Vor eineinhalb Jahren spielte Matija Nastasic noch in der serbischen 2. Liga. Heute ist der Abwehrspieler Hoffnungsträger bei Manchester City und der Nationalmannschaft Serbiens, wo er Seite an Seite mit Nemanja Vidic spielt. Über Fußball will er mit seinem Kapitän aber nicht sprechen.
Eigentlich war Matija die Situation nicht fremd. Fast genauso hatte er es schon einmal erlebt. Und es ging zu seinen Gunsten aus. Er wusste: Gelingt mir dieses Kunststück erneut, bin ich Jemand. Dann bin ich nicht mehr der einzige Unbekannte unter den vielen großen Namen.
Es war an einem der Abende vor dem Blockbuster in der Champions League zwischen Real Madrid und Manchester City. Roberto Mancini musste eine Lösung finden, um im Estadio Bernabeu zu bestehen. Er sah, wie Real zuvor schon in der Liga Probleme hatte und sportlich im Schlamassel steckte.
Klar, vorne mussten quirlige Leute her, um Reals anfällige Außenpositionen unter Druck zu setzen. Aber auch hinten musste eine andere Gangart an den Tag gelegt werden. Gonzalo Higuain, Cristiano Ronaldo und Angel di Maria nur auf den Füßen stehen würde nicht reichen.
Daher mussten Spieler auf dem Feld stehen, die selbst schnell genug sind: sowohl im Antritt, als auch in Gedanken. Joleon Lescott ist ein starker Verteidiger, aber nicht der Schnellste, dachte sich Mancini. Und entschied sich für Matija Nastasic als Defensivoption.
Dank Ibrahimovic zum Shootingstar
Vor fast genau einem Jahr hatte Roberto Mancinis Landsmann Delio Rossi die gleiche Idee, als er in seinem ersten Spiel als Trainer des AC Florenz das starke Milan vor der Brust hatte. Rossi brachte in seiner neu ausgetüftelten Dreierkette den bis dahin unbekannten Nastasic. Der damals 18-Jährige legte eine astreine Leistung hin und schaltete unter anderem Zlatan Ibrahimovic völlig aus.
Am nächsten Tag musste sich Ex-Florenz-Trainer Sinisa Mihajlovic Fragen gefallen lassen, warum er dieses Juwel nicht vorher schon für seine Stammelf entdecken konnte, zumal dieser sein Landsmann ist. Dass Mancini nun ein Jahr später mehr Vertrauen in den unbekannten Serben hatte, warf nun Fragen in England auf.
"Viele sagten, es wäre sehr mutig vom Trainer, dass er auf Matija setzt. Aber das ist kein Mut, sondern einfach sehr großes Vertrauen", sagte Mancinis Assistent David Platt. Zwar verlor Manchester City mit 2:3, weil man die Schlussminuten verschlief, aber Nastasic überzeugte. Wie damals eben gegen Ibrahimovic.
Überrascht von ManCity-Interesse
Dass er vor Karim Benzemas Tor zum 2:2 vielleicht hätte anders reagieren können, sei mal dahin gestellt. Aber der Auftritt des jungen Verteidigers war vielversprechend, sodass Platt hinterher voller Überzeugung war, dass Nastasic "bereit" ist. Bereit für Manchester City. Bereit für die große Fußball-Welt.
Inzwischen hat er weitere Einsätze folgen lassen, so dass auch der Letzte, der sich fragte, weshalb Manchester City über 15 Millionen Euro für einen Spieler ausgibt, der bis zu seiner Ankunft beim Big Player der Premier League nur 55 Pflichtspiele absolvierte - davon 21 alleine in der 2. Liga Serbiens, allmählich einen Sinn erkennt.
Am Deadline-Day, am letzten Transfertag, holte ManCity das Talent aus Florenz. Er war einer von fünf Spielern, deren Rechte sich die Citizens am Finaltag sicherten. Er war der Unbekannteste. Und er war selbst überrascht, dass Manchester City plötzlich Interesse hatte.
"Ich habe 15, 20 Tage vor meinem Wechsel erst vom Interesse gehört", sagt Nastasic. "Ich habe nicht erwartet, dass mich so ein großer Klub aus so einer großen Liga will, nachdem ich erst nur ein Jahr bei Florenz gespielt habe." Für Mancini war das kein Grund, um nicht zuzuschlagen.
"Nastasic wird zu den besten Spielern gehören - für eine lange Zeit", glaubt der Italiener, der eine tragende Rolle bei diesem Transfer spielte.
Entdeckt in der 2. Liga
Denn Mancini hat ein Faible für Spieler aus seiner Heimatliga. Regelmäßig werden neue - vor allem junge - Spieler mit ManCity in Verbindung gebracht, weil Mancini ständig vor Ort scouten lässt. Selbst ein Mann wie Alessio Cerci, der seit Jahren vergeblich auf seinen Durchbruch wartet, landete fast bei ManCity, nachdem er zwei Traumtore innerhalb kürzester Zeit erzielte und plötzlich ein Angebot vom Mancini-Klub hatte.
Schon die Gerüchte verwunderten in Italien. Nicht so bei Nastasic, der kurze Zeit, bevor er unter die Fittiche Mancinis kam, auch bei Manchester United im Gespräch und spätestens seit seiner Ibrahimovic-Gala in aller Munde war und dem schnell eine große Karriere nachgesagt wurde.
Schnell ist das richtige Signalwort in Nastasic' Karriere. Nicht nur, dass der Serbe trotz seiner 1,87 Meter Körpergröße überraschend schnell und wendig ist - auch der Karriereverlauf verläuft im verblüffenden Eiltempo.
Groß geworden in der berühmten Jugendakademie Partizan Belgrads, die Spieler wie Predrag Mijatovic, Savo Milosevic, Sasa Ilic oder zuletzt Stevan Jovetic und Adem Ljajic groß herausbrachte, hat Nastasic den Durchbruch zu den Profis nicht geschafft.
Wie üblich in diesem Fall parkte Partizan sein Talent beim Farmklub FK Teleoptik Zemun. Dieser Weg diente einigen Partizan-Spielern als Sprungbrett für die spätere Profi-Karriere. Bei Nastasic war es nicht anders.
Pantaleo Corvino, damals Sportdirektor der Fiorentina, bekam dank seiner sehr guten Kontakte in den Balkan einen heißen Tipp, dass ein junger Verteidiger für Furore sorgt. Corvino, der schon Jovetic und Mirko Vucinic nach Italien lotste, folgte dem Ruf und sah sich Nastasic mehrmals an. Kurze Zeit später saß das Duo im Flieger nach Florenz, um den Transfer perfekt zu machen.
Spezialität: Dreierkette
Der Plan, Nastasic bei einem Klub aus der Serie B zu parken, scheiterte. Stattdessen fand sich der Neue schnell in der Profi-Mannschaft, weil Verletzungen und Formschwankungen neue Alternativen einforderten.
Dass Mancini in dieser Phase auf Nastasic aufmerksam wurde, kommt nicht von ungefähr. Der City-Coach scoutet nicht nur nach neuen Spielern, sondern auch nach neuen Systemen. Dass Nastasic gemeinsam mit Gamberini und Natali in der Dreierkette fungierte und funktionierte, aber dann auch mal als Linksverteidiger Qualitäten offenbarte, gefiel dem Taktikfanatiker Mancini.
Dieser ließ es sich nicht nehmen, Nastasic auch bei ManCity in der Dreierkette zu testen. Flankiert von Lescott und Kolo Toure spielte er im League Cup gegen Aston Villa in dieser Formation. Allerdings verloren die Citizens mit 2:4 und flogen aus dem Wettbewerb.
Verändert hat es am Status Nastasic' nichts, zumal er in der Rotation weit aufgestiegen ist. Zum Leid anderer bisheriger Größen wie Kolo Toure, der nicht einmal für die Champions League gemeldet wurde. "Joleon und Vincent spielen fantastisch und verdienen einen Stammplatz", sagt der Ivorer. "Aber ist sehr schwierig, wenn einer junger Spieler kommt und dich überholt."
Auf der Überholspur ist Nastasic auch in der Nationalmannschaft. Dort ist ausgerechnet Sinisa Mihajlovic nun Nationaltrainer und im Gegensatz zu Florenzer Zeiten ist Nastasic dieses Mal gesetzt. In der aktuellen Qualifikation zur WM 2014 spielte Nastasic alle Spiele durch. "Ich hoffe, dass ich bei Manchester City oft genug spiele, damit ich meinen Platz in der Nationalmannschaft nicht verliere", sagt der junge Verteidiger.
Mit Vidic über "Gott und die Welt"
Reifen kann er an der Seite von Kapitän Nemanja Vidic, als dessen Nachfolger Nastasic gehandelt wird.
Spätestens als Manchester City mit der offiziellen Anfrage bei Nastasic vorstellig wurde, hätte es Sinn gemacht, bei Vidic anzurufen, um sich Informationen zu holen, wie es denn so sei in der Premier League. Aber Nastasic verzichtete - aus gutem Grund: "Ich habe mit Nemanja nicht gesprochen, weil mir die Rivalität zwischen ManCity und ManUnited bewusst ist."
Man könne mit Vidic "über Gott und die Welt sprechen, aber nicht über Fußball", sagt Nastasic. Dass die Worte bei den City-Fans gut ankamen, erklärt sich von selbst. Für fünf Jahre hat Nastasic bei City unterschrieben, fünf Jahre, um Mancinis Ankündigung, Nastasic werde einer der Besten, gerecht zu werden. Trotz des Tempos, das er bisher hinlegt, will er nichts überstürzen.
"Als ich neu in Italien war, habe ich Zeit benötigt. Das gilt auch für hier, das ist klar. In England wird anders Fußball gespielt, alleine schon deswegen benötige ich Zeit", sagt Nastasic. Zeit, die man ihm geben will. Mehr Zeit als für Stefan Savic.
Der Montenegriner, ebenfalls mit Partizan-Vergangenheit, konnte sich nicht behaupten und verkam schließlich zum Tauschobjekt beim Nastasic-Deal mit Florenz. Für Nastasic eine Warnung, wie schnell es gehen kann - nach oben, aber auch nach unten.
Matija Nastasic im Steckbrief