Wie der Vater so die Söhne: Rüdiger Vollborn war zwölf Jahre lang Stammkeeper bei Bayer Leverkusen und formte später in Ziehsohn Rene Adler seinen eigenen Nachfolger. Mittlerweile steht der nächste Vollborn bereit.
Anfang des Jahres 2000 hatte sich Rüdiger Vollborn spontan verliebt. Rund sechs Monate später zog sein neuer Schwarm schon bei ihm zuhause ein. Lange überlegen musste Vollborn damals nicht. Er war fest davon überzeugt, einen echten Volltreffer gelandet zu haben.
Bei einem DFB-Lehrgang war ihm ein junger Keeper sofort ins Auge gestochen. Gerade mal 15 Jahre war er alt, hatte aber dennoch schon das gewisse Etwas, diese besondere Ausstrahlung und darüber hinaus eine außergewöhnliche Sprungkraft. Nach dem ersten Training war sich Vollborn sicher: "Ich habe den künftigen Nationaltorwart gesehen." Sein Name: Rene Adler.
Vollborn: "Habe sehr viel in Rene hineingelegt"
Ein halbes Jahr trainierte Vollborn Adler fortan bei Lehrgängen der deutschen U 15. Als er sein Engagement beim DFB beendete, um nur noch als Torwarttrainer bei Bayer Leverkusen zu fungieren, nahm er seinen Schützling einfach mit. Adler wechselte vom VfB Leipzig nach Leverkusen.
Um ihm die Eingewöhnung so leicht wie möglich zu machen und ihn bestmöglich fördern zu können, nahm Vollborn Adler in seiner Familie auf, richtete ihm im Dachgeschoss seines Hauses eine Wohnung ein und behandelte ihn wie seinen eigenen Sohn.
"Ich habe sehr viel in Rene hineingelegt. Keiner meiner Söhne hat diese Rundumbetreuung bekommen", sagt Vollborn heute. "Wir haben zusammen gewohnt, trainiert und gelebt." Vollborns Förderung zahlte sich aus. Adler ist seit Februar 2007 die Nummer eins beim Werksklub.
Vollborn, zwischen 1983 und 1995 selbst Stammkeeper bei Bayer und mit 401 Bundesliga-Einsätzen noch immer der Rekordspieler des Vereins, hat seinen Nachfolger selbst entwickelt - auf und abseits des Platzes, nach dem Motto: Wer aus dem Hause Vollborn kommt, hat das Zeug, ein großer Torwart zu werden.
"Wir sind eine Torhüter-Familie"
Das will nun auch der nächste Vollborn zeigen. Fabrice, der 18-jährige Sohn der Familie, ist ebenfalls Torwart und spielt, wie Vater Rüdiger und "Bruder" Rene, bei Bayer Leverkusen. "Das ist sicher ungewöhnlich", sagt er im Gespräch mit SPOX. "Man kann wohl schon sagen, dass die Vollborns eine Torhüter-Familie sind."
Wegen seines Vaters sei er allerdings nicht Torwart geworden, sagt Vollborn junior. "Irgendwann bin ich im Training mal ins Tor gegangen. Das war mit vier Jahren, und seitdem hat sich daran nichts mehr geändert. Das hat weniger mit meinem Vater zu tun." Von der Karriere seines Papas hat Fabrice ohnehin nicht viel mitbekommen.
Als Vollborn mit dem UEFA-Cup-Sieg 1988 seinen größten Triumph feierte, war der Filius noch nicht mal geboren. "Ich habe aber natürlich ein paar Videos davon gesehen", erzählt Fabrice. Als Vorbild dient ihm allerdings eher Rene Adler.
"Rene wie ein großer Bruder"
"In der Zeit, in der Rene bei uns gewohnt hat, war er sicherlich wie ein großer Bruder für mich", sagt Fabrice. Auch wenn der Kontakt nach Adlers Auszug bei den Vollborns etwas abgenommen hat, hat sich am engen Verhältnis zwischen den beiden "Brüdern" nichts geändert. Nur: "Jetzt ist Rene für mich eher ein guter Freund."
Einer, von dem sich Fabrice auch für sein Torwartspiel das eine oder andere abschaut. "Ich finde, dass er in allen Bereichen ein sehr guter Torhüter ist. Ich stehe schon auf diesen Torwarttyp Adler oder Neuer. Wir werden ja auch alle so ausgebildet."
Vollborn: "Ich mag keine Großkotze"
Für Adlers Ausbildung war zu großen Teilen Fabrices Vater verantwortlich, und teilweise auch für dessen Erziehung. Er habe versucht, Rene mitzugeben, nicht nur auf sich selbst zu schauen, erzählt Vollborn. "Ich mag keine Großkotze. In unserer Gesellschaft werden mir zu oft die Ellbogen ausgefahren und zu selten die Gemeinsamkeiten betont. Mit gegenseitiger Unterstützung kann doch insgesamt viel mehr erreicht werden."
Bei Adler hat Vollborn damit den richtigen Nerv getroffen. Bayers Nummer eins gilt als äußerst kollegialer Typ. Zu den Konkurrenten in Verein und Nationalmannschaft pflegt Adler ein gutes Verhältnis. Psychospielchen oder übertriebenes Konkurrenzdenken sind ihm fremd.
"Für mich ist er nicht nur Trainer, sondern auch ein väterlicher Freund, dem ich mich auch in privaten Dingen anvertrauen kann", sagt Adler über seine Beziehung zu Vollborn. "Das war und ist bis heute schon eine ganz besondere Bindung, sportlich wie menschlich."
Was wird aus Fabrice?
Fabrice will nun der nächste Vollborn werden, der den Sprung ins Bundesliga-Tor schafft. Momentan ist er noch Stammkeeper von Bayers U 19 und kämpft um die deutsche Meisterschaft. Nach dieser Saison will er den nächsten Schritt machen und Profi werden.
Dafür stellt er derzeit alles hinten an. Das Abi hat er bereits seit dem vergangenen Jahr in der Tasche, weil er zwischendrin dank guter Noten eine Klasse überspringen durfte. Studieren will er aber noch nicht. "Momentan konzentriere ich mich voll auf Fußball."
Wo er im kommenden Jahr spielen wird, ist noch nicht endgültig geklärt. "Da ist momentan alles möglich", sagt er. "Am liebsten natürlich in Leverkusen." Bei einem Vollborn wäre etwas anderes eigentlich auch gar nicht vorstellbar.
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