst kritischem Zustand, insgesamt 32 Anhänger beider Seiten wurden verletzt, vier mussten im Krankenhaus behandelt werden. Anders als zuerst angenommen soll es sich bei dem besonders schwer betroffenen Mann nicht um einen Deutschen handeln. Zudem soll ein Köln-Ultra mit einem Messer verletzt worden sein.
Polizei Köln: Hinweisportal geschaltet
Die Kölner Polizei hat inzwischen ein Hinweisportal geschaltet. Zeugen, die Fotos oder Handy-Videos gefertigt haben, werden gebeten, diese im Portal hochzuladen.
"Es wird einmal mehr deutlich, dass wir Gewalttäter von den Stadien fernhalten müssen. Die Videoaufzeichnung, auf der der Sturz eines Zuschauers von der Tribüne geradezu bejubelt wird, macht mich fassungslos", sagte Kölns Polizeipräsident Falk Schnabel. Man werde "alles daransetzen, dass sich die Szenen von Nizza in unserer Stadt nicht wiederholen. Mit dem 1. FC Köln gab es bereits einen ersten Austausch. Der Verein hat zugesagt, die Polizei Köln bei der Aufklärung der Vorfälle vollumfänglich zu unterstützen", so Schnabel.
Keller: Chaoten? "Mir fallen nur Schimpfwörter ein"
"Wir sind fassungslos, wir wollten ein friedvolles Fußballfest feiern, alles war vorbereitet", sagte Kölns Geschäftsführer Christian Keller bei RTL+. Er wisse nicht, ob das Wort "Chaoten" ausreiche, "mir fallen nur Schimpfwörter dazu ein. Ich weiß nicht, was diese Leute hier verloren haben".
Der schwer verletzte Fan war im Zuge der Ausschreitungen aus fünf Metern Höhe aus dem zweiten Rang gefallen, das berichtete AFP. Erst später wurde klar, dass es sich nicht um einen Anhänger des Bundesligisten handelte. Er sei "tatsächlich ein Franzose, ein Pariser Fan", der sich im Gästeblock aufgehalten habe, sagte ein Behördensprecher der AFP: "Er leidet an einem Schädel- und Brusttrauma."
Wie die Nachrichtenagentur außerdem meldete, waren zu Beginn der Auseinandersetzungen einige Hundert der mehr als 8000 mitgereisten Kölner Fans auf eine Tribüne der Heimfans vorgedrungen.
Unklare Lage: PSG-Hooligans involviert?
Laut Keller war die Lage allerdings undurchsichtiger: "Nach meinem Informationsstand, mit dem man sehr vorsichtig sein muss, sind zuerst Hooligans aus Nizza in unseren Fanblock eingedrungen." Zudem seien teilweise "Hooligans aus Paris" im Kölner Lager unterwegs gewesen - diese Darstellung deckte sich mit AFP-Informationen. Auch hätten Ultras von Nizzas Erzrivalen Paris St.-Germain im Kölner Block ein provokantes Banner entrollt.
Keller nahm indes auch die beteiligten Kölner Fans ins Visier: "Man muss dafür sorgen, dass diese Leute nie, nie wieder ins Stadion kommen, zumindest nicht in unseres."
FC-Kapitän Jonas Hector hatte in einer Durchsage noch vor 19 Uhr einige Worte an die Fans im Stadion gerichtet. "Wir haben richtig Bock, das Spiel mit euch zu bestreiten", sagte er, "wir wollen auch, dass das Spiel stattfindet. Aber wir müssen sagen, dass wir sowas nicht gutheißen."
Er bat die Anhänger: "Behaltet die Nerven, bleibt ruhig, unterstützt uns, so gut es geht. Das ist das, was der Verein auch will. Dass wir zusammenstehen und in Frieden einfach den Fußball feiern und nicht die Gewalt."
Nizzas Bürgermeister spricht von "skandalösem Verhalten"
Der 1. FC Köln und auch die Fans hatten zuvor tagelang dem Start in die Gruppenphase der Conference League entgegengefiebert, für den FC war es die Rückkehr auf die europäische Bühne nach fünf Jahren.
Etwa 8000 Fans hatten Tickets für die Begegnung, rund 12.000 waren mitgereist und zogen schon mittags lautstark, aber friedlich durch die Stadt - machten sich dabei aber nicht nur Freunde.
Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi twitterte am Nachmittag Bilder von Müllhaufen aus der Innenstadt, prangerte das "skandalöse Verhalten" der Gästefans an und kündigte an, dem FC die Rechnung für die Reinigung und eventuelle Reparaturen zu schicken.
Nach der Partie veröffentlichte OGC Nizza ein offizielles Statement, in dem man die Schuld für die Eskalation den Kölnern zuschob. Diese seien die Aggressoren gewesen und man sei fassungslos "über diesen Gewaltausbruch, obwohl man alles getan hat, um die Fans des FC Köln unter den bestmöglichen Bedingungen zu empfangen".
Auch Nizza-Trainer Lucien Favre stellte nach der Partie fest: "Unsere Fans sind nicht für die Vorfälle verantwortlich. Sie haben sich einwandfrei verhalten." Daher glaubt der ehemalige BVB-Coach auch nicht an einen Ausschluss seiner Mannschaft: "Das wäre unfair. Das wäre sehr unfair."