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05.06.2009 um 00:15 Uhr
Achtzig Prozent
Heute falle ich Euch mit meiner These gleich am Anfang ins Haus. Ich sehe das als Service für den Leser: Ihr könnt Euch das lästige Lesen des restlichen Textes sparen und gleich in den Kommentaren mit dem Nörgeln beginnen. Bereit? Na gut, hier kommt sie, meine These: Achtzig Prozent aller Trainerentlassungen sind falsch und überflüssig.

Und ganz ehrlich, ich will mich jetzt nicht mit jemand streiten, der glaubt, die richtige Zahl sei siebzig Prozent (oder von mir aus auch fünfundneunzig Prozent). Der entscheidende Punkt: Weit mehr als die Hälfte aller Trainerentlassungen sind unnötig. Und teuer. Gerade habe ich gelesen, der FC Chelsea habe unter Roman Abramovich bis heute etwa 35 Millionen Euro an Abfindungen für entlassene Trainer gezahlt. Die Kohle hätte man ja auch in die Mannschaft stecken können, wenn man einfach Mourinho behalten hätte. Wäre eh das Beste gewesen.

Klar wird nicht jeder meiner These zustimmen. Ein Trainer, der selbst in dieser Saison auf dem Karussell einiges erlebt hat, sagt dazu Folgendes: "Wenn weniger Trainer entlassen würden, woher sollen dann die arbeitslosen Trainer einen neuen Job bekommen?" So gesehen ist das Feuern eines Trainers ja geradezu ein sozialer Akt: Man hält das Karussell in Gang und sorgt dafür, dass jeder immer wieder eine Arbeit (und danach eine Abfindung) bekommt. Aber die Antwort auf die oben gestellte Frage lautet natürlich: Wenn weniger Trainer gefeuert würden, dann hätten die meisten ihren Job erst gar nicht verloren und müssten sich deshalb auch keinen neuen suchen.

Dabei habe ich für manche Trennungen durchaus Verständnis. Dass sich der 1.FC Kaiserslautern von Milan Sasic trennt, weil man sich nicht über eine Verteilung der Kompetenzen einigen kann und in der Folge auch das Verhältnis untereinander leidet, das kann passieren. Und dann muss man auch getrennte Wege gehen.

Aber wenn ein Jos Luhukay, der Borussia Mönchengladbach nach einem Abstieg direkt zurück in die erste Bundesliga führt und dabei begeisternden Fußball spielen lässt, nach nur sieben Spielen im Oberhaus gefeuert wird, dann stimmt etwas nicht. Sieben Spiele, nachdem ihn die Fankurve bei der Aufstiegsfeier hochleben ließ…

Oder nehmen wir Thomas von Heesen in Nürnberg. Der war mit dem Club abgestiegen, auch wenn er den Verein relativ spät übernahm und deshalb sicher nicht die Hauptschuld am Nürnberger Desaster trug. Dann entschloss man sich, mit von Heesen in die zweite Liga zu gehen, nur um ihn nach dem zweiten (!) Spieltag zu feuern. Entweder man zweifelt an einem Coach. Und dann feuert man ihn sofort. Oder man vertraut ihm. Und dann kann in zwei Spielen (drei inklusive Pokal) nicht genug passieren, um das Vertrauen gleich derart radikal zu unterwandern.

Ziehen wir eine Bilanz der Saison 2008/2009, so stellen wir fest, dass in der ersten Bundesliga fünf Trainer vorzeitg gefeuert und zwei zum Saisonende gekündigt wurden. Die freiwilligen Abgänge sollen heute mal kein Thema sein. In der zweiten Bundesliga wurden insgesamt 12 Trainer entlassen (Doppel-Entlassungen mitgezählt).12 bei 18 Klubs. Wahnsinn!

Und deshalb will ich an dieser Stelle einen Preis aus der Taufe heben. Den für die unsinnigste Trainerentlassung des Jahres nämlich. Der ist schon lange überfällig. In Liga 2 habe ich zwei ernsthafte Bewerber ausgemacht, in der Bundesliga nur einen (aber der hat es in sich). Here we go:

Platz 3: SV Wehen-Wiesbaden (Christian Hock / Wolfgang Frank)
Die Tatsache, dass ein Klub in einer Saison zwei Trainer entlässt, sagt ja schon viel aus. Nämlich zum Beispiel, dass man besser gleich den ersten behalten hätte. Und ihm die Neuzugänge in der Winterpause geholt hätte, die man dann seinem Nachfolger vermachte. Und damit ja nichts anderes sagte, als: Unsere Mannschaft ist nicht gut genug. War sie auch nach der Winterpause nicht. Man könnte vermuten: Mit der Truppe hätte auch José Mourinho nicht die Klasse gehalten. Der besondere Clou in Wiesbaden war aber: Wolfgang Frank war in Mainz Trainer von Christian Hock und Sandro Schwarz. Er coachte dort also sowohl seinen Vorgänger in Wiesbaden als auch seinen Nachfolger. Und prägte deren Fußball-Philosophie ganz entscheidend. Klar gab es unterschiedliche Gewichtungen, aber die Grundlagen und die Trainingsinhalte waren bei Hock, Frank und Schwarz sehr ähnlich. Und da stellt sich die Frage: Wenn man so wenig verändert, warum lässt man es nicht gleich bleiben?


Platz 2: 1860 München (Marco Kurz)
Ehrlich, ihr Löwen-Fans, ihr tut mir aufrichtig leid. Aber was in diesem Verein alles passiert, das glaubt einem keiner. Und ihr müsst immer noch gute Miene zum bösen Spiel machen… Seit Jahren verkaufen die Sechziger regelmäßig ihre besten und/oder hoffnungsvollsten Spieler. Sobald einer zum Leistungsträger wird, ist er weg. Auf das Feld schickt 1860 München eine Mischung aus zu jungen und zu alten Spielern, die genau da mitspielt, wo sie hingehört. Im Mittelfeld der zweiten Liga nämlich. Manager Reuter und Trainer Kurz wussten das. Dann wurde Reuter von Miki Stevic aus dem Amt geputscht, weil der versprach, einen Sponsor mitzubringen. Das Projekt scheiterte, Stevic feuerte Kurz trotzdem und dessen Nachfolger Uwe Wolf und Ewald Lienen landeten da, wo die Mannschaft hingehört. Im Mittelmaß, mit Blick nach unten. Ohne die angekündigten Millionenspenden durch einen Gönner wird sich das auch so schnell nicht ändern.

Platz 1: Arminia Bielefeld (Michael Frontzeck)
Bielefeld ist kein Dauergast im Fußball-Oberhaus und wird unter den derzeitigen Voraussetzungen auch nie einer werden. Dafür fehlt schlicht und einfach die Wirtschaftskraft. Bei jedem Aufstieg ist der nächste Abstieg absehbar. Das weiß eigentlich jeder. Anders gesagt: Mit der Mannschaft kann auch ein guter Trainer absteigen. Trotzdem entließ die Arminia Michael Frontzeck vor dem letzten Spieltag, als das Team auf einem Relegationsplatz stand. Ein Novum in der deutschen Fußballgeschichte, das es nicht gebraucht hätte. Jörg Berger, der Trainer für ein Spiel, konnte nicht einmal den Relegationsplatz retten und die Arminia spielt nun in Liga 2. Ein Abstieg, den sich vor allem der Vorstand des Klubs redlich verdient hat.

Und genau so werden die Sieger meines neuen Fußball-Oscars für die unsinningste Trainerentlassung des Jahres belohnt: Mit einem Abstecher in die nächstuntere Klasse. Für mindestens 12 Monate. Glückwunsch!


Bis bald,

Andreas
Aufrufe: 14416 | Kommentare: 39 | Bewertungen: 36 | Erstellt:05.06.2009
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KOMMENTARE
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Italiarocker
05.06.2009 | 00:39 Uhr
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05.06.2009 | 00:39 Uhr
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Sers Andreas

Man merkt dir deine Professionalität deutlich an. Deine Blogs sind immer wieder eine Bereicherung!

An deiner Stelle hätte ich aber noch die Entlassung Funkels aus Frankfurt gebracht.

Ich weiß, er ist freiwillig gegangen, aber die Tatsache, dass die Fans ihn "rausgejagt" haben, obwohl er sein Bestes gegeben hat, führt dazu, dass man ihn ruhig hätte auflisten können.
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DaBen
05.06.2009 | 00:48 Uhr
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DaBen : 
05.06.2009 | 00:48 Uhr
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DaBen : 
Wie immer Weltklasse!!
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MGoedderz
MODERATOR
05.06.2009 | 00:54 Uhr
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MGoedderz : 
05.06.2009 | 00:54 Uhr
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MGoedderz : 
Ja super. Ich hätte meinen Blog nicht direkt hinter deinen setzen sollen. Ist ja mal wieder ganz stark...
Mach doch auch noch nen Oscar für die blödsten Trainer-self-Vertragauslösungen mit King Christoph an erster Stelle vor Martin Jol und Felix Magath...
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EdHardy22
05.06.2009 | 01:36 Uhr
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EdHardy22 : 
05.06.2009 | 01:36 Uhr
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EdHardy22 : 
Ich finde das Thema super und du hast es auch klasse geschrieben, aber ich habe einen Rechenfehler bemerkt:
"In Liga 2 habe ich drei ernsthafte Bewerber ausgemacht, in der Bundesliga nur einen (aber der hat es in sich)."

Und dann kommen von dir nur 3 Teams die vorgestellt werden, es sollten dann aber auch 4 sein. Ein Bundesligist und 3 Mannschaften aus der 2. Liga sind nämlich 4 und nicht 3
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AndreasRenner
05.06.2009 | 10:06 Uhr
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AndreasRenner : @EdHardy22
05.06.2009 | 10:06 Uhr
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AndreasRenner : @EdHardy22
So etwas passiert, wenn man hinterher noch zu viel in seinem Text herumpfuscht. Ist aber jetzt korrigiert. Danke!
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midget
05.06.2009 | 11:19 Uhr
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midget : 
05.06.2009 | 11:19 Uhr
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midget : 
Sehr schön!

Feine Kiste, und Bielefelds Superentlassung auf 1 ist natürlich völlig korrekt.
Alles in allem hatte ich in dieser Saison aber das Gefühl, dass nicht so viele Trainer entlassen wurden. Weiß gar nicht warum, die meisten nahmen ja von sich aus den Hut:
Jol, Daum, Funkel...

Trendwende im deutschen Fußball.

Toller Blog Andreas und in der Tat wäre Mourinho mit Wehen auch abgestiegen, selbst wenn der Co Wenger geheißen hätte!
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EdHardy22
05.06.2009 | 11:39 Uhr
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EdHardy22 : 
05.06.2009 | 11:39 Uhr
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EdHardy22 : 
Andreas, ich habe mich - als ich deinen Kommentar gelesen habe - direkt auf einen vierten Kandidaten gefreut, leider wurde ich enttäuscht Aber eine Top 3 ist halt gängiger als eine Top 4, so what...

Auf jeden Fall ein klasse Blog!
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Andreana
05.06.2009 | 11:40 Uhr
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Andreana : 
05.06.2009 | 11:40 Uhr
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Andreana : 
Guten "Morgen Andreas,

wie immer ein super Blog und Du hast im großen und ganzen Recht. Auch die These:"Neue Besen kehren gut" gilt nicht mehr, denn die Zeiten sind schon lange vorbei.

Deswegen bin ich bei Dir, es werden viel zu schnell viel zu viele Trainer entlassen.

Ich möchte mich mit Dir auch nicht "streiten" ob es jetzt 80, 55 oder 90 Prozent sind aber bei einem muss ich Dir widersprechen und Du kannst es sicherlich schon erahnen.

>>>"Aber wenn ein Jos Luhukay, der Borussia Mönchengladbach nach einem Abstieg direkt zurück in die erste Bundesliga führt und dabei begeisternden Fußball spielen lässt, nach nur sieben Spielen im Oberhaus gefeuert wird, dann stimmt etwas nicht. Sieben Spiele, nachdem ihn die Fankurve bei der Aufstiegsfeier hochleben ließ…"<<<

Es ist richtig das Luhukay in der zweiten Liga begeisterten Fußball hat spielen lassen, von der offensive geprägt. Und ich bin mir sicher, wenn Luhukay nicht nach der Winterpause als Erstliga Trainer bei Gladbach begonnen hätte sondern erst im Sommer als Zweitliga Trainer wäre ihm die Entlassung auch zumindest zu dem frühen Zeitpunkt erspart geblieben.

Das Problem war, Luhukay ist mit Gladbach sang und klanglos aus der ersten Liga abgestiegen und hat dann in der neuen Erstliga Saison nahtlos an die katastrophalen Leistungen angeknüpft, was ihm den Titel des mit Abstand schlechtesten Trainers der Borussia in der Bundesliga eingebracht hat, mit knapp 0,5 Punkten pro Spiel.

Deswegen kann ich das Handeln in diesem Fall schon nachvollziehen.

Was mich mehr stört ist die Tatsache das bis auf sehr wenige Ausnahmen kein "Frischblut" schafft in die Trainergilde zu kommen.

Immer werden die "gleichen" gefeuert und immer sind es dann wieder die, die überall als erstes auf den Zettel stehen.

Das würde sich mal lohnen zu ergründen.

Ach so, Punkte gibt es ja auch noch:
Natürlich 10, wie soll es anders sein.

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donluka
05.06.2009 | 11:41 Uhr
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donluka : Ganz vorzüglicher Blog - 10P!!!
05.06.2009 | 11:41 Uhr
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donluka : Ganz vorzüglicher Blog - 10P!!!
Eine Trainerwechselarie hätte es allerdings noch verdient, einen Platz auf dem Treppchen zu ergattern (auch wenn es ein Club aus Liga 3 ist):

Die Rede ist von Carl Zeiss Jena. Nachdem Van Eck im März seinen Platz räumen musste, übernahm Fascher, dem der Klassenerhalt gelang. Zum Dank wurde dieser entlassen, um von wem beerbt zu werden? Richtig! Van Eck! Der damit ganze zwei Monate freigestellt war!

Da macht die Formulierung "Beurlaubung" wirklich Sinn. Und ich frage mich, welche Entlassung hier unsinniger war: Hätte man bei Van Eck auch schon im März bleiben sollen, um sich zwei Entlassungen zu sparen? Oder war der abermalige Wechsel zurück hinrissig?
So oder so. Jena perfektioniert einen alten Trick von Uli Hoeneß, Vorgängertrainer zu Nachfolgetrainern zu machen (Heynkes, Hitzfeld, Lattek).
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jeanvoelc
05.06.2009 | 11:48 Uhr
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jeanvoelc : 
05.06.2009 | 11:48 Uhr
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jeanvoelc : 
zum thema von hessen sollte nur erwähnt werden, dass von mehreren seiten (zb auch von michael oenning) bestätigt wurde, dass der trainer und nicht der verein den weggang wollten. also keine entlassung.
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