Sie ist so etwas wie der weibliche Franz Beckenbauer. Als Spielerin gewann Steffi Jones praktisch alles, was es zu gewinnen gab - und auch nach ihrer aktiven Zeit tritt sie in die Fußstapfen des Kaisers: Seit 2008 ist die Weltmeisterin von 2003 Präsidentin des Organisationskomitees der Weltmeisterschaft der Frauen 2011 in Deutschland. Für den gleichen Job bei den Männern erhielt Beckenbauer 2006 das Bundesverdienstkreuz.
Vor dem Auftakt zur Europameisterschaft am Montag (Deutschland - Finnland, Mo., 16 Uhr im LIVE-TICKER) sprach SPOX mit Steffi Jones über ihre neue Aufgabe, die Probleme des Frauenfußballs im Allgemeinen und die Chancen der deutschen Mannschaft bei der EM.
SPOX: Frau Jones, Sie haben für die Frauen-WM nun den Job von Franz Beckenbauer im OK übernommen. Haben Sie sich schon Ratschläge vom Kaiser geholt?
Jones: Nein, das musste ich bisher noch nicht. Das liegt aber daran, dass das Team sehr gut vorbereitet ist und wirklich jeden nächsten Schritt kennt. Mir sind auch alle sehr wohlgesonnen, weil Sie eben wissen, dass ich jetzt die Aufgabe von Franz Beckenbauer übernommen habe und der hat sehr gut vorgearbeitet.
SPOX: Aber wenn es Probleme geben sollte, haben Sie die Handynummer und könnten kurz nachfragen?
Jones: Das könnte ich. Es ist schon so, dass er, wenn wir uns treffen, seine Hilfe anbietet und er auch immer für die U-20-WM und die Frauen-WM wirbt. Wir sind sehr froh darüber, dass er uns unterstützt und helfen möchte, wenn Not am Mann ist. Letztlich versuche ich aber schon, meine Aufgabe mit meinen eigenen Mitteln zu erledigen.
SPOX: Was genau macht eine OK-Präsidentin den ganzen Tag?
Jones: Nur rumalbern (lacht). Nein, es ist so, dass ich am operativen Geschehen teilhaben möchte. Ich musste in den letzten eineinhalb Jahren sehr viel lernen und bin dabei auch reifer geworden. Ich wusste am Anfang gar nicht, was so eine OK-Chefin eigentlich macht. Ich hatte keine Vorstellung von den Aufgaben. Es ist interessant und macht wahnsinnig Spaß. Es ist nicht nur die Botschafter-Rolle, in der ich in Deutschland und weltweit unterwegs bin, um für die WM zu werben. Ich kann und möchte auch mitentscheiden.
SPOX: Sie waren in Ihrer aktiven Zeit sowohl Weltmeisterin als auch Europameisterin. Jetzt sind Sie Präsidentin des OK für die WM 2011. Welcher Job ist denn nun spannender?
Jones: Die aktive Zeit war toll und ich möchte die auch nicht missen. Die Funktion, die ich jetzt ausüben darf, ist ein neuer Lebensabschnitt für mich und nicht unbedingt zu vergleichen. Es ist eine sehr große Ehre und ich bin ich sehr stolz drauf, OK-Präsidentin zu sein. Es ist halt einfach eine andere Aufgabe.
SPOX: Das Feld der nationalen Förderer für die WM 2011 ist bereits beachtlich. Was ist jetzt noch das größte organisatorische Problem?
Jones: Das größte Problem ist schon immer der Kartenverkauf, beziehungsweise die Stadien auch zu füllen. Wir wünschen uns natürlich, den Gästen aus aller Welt volle Stadien präsentieren zu können. Dieser Aufgabe stellen wir uns gern. Denn wir sehen darin auch die Chance, dem Mädchen- und Frauenfußball auch international einen entscheidenden Schub zu geben.
SPOX: Der Zuschauerschnitt in der vergangenen Frauen-Bundesliga-Saison war eher ernüchternd...
Jones: Ich denke nicht, dass das miteinander vergleichbar ist. Eine Weltmeisterschaft ist schließlich ein besonderes Ereignis und nur alle vier Jahre. Wir versuchen aber auch jetzt schon, die Frauen-Bundesliga und 2. Liga mitzunehmen und hoffen, dass diese nach der WM auch nochmals einen Schub bekommen. Außerdem wollen wir die vorhandenen Strukturen nachhaltig verbessern oder neu gestalten.
SPOX: Öffentlichkeitsarbeit und Marketing spielen dabei eine zentrale Rolle. Viele Nationalspielerinnen sind in der Öffentlichkeit aber nicht gerade als große Plaudertaschen bekannt. Wie zufrieden sind Sie mit deren Engagement bisher?
Jones: Früher war ich immer sehr kritisch und dachte: "Mensch, wären doch alle so wie ich, das wäre schön." Als Nationalspielerin hat man die Möglichkeit, positiv auf das Image des Mädchen- und Frauen-Fußballs einzuwirken. Auch hier gab es schon Entwicklungen, gerade auch durch die neue Teammanagerin Doris Fitschen, die die Nationalspielerinnen angesprochen hat, sich doch mehr in der Öffentlichkeit zu engagieren. Das ist auf jeden Fall erkannt worden. Doch man muss auch auf jede Spielerin einzeln eingehen. Die eine geht mehr aus sich heraus, die andere weniger. Da muss man einen Mittelweg finden.
SPOX: Der DFB hat einerseits von den Erfahrungen der WM 2006 profitiert, andererseits wurden dadurch auch große Erwartungen geschürt. Ist das Sommermärchen eher ein Vorbild oder eine Last?
Jones: Es ist ein Beispiel. Wir können eine WM nie mehr so ausrichten, das war einzigartig. So etwas wird es nie mehr geben. Aber was die Stimmung, die Atmosphäre, die Euphorie und das Organisatorische angeht, ist es ein Vorbild und das wollen wir auch bei der Frauen-WM schaffen. Es kann keine Kopie werden und es wird auch kein Selbstläufer. Wir sind da sehr realistisch und wissen, dass wir noch einiges vor uns haben. Auch was die Entwicklung des Mädchen- und Frauen-Fußballs angeht.
SPOX: Können Sie uns zwei, drei Gründe nennen, warum Deutschland 2011 Weltmeister wird?
Jones: 2011? Wir werden hoffentlich schon 2010 mit den Männern und unseren U 20-Juniorinnen Weltmeister Und dann werden wir 2011 Frauen-Weltmeister. Weil wir uns über Jahre schon in der Weltspitze halten und wir, wenn es darauf ankommt, auf den Punkt fit sind. Wir haben eine sehr kompakte Mannschaft, einen super Nachwuchs, der nahtlos in die Mannschaft eingefügt werden kann und zudem den Vorteil, dass wir im eigenen Land auftreten werden. Das gibt nochmal eine extra Portion Motivation. Was in Frankfurt und in Sinsheim abging, wo die Spielerinnen gar nicht fassen konnten, dass es bei jeder gelungen Aktion Beifall gab. Und sportlich gesehen ist die Mannschaft einfach Weltklasse und darum werden wir 2011 auch Weltmeister. Außerdem will ich den Pokal in den Händen halten.
SPOX: Am Montag aber beginnt nun zunächst die EM in Finnland. 2008 beendeten mit Renate Lingor, Sandra Smisek und Silke Rottenberg drei Stützen des Teams ihre Karrieren. Was kann man von den deutschen Frauen erwarten?
Steffi Jones: Natürlich wieder ein erfolgreiches Turnier. Wobei es ja nicht immer darauf ankommt wie man abschneidet, sondern was man leistet. Die Mannschaft zeigt immer viel Leidenschaft und Ehrgeiz. Sie geht auch in dieses Großereignis mit dem Ziel, Europameister zu werden. Entscheidend wird sein, wie man in das Turnier startet. Mit Norwegen trifft man im ersten Gruppenspiel auf einen sehr starken Gegner. Wir haben jedoch eine sehr ausgeglichene Mannschaft, die schon in den Testspielen vor Spielfreude sprühte. Ich freue mich auf die EM, weil ich weiß, dass wir eine Turniermannschaft sind.
SPOX: Sie sprechen die Spielfreude an. Was zeichnet Ihrer Meinung nach die deutsche Mannschaft aus und wo kann sie sich verbessern?
Jones: Sie spielt wahnsinnig kompakt. Früher war es oft so, dass die Abwehr das Prunkstück war. Und dann gab es noch einzelne herausragende Spielerinnen, wie Birgit Prinz, Maren Meinert oder Bettina Wiegmann. Mittlerweile hat es sich dahingehend entwickelt, dass die Mannschaft sehr viel ausgeglichener ist. Viele Spielerinnen sind sehr torgefährlich und variabel einsetzbar. Dadurch sind wir ganz schwer auszurechnen.
SPOX: Noch eine persönliche Frage zum Schluss: In vielen Interviews sprechen Sie über Träume und Visionen. Ist es in Ihren Augen vorstellbar, dass eine Frau auch mal einen Männerverein trainiert?
Jones: Ja, das ist vorstellbar, irgendwann. Aber dafür muss der Zeitpunkt stimmen. Ich fände es großartig, wenn das eine Frau mal schafft. Ob ich das sein werde, weiß man nicht. Zuerst muss man natürlich beweisen, dass man eine gute Trainerin ist. Und dann würde ich mir wünschen, dass sich eine Frau in dieser Männerdomäne durchsetzt.