"Positives Signal von Uli Hoeneß"

Daniel Reimann
06. November 201215:24
Die Führungsetage von 1860: Geschäftsführer Robert Schäfer (r.) und Präsident Dieter Schneider Imago
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Der TSV 1860 München ist der erste Verein in Deutschland mit einem arabischen Investor. Im Interview spricht Geschäftsführer Robert Schäfer über das neue Potenzial der Löwen, Uli Hoeneß' Nachtgebete und Möglichkeiten zur Gewaltbekämpfung in Stadien.

SPOX: Herr Schäfer, wie genau erinnern Sie sich noch an den 17. März 2011?

Robert Schäfer: Daran erinnere ich mich noch sehr gut. 1860 stand kurz vor der Insolvenz und wir hatten alles versucht, um den Verein zu retten. Doch die damals angedachte Bankenlösung hatte sich zerschlagen. Präsident Dieter Schneider und ich waren uns danach sicher: Wir müssen die Öffentlichkeit über den Status quo informieren und über diesen Weg nach Geldgebern suchen. Wenn es da draußen einen gibt, der für ein Investment bei 1860 in Betracht kommt, dann können wir ihn nur so erreichen.

SPOX: Hatten Sie damals Angst vor dem Scheitern? Dass der Verein endgültig den Bach runtergeht?

Schäfer: Ich hatte während dieser ganzen Zeit immer mal wieder Angst, ja. Aber man versucht in solchen Situationen, stets neue Optionen zu finden und nach vorne zu schauen. Wäre der Weg an die Öffentlichkeit erfolglos geblieben, hätten wir nach Alternativen gesucht. Aber wenn man zurückschaut und bedenkt, wie knapp das alles war, wie das Schicksal des Vereins am seidenen Faden hing, dann war das beängstigend.

SPOX: Vier Tage später meldete sich Hamada Iraki, der mit Hasan Ismaik den passenden Investor kannte. Gab es eigentlich noch weitere Angebote?

Schäfer: Ja. Aber es war schnell klar, dass diese Option die verlässlichste ist, seriös und nachhaltig. Es gab auch Angebote, von denen wir sehr schnell Abstand nehmen mussten, weil sie nicht glaubhaft und seriös waren.

SPOX: Bis heute sind Ismaiks Beweggründe nicht für alle Fußball-Fans nachvollziehbar. Er investiert über 20 Millionen Euro in einen Verein und betont zugleich, dass er daraus niemals Profit schlagen werde.

Schäfer: Das ist ja das Besondere an Investoren im Fußball. Sie müssen verstehen, dass sie kein Investment tätigen, das einer Staatsanleihe oder einem Finanzinvestment gleicht, wo man das Risiko abschätzt und dann klarstellt: Ich will sechs, acht oder zehn Prozent Rendite. Die Freude daran, etwas zu bewegen, steht im Vordergrund.

SPOX: Oder die Freude daran, sich auf dem starken deutschen Markt einen Namen zu machen?

Schäfer: Das ist selbstverständlich auch ein Punkt. Ismaik war im vergangenen Jahr die am häufigsten gegoogelte arabische Person in Deutschland. Sein Ziel ist es, sich als Investor hierzulande einen guten Ruf zu erarbeiten. Und natürlich hat er auch das Potenzial erkannt, das in 1860 steckt. Zum Zeitpunkt seines Einstiegs waren wir sein sehr gutes Investment im deutschen Profi-Fußball mit großen Wachstumsmöglichkeiten. Das hat er gesehen und daran glaubt er. Und, auch wenn wir dieses Thema geduldig angehen: Wenn wir eines Tages aufsteigen, verdoppelt sich unser Unternehmenswert.

SPOX: Damit dieses Ziel verwirklicht wird, hat Ismaik 1860 zu Saisonbeginn ein fünf Millionen Euro schweres Darlehen gewährt, das in den kommenden beiden Jahren erneuert werden soll. Da freut man sich auf den Sommer-Transfermarkt, oder?

Schäfer: Es ist tatsächlich eine neue Situation. Bei den diesjährigen Verpflichtungen haben wir trotzdem jeden Cent umgedreht und genau darauf geachtet, dass wir unsere Budget-Vorgaben einhalten. Wir müssen keine Spieler mehr verkaufen, um Einnahmen für andere Transfers zu generieren. Seit Kevin Volland, dessen Ablöse damals dringend benötigt wurde, mussten wir kein Talent mehr verkaufen. Das sind die Früchte unserer Arbeit.

SPOX: Und was ist, wenn Sportdirektor Hinterberger und Trainer Maurer bereits im Winter mit möglicherweise kostspieligen Kandidaten auf sie zukommen?

Schäfer: Das werden sie immer tun, sonst würden sie ihren Job nicht richtig machen (lacht).Aber zum jetzigen Zeitpunkt gibt es ohnehin keine Überlegungen, aktiv zu werden. Zumal unsere Sommer-Neuzugänge einen ordentlichen Job machen. Alle kommen regelmäßig zum Einsatz, die meisten sind Stammspieler. Das ist eine gute Quote.

SPOX: In den Kader investiert Ismaik, für den erhofften Bau eines eigenen Stadions kommt er als Geldgeber nicht in Frage. Weshalb?

Schäfer: Hasan Ismaik hat das Ziel, dass der Verein sportlich erfolgreich ist und als Unternehmen funktioniert. Ein Stadion ist ein völlig anderes Projekt, für das Ismaik erst einmal nicht zur Verfügung steht. Wenn er sich irgendwann doch daran beteiligen möchte, besteht mit Sicherheit die Möglichkeit dazu.

SPOX: Bei früheren Versuchen, aus der Allianz Arena ins geliebte Grünwalder Stadion umzuziehen, hat sich die Stadt München oft quergestellt. Nun hat der Verein eine Anfrage bezüglich eines Grundstücks im Münchner Osten gestellt. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass es diesmal grünes Licht gibt?

Schäfer: Es gab damals zwar eine professionell erstellte Studie zur Realisierung einer Rückkehr ins Grünwalder Stadion, doch die wichtigste Voraussetzung - der Brandschutz - war darin weitreichenden Maßnahmen verbunden. Daraufhin hat uns die Stadt klar signalisiert: Dieses Stadion kann nur für die 3. Liga ausgebaut werden. Bei der aktuell angefragten Fläche haben wir versucht, entscheidende Kriterien von Anfang an zu berücksichtigen.

Seite 2: Schäfer über positive Signale vom FCB und Alternativen zum Stehplatzverbot

SPOX: Allerdings ist der Stadionbau von weiteren Faktoren abhängig, nicht zuletzt von den Bayern. Immerhin: Uli Hoeneß hat kürzlich der "Abendzeitung" gestanden, er schließe den Wunsch eines eigenen Löwen-Stadions in sein abendliches Nachtgebet ein.

Schäfer: Wir sind noch lange nicht an dem Punkt angelangt, wo wir uns darüber Gedanken machen sollten. Erst müssen wir noch unsere Hausaufgaben zu erledigen. Aber diese Aussage von Uli Hoeneß, der ja ein sehr verlässlicher Mensch ist, ist natürlich ein positives Signal.

SPOX: Was den Stadionbau anbetrifft, so haben sie angekündigt, eng mit den Fans zusammenarbeiten zu wollen. Wie soll das konkret aussehen?

Schäfer: Ein Grundgerüst, das umsetzbar und für einen Investor attraktiv ist, müssen wir selbst erstellen. Die wirtschaftliche Machbarkeit ist die oberste Prämisse. Aber wenn es ins Detail geht, zum Beispiel auf welcher Seite die Stehplätze anzusiedeln sind und so weiter, wollen wir die Fans ins Boot holen, damit sie ihre Ideen und Vorschläge einbringen.

SPOX: Die Zusammenarbeit mit den Fans stand erst kürzlich im Fokus: Es wurde eine gemeinsame Stellungnahme zum DFL-Konzept "Sicheres Stadionerlebnis", das zurzeit für viel Aufregung sorgt, abgegeben. Eine endgültige Positionierung wurde darin aber vermieden...

Schäfer: ...und das ganz bewusst. Schließlich war klar kommuniziert, dass das DFL-Papier nur ein Entwurf ist, zu dem von Vereinsseite eine Bewertung mit Vorschlägen abgegeben werden sollte. Es ging gar nicht um endgültige Zustimmung oder Ablehnung. Deshalb habe ich die anderen Vereine, die sich von vornherein gegen dieses Konzept gestellt haben, nicht verstanden. Wir haben konkrete inhaltliche Anmerkungen zu jedem Thema gemacht und dazu vorgeschlagen, dass es ein Treffen aller Klubs mit jeweils einem Fan- und einem Vereinsvertreter geben sollte. Ziel muss es sein, einen Kompromiss zu finden, der alle Interessen berücksichtigt.

SPOX: Entwurf hin oder her: Wie steht 1860 zu den Vorschlägen der DFL? Es geht unter anderem um stärkere Kontrollen, einen Ausbau der Videoüberwachung und so weiter...

Schäfer: Inhaltliche Details des Diskurses sollten zwischen Liga und Verein bleiben und nicht den Weg über die Öffentlichkeit gehen. Ich halte es für deplatziert, dass manche Vereine die Medien genutzt haben, um bestimmte Vorschläge öffentlich zu kritisieren. Es ist ohnehin noch ein ausgiebiger Willensbildungsprozess nötig. Dieser sollte aber intern stattfinden. Denn wir brauchen bis Dezember einen Beschluss, um der Politik zu zeigen, wie der deutsche Fußball auf Gewalt-Problematik in den Stadien reagiert.

SPOX: Andernfalls könnte die Politik selbst die Initiative ergreifen. Einige Stimmen rufen laut nach einem Stehplatzverbot.

Schäfer: Wenn es zu gewaltsamen Platzstürmen kommt, ist es klar, dass eine Diskussion entsteht. Aber man sollte daraus nicht die falschen Schlüsse ziehen. In England hat man damals nach dem Drama von Hillsborough Stehplätze verboten, weil sie fortan mit Gefahr gleichgesetzt wurden. Dabei kam es zu der Katastrophe nicht etwa, weil der Schauplatz ein Stehplatz-Block war, sondern weil er völlig überfüllt war, weil es keine Wellenbrecher gab und keine Fluchttore geöffnet wurden.

SPOX: Was wären die Alternativen zum Durchgreifen der Politik?

Schäfer: An dieser Stelle sind vielmehr die Klubs gefragt. Sie müssen die Personen, die sich falsch verhalten, entsprechend bestrafen - schlimmstenfalls mit Stadionverbot.

SPOX: Allerdings haben die 1860-Fans in einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier zum DFL-Konzept unter anderem die Wirkung von Stadionverboten infrage gestellt. Stattdessen solle man Alternativen prüfen.

Schäfer: Richtig. Die Fans haben darin die Frage aufgeworfen: Wirkt ein Stadionverbot als präventive Maßnahme? Aus unserer Erfahrung sind Stadionverbote tatsächlich ein wirksames Mittel. Aber es kann nicht schaden, das in der Realität immer wieder zu überprüfen.

Der TSV 1860 in der Übersicht