Er hat es wieder getan. Jürgen Klopp sind erneut die Gäule durchgegangen. Im CL-Spiel in Neapel machte seiner einer Wut in gewohnt eindeutiger Mimik Luft: Mit gefletschten Zähnen positionierte er sich vor dem Vierten Offiziellen, um diesem in unmissverständlichem Gestus zu signalisieren, was er von der Arbeit des Schiedsrichtergespanns hielt. Dass man Subotic viel zu spät auf den Platz zurückgelassen und so das Gegentor ermöglicht habe, wollte Klopp nicht auf sich sitzen lassen und meldete zornigen Protest an.
Über den Grund der Empörung mag man streiten, über die Art ihrer Kundgabe nicht: Klopps Agitation ging abermals über das Maß des Erträglichen hinaus. Dies sah auch der BVB-Coach selbst ein.
So dauerte es lange nicht, bis Klopp mit den Bildern seines Ausrasters konfrontiert schamerfüllt sein Bedauern äußerte. Gegenüber den Schiedsrichtern, der Öffentlichkeit und vor allem der eigenen Mannschaft, die er mit seinem überzogenen Verhalten in eine falsche Richtung gelenkt habe. Das sei natürlich nicht in Ordnung, räumte Klopp kleinlaut ein und schlüpfte damit zum wiederholten Male in die Rolle des reuigen Sünders.
Es mag wohltuend wirken, sich in unserer Zeit selbstkritisch zu seinen eigenen Fehlern zu bekennen und ohne Umschweife das eigene Versagen einzugestehen. Doch im Falle des BVB-Trainers wird man inzwischen den Eindruck nicht los, als sei seine nachdenkliche Selbstkritik ein bloßes Bekenntnis mit Methode. Eine Masche, die einem verloren gegangene Sympathie zurückbringen oder sie bestenfalls noch mehren solle. Frei nach dem Motto: Fehler machen darf man, wenn man sich nur zu ihnen bekennt.
So richtig diese Regel auch sein mag, so falsch ist sie doch, wenn sie als Legitimation für das Begehen der immer gleichen Fehler dient. Wie oft hat Klopp nun schon öffentlich seine emotionalen Aussetzer bereut und Besserung gelobt, ohne dass sich spürbar etwas geändert hätte? Es scheint, als sei der Dortmunder Trainer zwar zur Selbsteinsicht fähig, zur Besserung aber nicht.
Die Empörung über den Wiederholungstäter Klopp hält sich dabei zumeist in Grenzen oder verhallt unter dem Verweis auf den im Fußballgeschäft vorherrschenden Druck, dessen man sich eben dann und wann mit einer emotionalen Reaktion entledigen müsse. Leidenschaft und Sport das gehöre eben zwingend zusammen. Richtig daran ist: Man wird keine Emotion einfordern können, ohne im Einzelfall auch einmal eine Überreaktion tolerieren zu müssen.
Und doch sind Klopps Eruptionen mehr als Abbau angestauten Drucks. Die Aggressivität, die sich in seinen wilden Tiraden an der Seitenlinie ausdrückt, hat trotz ihrer Skurrilität mitunter beängstigende Züge. Als beispielsgebendes Vorbild diskreditieren sie Klopp auf ganzer Linie.
Man mag den BVB-Coach mögen oder auch nicht. Sich an seinen erfrischenden Analysen erfreuen oder sein selbstgefälligen Habitus ablehnen. Dies ist wie so oft im Leben Geschmackssache. Und dennoch ist Klopp in seinem unkonventionellem Auftreten eine absolute Bereicherung für den deutschen Fußball, auf die man hierzulande nicht mehr verzichten kann und will. Klopp ist eine Persönlichkeit, eine echte Type, die der zuweilen etwas grauen Bundesliga Farbe verliehen hat.
Gleichwohl entbindet die Ausnahmestellung den Borussen-Trainer nicht von seinen Pflichten als Vorbild. Schließlich wird das, was für Woche auf den Plätzen der Bundesliga und der Champions League vorgelebt wird, nur allzu gern und mit großer Wonne auf den Spielfeldern der Kreisliga imitatorisch nachgelebt. Mit der Folge, dass die ohnehin schon gefährdeten Schiedsrichter von immer mehr Mini-Klopps attackiert werden.
Aber so schlimm ist das alles schließlich nicht. Wenn man denn nur Besserung gelobt...
Er muss doch nicht wg seiner Pöbeleien zum Vorbild werden.
Zum Vorbild kanner ja durchaus, und wird er wohl auch meistens, wg der Dinge, die du beschrieben hast ("Volksnähe, seine Erfolge, seine Authentizität").
Aber sobald er mal Vorbild ist, ist es durchaus auch möglich, dass Leute seine Verhaltensweise gegenüber dem 4. Offiziellen zu einem gewissen Grad übernehmen.
"Bandura und Walters (1963) sehen drei verschiedene Lerneffekte innerhalb des Modelllernens:
Der Beobachtende erwirbt eine neue Verhaltensweise.
Durch Beobachtung des Modells wird bereits vorhandenes Verhalten enthemmt und gehemmt.
Bereits vorhandenes Verhalten wird ausgelöst.
"
Wie Mr Tattoo es auch schon erwähnt hat, ist doch durchaus möglich, dass ein 14-jähriger zu Hause vor dem Fernseher sich denkt "cool, wie der Kloppe das dem Affen gezeigt hat".
Veggie day, Klatschpappen, Reglementierung in allen Lebenslagen olé
@Voegi, poste doch mal den link zu Deinem blog betreffend der UH-Affäre, würde mich auch mal interessieren.
Heute braucht ein Politiker (oder auch sonst eine Person des öffentlichen Lebens) nur ein falsches Wort in den Mund legen und schon geht der moralische Aufschrei durch die Bevölkerung los.
Und dann beschweren wir uns auch noch, dass Politiker genauso wie Fußballspieler nur die immer gleichen Phrasen bringen...
Ich persönlich bin ein riesen Fan von Strauß und Wehner, genauso wie von einem Jürgen Klopp, weil sie sich einfach von der Masse abheben und wo sie hinkommen für Unterhaltung sorgen.
Aber die heutige Gesellschaft scheint mehr auf Schlaftabletten wie Helmut Kohl und Angela Merkel zu stehen.
Also speziell in der letzten Zeit gab es schon auch heftige Übergriffe auf Schiedsrichter genau von Jugendlichen (In Holland wurde sogar einer umgebracht). Mit "einer roten Karte" ist es also nicht immer so leicht getan.
Darüber hinaus kann man das ganze ja auch nicht nur auf Fußball reduzieren. Wäre auch möglich, dass sich ein Schüler gegenüber einer Lehrerin aggressiver verhält, oder ein Jugendlicher, der von einem Polizisten angehalten wird.
Vorweg: Ich finde Klopp hat in dem Moment deutlich - und das zum wiederholten Male - über die Stränge geschlagen. Er hat sich entschuldigt, bei Mannschaft, Schiedsrichtern und öffentlich und wird dafür auch (hoffentlich) eine angemessene Strafe kassieren.
Auch bin ich der Auffassung, dass Klopp durchaus eine Vorbildfunktion einnimmt, auch wenn andere Personen sicherlich einen größeren Einfluss auf die Entwicklung von jungen Menschen haben, irgendein Einfluss ist sicher da, denn junge Menschen saugen alles in sich auf was sie wahrnehmen. So weit so gut.
Worüber aber mMn eigentlich diskutiert werden sollte, ist nicht OB Klopp ein Vorbild ist, sondern ob er überhaupt so ein SCHLECHTES Vorbild ist.
Ich weiß absolut nicht, was verwerflich daran sein soll, wenn man sich ärgert - ob zu Recht oder nicht sei mal dahingestellt - sich auch mal richtig Luft zu verschaffen, solange niemand zu Schaden kommt und sich hinterher noch die Hand geben kann. Im Gegenteil, ich finde sowas toll.
Man könnte theoretisch auch eine Diskussion in die andere Richtung führen, mit einem Trainer der alles immer in sich reinfrisst und niemals ein Wort der Entrüstung verliert, welchen sich ein gemobbter Junge als Vorbild nimmt, nie ein Wort sagt, sich komplett in sich kehrt, alles mit sich machen lässt und irgendwann Amok läuft weil er seine Emotionen nie katalysieren konnte.
Klar ist das Beispiel weit her geholt, alles was ich aufzeigen möchte ist, dass man so gut wie an jedem Verhalten positive und negative Seiten finden kann. Ich persönlich kann sehr gut mit Klopps Art leben und empfinde diese in keinster Weise als jugendgefährdend.
Er macht Fehler, bereut diese und versucht hinterher mit den Betroffenen ins Reine zu kommen. Er schlägt niemanden, begeht keine Straftat. Aber er bleibt sich treu und verbiegt sich nicht. Was ist daran verwerflich?