Soll Löw Hummels, Müller und Boateng zum DFB-Team zurückholen? Das Pro und Contra

Dennis MelzerFilippo Cataldo
19. November 202018:56
Die Ausbootung von Mats Hummels, Thomas Müller und Jerome Boateng bringt Joachim Löw noch immer in Erklärungsnot.imago images / DeFodi
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Spätestens nach dem Desaster von einem Länderspiel, dem 0:6 gegen Spanien, wurden die Rufe nach einer Rückkehr des vom Bundestrainer im März 2019 ausgebooteten Weltmeister-Trios Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller wieder laut. Zwei Redakteure diskutieren, ob das sinnvoll wäre.

PRO Rückkehr: Löws Fehlereinsicht würde von Stärke zeugen

Von Dennis Melzer

Die Rufe nach einer Rückkehr von Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller kamen seit ihrer Ausbootung regelmäßig. Sie fielen einst gedämpft aus, nach dem 0:6 in Spanien schallen sie jedoch lauter denn je durch Fußball-Deutschland.

Der Appell, der nicht nur von Fans, sondern mittlerweile auch intensiv von Ex-Nationalspielern und Experten in Richtung Joachim Löw gerichtet wird, ist vollkommen nachvollziehbar. Anderthalb Jahre nachdem der Bundestrainer dem langjährigen DFB-Dreigestirn die Türe vor der Nase zugeknallt hatte, muss man konstatieren: der forcierte Umbruch trägt keine Früchte - und wird es auf absehbare Zeit wohl auch nicht tun.

Der Nationalmannschaft fehlt es besonders in der Defensive eindeutig an adäquaten Alternativen, die Löws Schritt im März 2019 rechtfertigen würden. Sich dies endlich einzugestehen, würde nicht von Schwäche oder einer Fähnchen-im-Wind-Mentalität zeugen. Ganz im Gegenteil: Fehler macht jeder. Die Kunst liegt darin sich selbstkritisch mit seinen Entscheidungen auseinanderzusetzen und sie zu revidieren, falls es notwendig ist.

Im Falle von Hummels, Boateng und Müller wäre ein solches Umdenken notwendig. Wenn man offensichtlich in einigen Mannschaftsteilen nicht über die Qualität verfügt, die man selbst für sich beansprucht, andererseits aber drei hochwertige, potenziell einsetzbare Spieler verschmäht, lässt sich dies nur schwierig nach außen verkaufen. Kurz gesagt: Es trägt nicht unbedingt dazu bei, Rückendeckung bei den Fans zu generieren.

Das Trio mag zum Zeitpunkt des Löw'schen Aussortier-Exzesses, der dem WM-Debakel verspätet drei Gesichter geben sollte, nicht auf der Höhe seines Schaffens gewesen sein, eine kollektive Leistungsexplosion war damals nicht unbedingt absehbar. Es kam aber bekanntlich anders, Hummels wechselte zum BVB und ist dort unersetzlich, Müller avancierte zum Vorlagen-Rekordler und Boateng fand dank Hansi Flicks Vertrauen wieder in die Verteidiger-Weltspitze.

Dass Löw anderem Personal vertraut, ist sein gutes Recht. Dass er dafür kritisiert wird, nicht über seinen Schatten springen zu können, ist aber ebenfalls legitim. Verstummen werden die Rufe in nächster Zeit nicht.

Hummels, Boateng, Müller: Ihre Länderspielbilanz

NameLänderspieleTore
Mats Hummels705
Jerome Boateng761
Thomas Müller10038

CONTRA: Rückkehr des Trios würde Probleme eher noch verstärken

Von Filippo Cataldo

Die Art und Weise der Ausbootung von Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng aus der Nationalmannschaft war stillos und erfolgte im März 2019 zudem zum völlig falschen Zeitpunkt. Joachim Löw wurde damals völlig zu Recht hart dafür kritisiert. Dass der Bundestrainer jetzt aber grundsätzlich an seiner Entscheidung festhalten und das Trio nicht zurückholen möchte, ist nicht stur. Sondern konsequent und richtig.

Löw hat sich nach dem russischen WM-Desaster 2018 mit fast einem Jahr Verspätung bewusst für eine Verjüngung der Mannschaft entschieden. Die DFB-Führung geht diesen Weg mit und hat dabei "schmerzhafte Niederlagen" einkalkuliert, wie DFB-Präsident Fritz Keller am Tag nach dem 0:6 gegen Spanien auf der Verbands-Website bekräftigte.

Dass Keller in seinem Statement den Bundestrainer nicht erwähnte, verstärkt übrigens nur den Eindruck, dass es der sonst so irrlichternden DFB-Führung wirklich ernst ist mit ihrem Bekenntnis zum Umbruch und es ihr hier nicht um Personen, sondern wirklich um das Thema geht.

Wer ernsthaft glaubt, dass die spielerischen und spieltaktischen Unzulänglichkeiten der DFB-Elf allein durch die Rückkehr des Weltmeister-Trios gelöst werden können, der muss in seiner Betrachtung des Fußballs irgendwo in den späten 1990ern hängengeblieben sein. Das Gleiche gilt mit Blick auf die offensichtlichen Führungs-Defizite in der Mannschaft.

Der Ruf nach den drei vermeintlichen Heilsbringern ist zu einfach. Die Probleme des DFB-Teams liegen viel tiefer und sind komplexer, als dass sie durch vermeintliche Leitwölfe und Mentalitätstiere, durch Dazwischenhauen und Bock-umstoßen gelöst werden können.

Womöglich könnte eine Rückkehr des Trios diese Probleme für eine kurze Periode kaschieren, vielleicht sogar für die Dauer eines Turniers. Aber dann müsste schon alles optimal laufen. Zukunftsgewandt wäre das natürlich auf keinen Fall.

Ohnehin ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass eine Rückholaktion des Trios jegliche Struktur und Hierarchie dieser ohnehin schon ziemlich dysfunktionalen und fragilen Mannschaft zerstören würde.

Die Rückkehr des Trios wäre also nicht nur inkonsequent, sondern auch viel zu riskant. In einem Punkt haben die Befürworter einer Rückholaktion aber absolut recht: Die Abwehr genügt nicht allerhöchsten internationalen Ansprüchen, hinten fehlt es dem aktuellen DFB-Team an Personal, das für hohe Weihen reicht.

Hinten würde der Mannschaft ein Spieler mit internationaler Klasse und Erfahrung tatsächlich guttun. Betonung auf: ein Spieler. Ein Mats Hummels oder Jerome Boateng in Top-Form würden von der restlichen Mannschaft wahrscheinlich als Verstärkung wahrgenommen werden und nicht als Bedrohung.