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30.06.2008 um 17:04 Uhr
(Fast) Ohne Worte

Ich denke, über das EM-Finale müssen wir nicht viele Worte verlieren. In der Form von gestern war für unsere Mannschaft einfach nicht mehr drin. Wenn die Kloses und Podolskis frei vor dem Tor nicht in der Lage sind, den Ball zu stoppen, dann hat man am Ende eben praktisch keine echten Torchancen. Sicher frustrierend, weil man gerade bei den beiden weiß, dass sie es eigentlich besser können. Nur: Die Kräfteverhältnisse waren so klar, dass wir keine Sekunde darüber diskutieren müssen, welcher Spieler eine bessere Leistung bringen musste oder wen der Trainer wann hätte einwechseln müssen. Ein oder zwei Mann machen nämlich keinen Unterschied, wenn alle außer dem Torwart schlecht spielen.

Und auch über die vom Trainer gewählte Taktik zu diskutieren, verbietet sich von selbst. Schließlich lief es im 4-2-3-1 genauso schlecht wie später im 4-4-2. Das gibt es nämlich auch: Der Gegner ist besser, egal welche Taktik der Trainer wählt. Schließlich ist ohnehin nichts anderes passiert, als dass die Spanier ihre gute Turnierleistung bestätigt haben. Und die Deutschen nahtlos an die überwiegend schwachen Leistungen bei dieser EM anknüpften. Am Ende müssen wir konstatieren: Zwei gute Spiele unserer Mannschaft, und vier irgendwo zwischen schwach und katastrophal. Dass dabei am Ende ein zweiter Platz heraus springt, lässt nur ein Fazit zu: Unsere Mannschaft hat aus ihren Leistungen bei diesem Turnier das Optimum herausgeholt.

Insgesamt muss die Bilanz aus deutscher Sicht also bestenfalls durchwachsen ausfallen. Nicht, weil es am Ende nicht für den Titel gereicht hat. Sondern weil die Mannschaft, die zwischen WM und EM die konstanteste in Europa war und in allen wichtigen Spielen auch gute Leistungen brachte, bei diesem Turnier genau diese Konstanz vermissen ließ. Warum das so war, muss das Trainerteam herausfinden, bei seiner EM-Aufarbeitung in den nächsten Wochen.

Ein Punkt noch zum deutschen Team: Joachim Löw wurde vor der EM dafür gelobt, dass er neue Spieler an die Nationalmannschaft herangeführt habe und unserem Länderteam ein solideres Fundament gegeben habe. Nur: Bei der EM war davon nichts zu sehen. Die Turnierelf war fast dieselbe, die bei der WM in Deutschland spielte. Und die Tatsache, dass unser Trainerteam auch formschwache Spieler nur sehr zögerlich aus der ersten Elf nahm, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass man einfach kein Vertrauen in die Jungs aus der zweiten Reihe hatte. Und das ist nicht gut.

Unabhängig vom deutschen Team haben wir allerdings ein gutes Turnier gesehen, eines der besseren, vielleicht das Beste, der jüngeren Vergangenheit. Anders als vor vier Jahren siegte am Ende auch nicht die Defensive und die Vorsicht (mit Griechenland), sondern der Angriffsfußball. Der Sieg der Spanier, so bedauerlich er aus deutscher Sicht auch sein mag, ist vielleicht ein Signal, dass Mannschaften und ihre Trainer auch wieder auf offensive Lösungen setzen. Denn man hat ja gesehen: Es kann funktionieren!

Passend zur offensiven Ausrichtung des gesamten Turniers auch, dass ich bei der Zusammenstellung meiner persönlichen „Elf der EM" echte Probleme hatte, genügend Verteidiger zu finden, die es verdient hatten, in eine solche Auswahl berufen zu werden. Die Ergebnisse meiner Überlegungen gibt es dann am Mittwoch.

Die Fortschritte beim deutschen Team hielten sich eher in Grenzen. Ich finde aber, der deutsche Fußballjournalismus hat bei diesem Turnier durchaus Fortschritte gemacht. Erstmals wurden Fußballspiele nämlich nicht nur auf Laufbereitschaft und Kampfkraft reduziert, sondern tatsächlich Systemdiskussionen geführt. Dass dabei mancher Journalist noch Nachholbedarf hat, sei nur an einem Beispiel meiner Heimat-Tageszeitung demonstriert. 4-2-3-1 sei das System dieses Turniers, konstatierte der Autor sicher richtig. Es habe, so behauptete er weiter, das defensive 4-5-1 abgelöst, das beim letzten großen Turnier regiert habe. Autsch. Vielleicht findet er ja jemand, der ihm erklärt, dass 4-2-3-1 eine Variante von 4-5-1 ist, es aber noch andere mögliche Varianten gibt. Zum Beispiel 4-3-2-1, auch Tannenbaumsystem genannt, das Mainz 05 unter Jürgen Klopp häufig gespielt hat. Oder auch 4-1-4-1, wie es die Spanier häufig spielten. Merke: Jedes 4-2-3-1 ist ein 4-5-1, aber nicht jedes 4-5-1 ist ein 4-2-3-1. Alles klar?

Auch in den Kommentaren auf diesen Seiten erkennt man immer wieder, dass bei allen Systemdiskussionen häufig noch das Verständnis für die zugrunde liegenden Prinzipien der Raumdeckung fehlt. Ist halt auch ziemlich undeutsch, das mit der Raumdeckung. Vielleicht nur so viel zu diesem Thema: Im heutigen Fußball sind die Begriffe Manndecker und Libero mit extremer Vorsicht zu genießen. Also lieber gleich ganz weglassen.

Über die Zukunft wurde bei dieser EM auch schon diskutiert. Eine Aufstockung des Teilnehmerfeldes scheint beschlossene Sache zu sein. Damit verliert die Europameisterschaft dann allerdings den Ruf, härter als eine WM zu sein, weil es kaum schwache Gegner gibt. Mehr Mannschaften bedeuteten immer auch einen Qualitätsverlust. Der Gewinn dieser Veränderung wird finanzieller Art sein. Mehr Spiele, mehr Teilnehmerländer = mehr Fernseh- und Werbeeinnahmen. Und England wäre dann auch mit dabei. Nun denn.

Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 2546 | Kommentare: 11 | Bewertungen: 9 | Erstellt:30.06.2008
ø 8.1
KOMMENTARE
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uwentus
01.07.2008 | 22:32 Uhr
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uwentus : ?!?
01.07.2008 | 22:32 Uhr
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uwentus : ?!?
warum muss denn die NM über dem verein stehn oder anders rum die spielen doch sowieso nie gegen einander!
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