Ein Kotzeimer als Warnung

Philipp Dornhegge
29. März 201108:53
Um seine Schüler optimal zu fördern, legt Alex Wright im wahrsten Sinne des Wortes selbst Hand anspox
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Es ist wieder Themenwochen-Zeit! Nachdem sich bisher immer alles um König Fußball drehte, kommt diesmal die große, bunte Welt des Sports zu ihrem Recht. SPOX hat sich außergewöhnlichen Sportarten angenommen, die nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Und weil Probieren ja bekanntlich über Studieren geht, haben die Redakteure auch gleich Selbstversuche unternommen. Im ersten Teil der Themenwoche "SPOX in action" berichtet Philipp Dornhegge von seinen Erfahrungen als Wrestler. Er besuchte dabei keinen geringeren als Alex Wright. Der Ex-Wrestler betreibt in seiner Heimatstadt Nürnberg eine Wrestling-Schule (The Wright Stuff - Pro Wrestling School) und hat vor kurzem eine eigene Liga (New European Championship Wrestling) gegründet.

SPOXAls ich, SPOX-Redakteur Philipp Dornhegge, an einem grauen Montagmorgen aufwache und mich kaum bewegen kann, stelle ich mir die Frage, was ich mir dabei eigentlich gedacht hatte. Was hatte mich geritten, bei Alex Wright anzurufen und um ein Wrestling-Training zu bitten? Was wollte ich beweisen? Warum musste ich meine Gesundheit riskieren?

Minutenlang beschäftigt mich nichts anders als der grausige Muskelkater, der sich von meinen Waden über die Oberschenkel und den Rücken bis zum Nacken erstreckt.

Und dann fällt es mir wieder ein: Ich wollte höchstpersönlich herausfinden, ob Wrestling nun ein Sport ist oder eine reine Spaßveranstaltung, bei dem den Zuschauern harte Arbeit nur vorgetäuscht wird. Denn genau mit diesem Vorurteil hat professionelles Wrestling auch heute noch zu kämpfen.

Nun, die Frage hat sich für mich erledigt. Ich habe in meinem Leben schon viel Sport gemacht und dachte, ich wäre halbwegs fit. Aber an solche Schmerzen wie nach meiner ersten Wrestling-Erfahrung kann ich mich nicht erinnern.

"Was geht denn hier ab?"

Dabei sollte einem schon beim Betreten der unscheinbaren kleinen Turnhalle in Nürnberg, in der Wright seine Trainings abhält, klar sein, dass einem zwei Stunden bevorstehen, die kein Spaziergang werden: Da sieht man Alex Wright, ein 1,93-Meter-Schrank und der einzige deutsche Wrestler, der jemals in der WCW Fuß gefasst hat.

Dann den Wrestling-Ring, den fast jeder wohl nur vom Fernsehen kennt. Und in der Ecke einen Plastikeimer. Einen mit der eindeutigen Aufschrift: "Kotzeimer". Man kann nicht umhin zu denken: "Was geht denn hier ab?"

Doch statt als Drill Sergeant entpuppt sich Wright als ein richtig netter Kerl. Er weiß, dass er es bei seiner zweiten Karriere nicht mit Profis zu tun hat und geht entsprechend behutsam vor. Zum Aufwärmen werden ein paar Runden gelaufen, dann folgen Kraftübungen.

Zum Aufwärmen 1000 Kniebeugen

"Meine besten Schüler machen je 1000 Kniebeugen und Situps am Stück, bevor das Training losgeht. Dazu zehnmal 100 Liegestütze", erklärt Wright. Die blutigen Anfänger lässt er mit weit weniger davonkommen.

Erst danach bittet er seine Schüler in den Ring, aber aus der Aussicht auf Suplexes, Powerslams und DDTs wird sehr schnell Ernüchterung. Schon die vermeintlich einfachen Dinge stellen sich als koordinativ sehr anspruchsvoll heraus. Eine gewisse Eingewöhnungsphase ist unumgänglich (Das Aufwärmprogramm im Video).

Um die Fähigkeiten der Neulinge abschätzen zu können, lässt Alex Judorollen üben, dann geht's weiter zum Rope-Running (zum Video). Ja, auch das bloße Hin- und Herrennen im Ring will gelernt sein. Die saubere Schrittfolge und das Timing beim Hineinwerfen ins Seil sind entscheidend.

Und bei den allermeisten Anfängern kommt spätestens jetzt der erste Schmerz. "Es gibt zwei Arten von Ringseilen. Das hier ist aus Draht", erklärt Wright und lacht. "Trotz der Polsterung kann das auf Dauer ziemlich wehtun." Mich erinnern die tellergroßen, lilafarbenen Flecken unter der rechten Achselhöhle und an der Hüfte noch zwei Wochen später an dieses Erlebnis.

Wright vermittelt Moves in logischer Reihenfolge

Die Reihenfolge, in der Wright seine Moves vermittelt, entspricht im Großen und Ganzen dem Ablauf eines Wrestling-Matches. Nach den Basics wird der Lockup geübt, dann einfache Griffe und Armdrags, bevor schließlich die schweren Geschütze aufgefahren werden: Dropkicks (zum Video), Elbow Drops und Body Slams.

Es ist verdammt anstrengend, noch nie bin ich in punkto Kraftausdauer derart an meine Grenzen gestoßen, aber trotzdem habe ich einen Heidenspaß.

Schließlich darf ich unter professioneller Anleitung Dinge machen, die ich sonst nur von den Helden meiner Jugend, von Bret Hart, Macho Man Randy Savage oder Shawn Michaels, kannte.

Zum Abschluss ein richtiges Wrestling-Match

Nach 90 Minuten bin ich vollkommen gar, aber ein letztes Ass hat Alex noch im Ärmel: Ein echtes Match!

Einer seiner Schüler, die inzwischen zu Besuch gekommen sind, mimt den Ringrichter, Alex und ich gehen aufeinander los.

Mein Lehrmeister gibt die Kommandos, wir bekriegen uns mit allen Mitteln, die mir inzwischen bekannt sind.

Es dauert nur Minuten, bis ich schnaufe wie ein Elch - zehn Armdrags in Folge sind eben kein Pappenstiel. Ich bin am Ende, und einige Headbutts in die Ringecke, einen wuchtigen Bodyslam und einen krachenden Legdrop später ist es soweit: Ich habe meinen ersten Fight verloren. Kein guter Start in die Karriere.

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