15.06.2009 um 19:43 Uhr
Aufruf zu Moral
Skibbe, Labbadia, Heynckes, Frontzeck! Der deutsche Trainermarkt erlebt in diesen Tagen eine Fluktuation, wie wir sie sonst nur von Italiens Staatspräsidenten oder Lothar Matthäus' Freundinnen kennen. Mit nahezu spielerischer Beliebigkeit werden derzeit die Trainersessel in Deutschlands Eliteliga neu besetzt. Wirklich neu ist dieses Phänomen für sich genommen nicht. Allein die atemberaubende Geschwindigkeit, in der sich das Trainerkarussell in der Sommerpause 2009 dreht, besitzt revolutionäre Ausmaße. Ein Verein wie Borussia Dortmund, der mit just dem Trainer in die neue Spielzeit geht, der auch schon das Mannschaftsfoto zur Saison 2008/2009 geziert hat, nimmt momentan schon eine Ausnahmestellung ein. Ganz zu schweigen von einem Club wie Werder Bremen, dessen jahrelanges Vertrauen in Thomas Schaaf in einer sonst so hektischen Liga fast schon rührend altmodisch daher kommt.
Doch diesmal sind es nicht allein Manager und Vorstandsvorsitzende, die die Vielzahl der Trainerwechsel zu verantworten haben. In einigen Fällen haben die Fußballlehrer höchst selbst ihr Engagement – aus unterschiedlichen Motiven – vorzeitig beendet. Ein altersmüder Hans Meyer hat aus Mangel an Motivation die Brocken hin geworfen und Platz für einen jüngeren Kollegen macht. Bruno Labbadia brach bereits nach einem Jahr das Experiment Bayer Leverkusen ab, um zum Wunschverein Hamburger SV zu wechseln. Dort hatte Martin Jol von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch gemacht und ebenfalls nach einem Jahr die Segel gestrichen.
Die Wechsel waren kaum verkündet, da entbrannte eine bislang ungekannte Debatte über Anstand und Moral der Trainer. Vor allem Leverkusens neuer Coach Jupp Heynckes tat sich hierbei hervor, indem er die Praxis der Ausstiegsklauseln bemängelte und an die Vorbildwirkung der Trainer appellierte. "Man muss sich ganz klar mit dem Club und der Laufzeit identifizieren", fordert Heynckes, der sich in seiner langjährigen Trainerkarriere noch nie eine Ausstiegsklausel in seinen Vertrag hat schreiben lassen. Auch junge Kollegen wie Gladbachs neuer Trainer Michael Frontzeck und Frankfurts Michael Skibbe schließen sich Henyckes' Argumentation an.
Der Verweis auf die Vorbildwirkung der Trainer ist für sich genommen berechtigt. Wer, wenn nicht der Trainer, soll den Spielern eine professionelle Haltung vorleben? Doch bereits hier ergeben sich erste Zweifel: Gehört eine dauerhafte Bekenntnis zum eigenen Arbeitgeber noch zum selbstverständlichen Ethos eines Profifußballers? Die Praxis der Vergangenheit spricht eher dagegen. Eine langjährige Verbindung zwischen Sportler und Verein ist – zumindest im Fußballsport – mehr Ausnahme denn Regel und gehört als antiquiertes Idealbild längst in das Reich der Utopie. Die Wünsche puristischer Fußballfans sehen freilich anders aus. Sie träumen von prinzipientreuen Identifikationsfiguren, denen die Zuneigung zum Verein mehr bedeutet als die Fülle des eigenen Geldbeutels.
Der gemeine Fan, der den Fußball oftmals als religionsgleiches Lebenselixier begreift, sollte sich dieses Ideal bewahren. Trainer, die durch ihre tagtägliche Arbeit in einem phasenweise moralfreien Geschäft geprägt sind, dürfen und müssen hier mehr Realismus an den Tag legen. Das schließt nicht aus, für den eigenen Berufsstand eine Vorbildwirkung zu reklamieren. Es darf aber eben auch nicht den Blick auf die profitoriente Realität versperren.
So löblich die fast schon devote Selbstverpflichtung von Heynckes & Co. auch sein mag, so sehr überrascht sie doch angesichts einer zumeist trainerfeindlichen Personalpolitik im Fußball-Business. Gerade ein Jupp Heynckes, dessen jüngere Trainer-Engagements in Schalke und Mönchengladbach von Vereinsseite vorzeitig beendet worden sind, kennt die harten Regeln des Geschäfts und will sie für sich selbst doch nicht gelten lassen.
Heynckes' Aufruf zu moralischer Integrität besitzt gleichwohl Glaubwürdigkeit. Die späte Rache eines oft Geschmähten ist nicht die Sache eines Mannes, der nie als Provokateur hat auf sich aufmerksam machen wollen. Vielleicht aber ist sein neuerlicher Einsatz für die verlorengegangenen Werte auch nur Zeichen einer gewissen Altersmilde. Bleibt in seinem Sinne zu hoffen, dass ihm in Leverkusen eben jene Treue zuteilwird, die er von sich und seinen Trainerkollegen einfordert.
Doch diesmal sind es nicht allein Manager und Vorstandsvorsitzende, die die Vielzahl der Trainerwechsel zu verantworten haben. In einigen Fällen haben die Fußballlehrer höchst selbst ihr Engagement – aus unterschiedlichen Motiven – vorzeitig beendet. Ein altersmüder Hans Meyer hat aus Mangel an Motivation die Brocken hin geworfen und Platz für einen jüngeren Kollegen macht. Bruno Labbadia brach bereits nach einem Jahr das Experiment Bayer Leverkusen ab, um zum Wunschverein Hamburger SV zu wechseln. Dort hatte Martin Jol von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch gemacht und ebenfalls nach einem Jahr die Segel gestrichen.
Die Wechsel waren kaum verkündet, da entbrannte eine bislang ungekannte Debatte über Anstand und Moral der Trainer. Vor allem Leverkusens neuer Coach Jupp Heynckes tat sich hierbei hervor, indem er die Praxis der Ausstiegsklauseln bemängelte und an die Vorbildwirkung der Trainer appellierte. "Man muss sich ganz klar mit dem Club und der Laufzeit identifizieren", fordert Heynckes, der sich in seiner langjährigen Trainerkarriere noch nie eine Ausstiegsklausel in seinen Vertrag hat schreiben lassen. Auch junge Kollegen wie Gladbachs neuer Trainer Michael Frontzeck und Frankfurts Michael Skibbe schließen sich Henyckes' Argumentation an.
Der Verweis auf die Vorbildwirkung der Trainer ist für sich genommen berechtigt. Wer, wenn nicht der Trainer, soll den Spielern eine professionelle Haltung vorleben? Doch bereits hier ergeben sich erste Zweifel: Gehört eine dauerhafte Bekenntnis zum eigenen Arbeitgeber noch zum selbstverständlichen Ethos eines Profifußballers? Die Praxis der Vergangenheit spricht eher dagegen. Eine langjährige Verbindung zwischen Sportler und Verein ist – zumindest im Fußballsport – mehr Ausnahme denn Regel und gehört als antiquiertes Idealbild längst in das Reich der Utopie. Die Wünsche puristischer Fußballfans sehen freilich anders aus. Sie träumen von prinzipientreuen Identifikationsfiguren, denen die Zuneigung zum Verein mehr bedeutet als die Fülle des eigenen Geldbeutels.
Der gemeine Fan, der den Fußball oftmals als religionsgleiches Lebenselixier begreift, sollte sich dieses Ideal bewahren. Trainer, die durch ihre tagtägliche Arbeit in einem phasenweise moralfreien Geschäft geprägt sind, dürfen und müssen hier mehr Realismus an den Tag legen. Das schließt nicht aus, für den eigenen Berufsstand eine Vorbildwirkung zu reklamieren. Es darf aber eben auch nicht den Blick auf die profitoriente Realität versperren.
So löblich die fast schon devote Selbstverpflichtung von Heynckes & Co. auch sein mag, so sehr überrascht sie doch angesichts einer zumeist trainerfeindlichen Personalpolitik im Fußball-Business. Gerade ein Jupp Heynckes, dessen jüngere Trainer-Engagements in Schalke und Mönchengladbach von Vereinsseite vorzeitig beendet worden sind, kennt die harten Regeln des Geschäfts und will sie für sich selbst doch nicht gelten lassen.
Heynckes' Aufruf zu moralischer Integrität besitzt gleichwohl Glaubwürdigkeit. Die späte Rache eines oft Geschmähten ist nicht die Sache eines Mannes, der nie als Provokateur hat auf sich aufmerksam machen wollen. Vielleicht aber ist sein neuerlicher Einsatz für die verlorengegangenen Werte auch nur Zeichen einer gewissen Altersmilde. Bleibt in seinem Sinne zu hoffen, dass ihm in Leverkusen eben jene Treue zuteilwird, die er von sich und seinen Trainerkollegen einfordert.
Aufrufe: 1723 | Kommentare: 4 | Bewertungen: 11 | Erstellt:15.06.2009
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KOMMENTARE
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16.06.2009 | 09:15 Uhr
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xxlhonk :
10!Obwohl ich die aktuelle Situation etwas differenzierter und kontroverser sehen und diskutieren wollen würde.
Du hast völlig richtig geschrieben
<i>"...so sehr überrascht sie doch angesichts einer zumeist trainerfeindlichen Personalpolitik im Fußball-Business..."</i>
Denn genau hier liegt ein Grund für die aufkommende Haltung der Trainer von sich aus den Verein zu wechseln.
Trotz eines gültigen Arbeitsvertrages.
Und gerade das Beispiel Magath zeigt sehr gut worum es den Trainern aktuell und mit ihrem Handeln wohl auch geht.
Sie wollen die Anerkennung für die Leistung und diese nicht abhängig gemacht sehen von ein paar schlechteren Spielen.
Und, und das ist wohl der Hauptgrund, sie wollen eine bessere Machtposition und damit mehr Einflussnahme auf die Kaderzusammenstellung.
Und hier sind die Beispiele Schaaf, Wenger und Sir Alex F sicherlich exemplarisch zu sehen. Alle drei arbeiten seit vielen jahren in ihrem Club und haben damit die gesamte Kaderkontrolle und eine etablierte Machtposition.
Genau wie Felix M. in Wolfsburg und dann wohl jetzt auch auf Schalke hatte und haben wird.
Trainer sind halt leitende Angestellte an strategisch wichtigen Stellen und wollen als solche nicht nur bezahlt und anerkannt werden, sondern auch die entsprechenden Befugnisse.
Und genau das kann ich persönlich sehr gut nachvollziehen, denn schließlich halten die Trainer zu oft den Kopf für eine Mannschaft hin, die sie (im besten Falle) nur in Teilen selbst zusammengestellt haben.
Ich hatte mich dazu ja auch schon in epischer Breite geäußert und versucht eine Diskussion loszutreten.
Denn wie gesagt, hinter diesem Thema steckt eine Menge Diskussionspotential und ich fände es echt cool, wenn wir mal eine echte Aussage eines betroffenen Trainers bekommen würden.
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16.06.2009 | 10:25 Uhr
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Rocky8 :
Sehr schön geschrieben, gut die Positionen differenziert. Auf die Wunschvorstellungen der Fans hättest du vielleicht noch mehr drauf eingehen können, ansonsten:Daumen hoch!
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16.06.2009 | 18:09 Uhr
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nur ein kleiner Kritikpunkt: Jol hat von keiner Ausstiegsklausel gebrauch machen können, sondern hat auf den Vorstand Druck ausgeübt und wurde dann für ca. 1mio an Ajax verkauft.
Wollte mehr Kompetenzen und den Beiersdorf "anscheinend!" los werden
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Sir Alex Ferguson ist auch schon 23Jahre bei ManUtd, Arsene Wenger bringt immerhin auf 13Jahre!
Und zu deinem Beispiel Werder Bremen und Schaaf, ich finde es sehr gut, dass Werder sich nicht aus der Ruhe bringen liess wegen der durchzogenen Saison! Immerhin gabs ja das UEFA Cup Finale und den Pokalsieg!
War also keine sooo schlechte Entscheidung!
Pro mehr Clubtreue von Trainern und Pro mehr Unterstützung für die Trainer vom Vorstand!
Denn ohne das eine funktioniert das andere auch nicht...