Er war der Buhmann der Bremer Fans, seit Beginn der neuen Saison findet Aaron Hunt aber langsam wieder zurück zu seiner Form. Geholfen haben ihm dabei viele Kleinigkeiten und sein Trainer Thomas Schaaf.
Da ist dieser schlendernde Gang. Unaufgeregt auch in hohem Tempo, im Dauerlauf, so als schleppe er sich von der ersten Minute an nur noch über den Rasen. Er entlarvt ihn auch aus großer Entfernung leicht.
Der Oberkörper gerade, die Beine ein wenig nach innen gedreht, Brust raus, Blick nach vorne. Erhaben und elegant sieht das aus, sagen einige. Arrogant und gleichgültig, behaupten andere.
Harte Kritik
Bei Aaron Hunt werden die Dinge oft nach der Tagesform interpretiert. Nach der des Betrachters und der des Protagonisten. Da prallen Extremwelten aufeinander und nachher beschreibt sein vermeintliches Leistungsniveau mal wieder eine Sinuskurve. Fair ist das nicht, aber das interessiert Aaron Hunt schon lange nicht mehr.
Es gab die letzte Saison, in der kaum etwas funktionieren mochte, weder bei ihm noch bei seiner Mannschaft. Er wurde dafür hart kritisiert.
Weil er als Eigengewächs immer anders betrachtet wird als Spieler, die für teures Geld eingekauft werden? Weil er sich aus seinem Leistungsloch kaum befreien konnte? Weil ihm die Aufgabe, den abgewanderten Mesut Özil zu ersetzen, doch zu groß war?
Pfiffe der eigenen Fans
Vermutlich ein bisschen von allem. Was aber so manche Reaktion der eigenen Fans nicht rechtfertigen darf. In einer Partie gegen Leverkusen machten sich die Ergänzungsspieler wie immer vor der Ostkurve warm, Tim Borowski war schon früh angeschlagen.
Thomas Schaaf orderte Hunt zur Bank zurück, das Signal zur Einwechslung wurde auch zum Signal für einen Spießrutenlauf. Die paar Meter begleiteten den Spieler wütende Pfiffe aus der Kurve und von der Haupttribüne. Zuschauer sprangen wutentbrannt auf, so wie sie nach einem heftigen Foul an einem ihrer Spieler aufspringen. Dabei hatte Aaron Hunt noch nicht mal das Spielfeld betreten.
"Es war eine schwierige Zeit für die Mannschaft und mich. Es gab Probleme, einiges ging drunter und drüber. Ich bin damit eine Zeit lang nicht so gut klargekommen. Schön war das nicht, aber es gehört eben auch dazu", sagt er im Rückblick im Gespräch mit SPOX.
"Ich hatte zum ersten Mal mit Werder gegen den Abstieg gespielt, das war eine ganz neue Erfahrung. Gerade aus den schweren Phasen kann man immer auch etwas Positives ziehen."
Schwankende Leistungen
Und mit schweren Phasen kennt er sich schließlich besonders gut aus. 2007 drohte ihm das Ende der Karriere, mit 21 Jahren. Operationen an Knie und Leiste sorgten für mehr als ein halbes Jahr ohne Fußball. Die Tage und Wochen in der Reha machten ihn mürbe. "Das war eine Scheiß-Zeit. Ich hatte zeitweise Angst um meine Karriere und wusste nicht, wie es weitergehen sollte."
Es ging weiter, aber es blieb eben auch schwankend. Als Diego den Klub verließ, schlüpften die jungen Özil, Marin und Hunt als Trio schnell in die Ersatzrolle. Damals war vom magischen Dreieck die Rede und Aaron Hunt schloss die Saison mit neun Toren und sechs Assists ab, macht 15 Scorerpunkte.
In der Saison danach waren es gerade mal noch sechs, je drei Tore und drei Vorlagen. Özil hatte die anderen beiden überholt und war nach Madrid gewechselt, die Lücke in der Offensivzentrale im 4-2-3-1-System wurde vom Verein nicht personell nachbesetzt.
Vertrauen und Hilfe von Schaaf
So schnell sich Hunt nur zwölf Monate davor im Kollektiv in die Chefrolle spielte, so unbarmherzig erdrückte ihn jetzt die Last, einen prägenden Spieler wie Özil zu ersetzen. Und unter dem enormen Gewicht verloren die vormals überzeugenden Marin und Hunt ihre Balance. Kleinere Verletzungen kamen dazu, innerhalb der Mannschaft stimmte es nicht, Werder stürzte ab. Ein Schuldiger war schnell gefunden.
Und trotzdem hielt Thomas Schaaf an ihm fest. Hunt ist auch so etwas wie sein Schüler. In den letzten Jahren haben es in Bremen nicht viele aus der eigenen Jugend zum Stammspieler im eigenen Klub geschafft. Er war da immer die Ausnahme von der Regel.
Deshalb blieb die Kritik zumeist intern. Aber sie kam an. Schaaf missfiel - wie den unzufriedenen Zuschauern wohl auch -, dass sich sein Spieler zu schnell hängen ließ. Zwei, drei missglückte Aktionen reichten schon aus, dass sich Hunt fast komplett aus dem Spiel nahm. Schon in der schwierigen Phase arbeitete er dagegen an, gelingen wollte ihm aber trotz des großen Bemühens nicht viel.
Verbesserte Einstellung
Geblieben ist aber die grundlegende Einstellung. "Mir war klar, dass ich mich aus dem Loch, in dem ich letzte Saison steckte, befreien muss. Wenn ein Fehler passiert ist, verstecke ich mich nicht, sondern fordere trotzdem weiter den Ball. Ich stecke den Kopf nicht so schnell in den Sand. Das habe ich gelernt."
Im Abstiegskampf der vergangenen Saison hat Werder seine Liebe zur Mittelfeldraute wieder entdeckt. Eine Spielausrichtung, die Hunt für den Moment offenbar am besten liegt. "Die Positionen um die Sechs herum sind wichtig. Jetzt alles auf Philipp Bargfrede zu schieben, wäre zu viel für ihn. Jetzt ist Clemens Fritz noch im Mittelfeld dabei, dazu Marko Marin oder Mehmet Ekici. Wir lösen das zu Viert ganz gut, da ist keiner auf sich alleine gestellt", sagt er.
Mehr Lauf- und Defensivarbeit
Im linken Mittelfeld hat er sich seinen Platz erkämpft und so langsam kommt die Selbstverständlichkeit in sein Spiel zurück. "Ich fühle mich gut und frisch, das zeigen auch meine Werte." Und vielleicht hat auch der Zukauf von Mehmet Ekici für die Position in der Offensivzentrale den ganz großen Druck von ihm genommen. Dazu laufe er nach eigener Einschätzung mehr, über die Defensivarbeit findet er so manches Mal zu seinem Spiel.
Ob er sein persönliches Training umgestellt habe? "Nein, das nicht. Vielleicht liegt es daran, dass wir unter der Woche eine längere Vorbereitungszeit für die Spiele am Wochenende haben. Wir spielen ja auch nicht international, das ist noch eine Premiere für mich." Aber: "So ganz ohne Spiele unter der Woche ist es schon ein bisschen langweilig. Deshalb wollen wir unbedingt wieder ins internationale Geschäft."
Keine Gedanken an einen Wechsel
Zehn Jahre ist er jetzt schon im Verein, nach Tim Borowski ist er der dienstälteste Werder-Profi im Kader.
Nicht wenige hätten vermutet, dass er nach der letzten Saison Reißaus nimmt, etwas Frisches sucht, wo anders einen Neuanfang starten will.
Für Aaron Hunt kam das aber wohl nie in Frage. Er denkt kurz nach, dann sagt er: "Ich habe meinen Vertrag erst vor anderthalb Jahren für vier Jahre verlängert. Damit nimmt man auch in Kauf, dass man sich auch mal durchkämpfen muss durch eine schlechtere Saison. Deshalb habe ich auch nie daran gedacht, mich zu verändern."
Und fügt dann an, um seinen Standpunkt deutlich zu unterstreichen: "Ganz im Gegenteil: Ich hatte gleich den Ansporn, diese Saison mit Werder besser zu gestalten - was uns bis jetzt ja auch gelungen ist."
Das ist Aaron Hunt