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18.06.2008 um 00:26 Uhr
6 Tage zu früh
Deutschland gegen Portugal im Viertelfinale der EM, das ist die Partie, die wir uns gerne für das Halbfinale aufgespart hätten. Aber selbst schuld, nach der Niederlage gegen Kroatien muss die deutsche Mannschaft schon eine Runde früher gegen Ronaldo und Co. ran. Vergleicht man die beiden Mannschaften, dann sieht man auch, warum Deutschland gerne noch ein paar Tage länger auf das Spiel gegen Portugal gewartet hätte.

1. Individuelle Qualität

An diesem Punkt darf man sich auf keinen Fall in die Tasche lügen, Portugal hat die besseren Einzelspieler. Bestes Beispiel: die offensiven Außenpositionen im Mittelfeld. Da hat Trainer Scolari die Wahl aus Cristiano Ronaldo, Simao, Nani und Ricardo Quaresma und jeder der vier ist besser als alles, was wir auf diesen Positionen ins Rennen schicken können. Zum Glück spielen in Portugals 4-2-3-1 System aber nur zwei der vier genannten.

Auch in der Abwehr hat Portugal Vorteile. Die Innenverteidigung mit Pepe und Ricardo Carvalho ist die vielleicht beste dieser EM und José Bosingwa, der Rechtsverteidiger, wechselt nach der EM zum FC Chelsea. Immerhin können wir mit Philipp Lahm einen Verteidiger aufbieten, der sein portugiesisches Pendant in den Schatten stellt. Und im Tor würde ich Jens Lehmann deutlich vor Ricardo sehen.

Im zentralen Mittelfeld sind die Vergleiche schwerer anzustellen, weil Portugal drei Spieler (meist Deco, Petit und Joao Moutinho) die Mitte beackern lässt, Deutschland mit Ballack und Frings (oder Ersatz) nur zwei. Wenn Frings fit ist, muss sich die deutsche Zentrale aber eigentlich nicht verstecken. Nennen wir diesen Vergleich unentschieden. Aber Vorsicht: 4-2-3-1 war auch das System, mit dem Kroatien unser Mittelfeld dominiert hat.

Echte Vorteile hat Deutschland im Sturm. Genau, in unserem "Null-Tore-Sturm" aus Klose und Gomez. Denn wir reden hier von individueller Qualität und nicht von der aktuellen Form. Auch hier hinken die Vergleiche wieder etwas, denn Scolari lässt mit nur einem Stürmer spielen und bisher hieß der Nuno Gomes. Bei allem Respekt, zu Europas Topstürmern gehört der nicht. Der Mangel an Durchschlagskraft in der Mitte ist auch schon seit Jahren ein echtes Problem im portugiesischen Spiel, man denke nur an die WM in Deutschland. Torgefahr kommt eher von den offensiven Mittelfeldakteuren und über deren Fähigkeiten haben wir ja schon gesprochen.

Am Ende komme ich auf 5 Pluspunkte für die Portugiesen, drei für Deutschland und drei Unentschieden. Vorteil Portugal.


2. Taktik

Gestern habe ich ein Interview mit Philipp Lahm gelesen, das es in sich hatte. Der Bayern-Verteidiger sprach nämlich über taktische Rückständigkeit im deutschen Fußball. Die Sorte Probleme eben, die Menschen wie Rudi Völler, Armin Veh oder Thomas Schaaf gerne wegdiskutieren würden. Aber Lahm konstatierte, ein Problem der Nationalmannschaft sei, dass man die mangelnde taktische Ausbildung in der Bundesliga nicht in ein paar Wochen Trainingslager mit der Nationalmannschaft ungeschehen machen könne, auch wenn der deutsche Trainerstab sein Bestes gebe. Auf die Frage, warum er dann nicht ins Ausland wechsele, antworte Lahm, er gehe davon aus, dass beim FC Bayern in Zukunft anders gearbeitet würde. Ich betone: in Zukunft! Puh, harter Tobak, Gut, dass diese Äußerungen nicht von den Herren Klinsmann oder Löw kamen. Das Wutgeheul aus der Liga wäre wieder ohrenbetäubend gewesen.

In jedem Fall sollte sich niemand wundern, dass Deutschland die zehn bis fünfzehn Jahre Rückstand in taktischer Hinsicht nicht in drei oder vier Jahren aufgearbeitet hat. Das wird noch dauern. Da bleiben uns viele andere ein Stück voraus, auch Portugal.

3. Form

Tja, vor der EM hätte man gedacht, das sei nun der Punkt, in dem die deutsche Mannschaft dem Gegner in nichts nachsteht. Aber leider war in den letzten beiden Spielen alles wie weggeblasen, was Deutschland in den letzten Jahren stark gemacht hat. Passsicherheit – Fehlanzeige. Kombinationsfußball – nicht vorhanden. Einstudierte Spielzüge – nein. Die Offensive war 180 Minuten lang ein wahres Desaster. Gegen Österreich musste sich Deutschland über weite Strecken mit Einzelaktionen wie den Vorstößen von Philipp Lahm behelfen. Das war gegen unser Nachbarland noch genug, im Viertelfinale wird es nicht mehr reichen.

Die interessante Frage ist nun, wie den Deutschen ihre Stärken so schlagartig abhanden gekommen sind. Die Trainer werden ihre Vorgaben sicher nicht geändert haben. Nach dem Österreichspiel hat Bundestrainer Löw angedeutet, dass er wisse, woran es hakt, darüber öffentlich aber nicht sprechen wolle. Vielleicht kann er ja bis Donnerstag gerade rücken, was in Schieflage geraten ist.

Zugegeben eine kleine Hoffung. Aber da fast alles andere für Portugal spricht, ist es die einzige die wir haben, fürchte ich.

Bis bald,
Andreas


Aufrufe: 3641 | Kommentare: 12 | Bewertungen: 3 | Erstellt:18.06.2008
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KOMMENTARE
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flo_rueckel
18.06.2008 | 19:24 Uhr
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flo_rueckel : C. Ronaldo
18.06.2008 | 19:24 Uhr
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flo_rueckel : C. Ronaldo
Also wenn den einer halten kann dann Philipp Lahm wer gegen einen solchen Techniker mit zu viel Emotionen in jeden Zweikampf geht der wird sauber verarscht den kann man nur sachlich bearbeiten. Ähnlich wie bei Ribery oder Nani diese Leute nutzten jeden zu schnellen Angriff auf den Ball zum überspielen.
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bunsenallstar
18.06.2008 | 22:14 Uhr
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bunsenallstar : A R
18.06.2008 | 22:14 Uhr
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bunsenallstar : A R
ich schließe mich Red_7 an und würd das Interview auch gern lesen ... wo kann ich das finden?
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