Watfords perfekter Saisonstart - Mr. Angry Jose Holebas mischt die Premier League auf

Marcus Blumberg
03. September 201818:40
Jose Holebas (r.) ist derzeit Topscorer der Premier League und erzielte bereits ein Traumtor in dieser Saison.getty
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Der FC Watford sorgt in der Frühphase der Premier League mit einem punktverlustfreien Start nach vier Spielen für Aufsehen. Ein Grund für dieses Leistungshoch ist zweifelsohne Ex-Löwe Jose Holebas, der Topscorer der Liga. Der inzwischen 34-Jährige hat nichts von seinem Biss verloren und hat Lust auf dumme Geschichten.

Er bekommt das Zuspiel auf dem linken Flügel auf Strafraumhöhe, zieht dann unbehelligt nach innen und schlenzt den Ball schließlich aus ungefähr 18 Metern oben rechts ins Eck. Ein Tor der Marke "Reverse-Robben", wenn man so will - oder war es doch nur eine verunglückte Flanke?

Diese vermeintlich hohe Fußballkunst war von keinem anderen als Jose Holebas zu bestaunen, seines Zeichens Linksverteidiger des FC Watford, dem Überraschungsteam schlechthin der noch sehr jungen Premier-League-Saison. Beim 2:1 gegen Crystal Palace machte ausgerechnet der einstige Zweitliga-Profi das entscheidende Tor zum 2:0.

Holebas, der aus Aschaffenburg kommt und einen langen Weg bis zum Profifußball hinter sich hat, ist so etwas wie das Sinnbild der Hornets in dieser Saison. Zuvorderst ist der Grieche ein beinharter Verteidiger, ein Kämpfer. Einer, der den Ball erobert, ihn klärt und in erster Linie das Spiel des Gegners zerstört. Zudem ist er einer für die grobe Klinge - zwei Gelbe Karten in den ersten vier Spielen untermauern dies.

Doch in diesem Jahr scheint er auch den Offensivgeist in sich entdeckt zu haben. Holebas nämlich führt die Premier League mit vier Assists an. Genauso viele hat sonst nur Benjamin Mendy von Manchester City, ein Team, dass per se deutlich offensiver ausgerichtet ist. Überdies steht Holebas mit seinen fünf Scorerpunkten allein an der Spitze der PL!

Auch dank das Zutuns des früheren Münchner Löwens ist Watford eins von nur drei Teams mit maximaler Punktausbeute nach vier Spielen - nicht mal Pep Guardiolas City darf das von sich behaupten.

Jose Holebas: Mit 18 Jahren Vater und Lagerhaus-Arbeiter

Holebas' Weg in die Premier League war hingegen nicht so geradlinig wie Watfords Weg an die Spitze 2018. Es gab sogar eine Zeit, in der das Profigeschäft für den heute 34-Jährigen in weite Ferne gerückt war. Wie Holebas kürzlich The Guardian verriet, musste er im Alter von 18 Jahren den Fußball in den Hintergrund stellen. Seine damalige Freundin wurde schwanger und um die junge Familie zu unterstützen, übernahm Holebas einen Job in einem Lagerhaus. "Acht Stunden am Tag. Es ist langweilig für jeden, der einen Job macht, den er nicht liebt. Aber man muss ihn machen, denn man muss irgendwie leben", sagte Holebas.

Nachdem er sich längere Zeit in den untersten Ligen als Amateur herumgetrieben hatte, bekam er letztlich mit 22 ein Angebot von 1860 München, das damals noch in der 2. Liga spielte. Zu der Zeit hatte er sich bereits von der Mutter seiner Tochter getrennt, doch die 400 Kilometer zwischen Aschaffenburg und München waren dennoch eine große Herausforderung.

Leistungsdaten Jose Holebas beim FC Watford

SaisonSpieleToreAssists
2018/19414
2017/182804
2016/173324
2015/161100

Dennoch gab er seinen Tagesjob auf und wagte den Schritt mit 23 Jahren. Drei Jahre später ging es dann zu Olympiakos, wo er sich auch in der Nationalmannschaft Griechenlands einen Namen machte. "Ich musste jeden Tag für alles in meinem Leben kämpfen und das Gute an meinem Lagerhaus-Job war, dass ich nun weiß, wie es ist, mit und ohne Geld zu leben", sagte Holebas, der fortfuhr: "Ich habe gesehen, wie Familienmitglieder ihr Verhalten mir gegenüber verändert haben. Es geht nur ums Geld. Meine Onkel baten mich um Geld, doch ich musste entgegnen, dass ich nicht ihr Geldautomat sei. Ich bin aktuell nicht mit vielen Leuten in Kontakt und muss wirklich vorsichtig sein."

Den Umgang mit Geld sieht er indes generell kritisch in der heutigen Zeit: "Viele Fußballer sind nach ihrer Karriere pleite, weil sie nicht wissen, wie man mit Geld umgeht. Es ist riskant, diesen ganzen 18- und 19-Jährigen diese verrückten Summen zu zahlen und dann zu sehen, wie sie keinen Respekt vor älteren Spielern mehr zeigen. Es ist die Schuld des Vereins, dass sie so werden, aber so ist es eben heutzutage, gerade in England."

In sein Bild vom (Jung-)Profi in England passt dann auch Mesut Özil und dessen Rolle in der Erdogan-Affäre ganz gut rein: "Diese Burschen gehen zu weit, wenn sie immer über Rassismus reden." Und er ergänzte: "Ich meine, Özil ist in Deutschland geboren und macht dann so ein Foto mit dem türkischen Präsidenten. Da muss mehr dahinterstecken", vermutet der Sohn eines Griechen und einer Deutsch-Amerikanerin.

Doch Holebas stellte auch klar: "Mich interessiert das aber nicht wirklich, denn ich bin nicht an derart dummen Geschichten interessiert."

Ex-Löwe Holebas: "Habe bei größeren Klubs gespielt"

Bei allem, was er sagt und wie er auf dem Platz auftrat, wird ihm immer wieder nachgesagt, dass er im Grunde nie lächelt. Nie Freude zeigt. Bei seinem Treffer gegen Palace - es war erst sein Dritter im vierten Jahr Premier League - grinste er verschmitzt, fast peinlich berührt.

Passend dazu nennen sie ihn in England nur "Mr. Angry", ein Name, der gerade in seinem Team voll anerkannt wird. Die Kollegen wissen, was sie am Linksverteidiger mit dem wenig sonnigen Gemüt haben.

Holebas wiederum scheint auch zu wissen, was er an Watford hat, obgleich er zugab: "Ich habe in größeren Klubs gespielt und die Mentalität hier ist eine andere", spielte Holebas auf seine Zeit in Piräus und natürlich bei der AS Roma an. Bei Olympiakos gewann er in vier Jahren viermal die Meisterschaft und zweimal den Pokal. In Rom wiederum wurde er in seinem einzigen Jahr dort immerhin Vizemeister, ehe es ihn dann 2015 auf die Insel verschlug.

"Ich musste viel an mir arbeiten, denn hier ist alles anders. Du spielst für Watford, das ein guter Klub ist. Uns geht es ganz gut, aber ich kenne eben die größeren Ebenen wie Olympiakos und Roma. Man spielt mit anderen Spielern, die andere Qualität mitbringen", sagte Holebas, fügte jedoch an: "Wir haben auch Qualität hier, aber auf eine andere Art."

FC Watford: Statement-Sieg gegen Tottenham Hotspur

So viel Qualität jedenfalls, dass man sich in der Premier League nicht zu verstecken braucht. Nach dem überschaubaren Auftaktprogramm gegen Brighton (2:0), Burnley (3:1) und Palace (2:1) kam mit den Tottenham Hotspur am Sonntag der erste Hochkaräter an die Vicarage Road. Die Spurs waren eines von nur vier Teams, das die maximale Punktausbeute aus den ersten drei Spielen geholt hatte.

Die Spurs gingen fast folgerichtig mit 1:0 in Führung, doch die Hornets schlugen zurück und drehten die Partie für den ersten richtigen Statement-Sieg des Teams von Trainer Javi Gracia in dieser Saison. Wenig überraschend war es Holebas, der beide Tore Watfords beim 2:1-Sieg vorbereitete! Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, dass Watford durchaus ernst zu nehmen ist.