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22.07.2010 um 02:07 Uhr
Bild dir deinen Fussball (2)

Zurück zu Teil 1.

Ein weiterer Gradmesser für den Bild-Einfluss ist die Sache mit den Benotungen. Jeden Sonntag erscheint die "Bild am Sonntag" mit den Spielberichten zur Bundesliga und der Benotung jedes einzelnen Spielers. Und dass dieser Prozess einen großen Einfluss hat, bestätigen die Benoteten selbst. Fredi Bobic meint: "Wer behauptet, dass ihn die Noten nicht interessieren, der lügt." Und Ex-Nationalspieler Thomas Helmer sagt: "Wenn die BamS-Zensur am Sonntag schlecht ist, melden sich plötzlich Verwandte und fragen, ob alles in Ordnung ist." Somit hat die Bild direkten Einfluss auf die allgemeine Beurteilung und damit auch den Marktwert eines Spielers.
Bei der Benotung lassen sich die Redakteure aber nicht nur von der Leistung auf dem Platz leiten, Wolfgang Ruiner, Ex-Bild-Redakteur und guter Freund von Lothar Matthäus, erzählt: "Lothar hat mich manchmal angerufen und gesagt: 'Du, pass auf, wir müssen morgen dem Mehmet Scholl einen Dreier geben. Der hat gut gespielt'. Und der hat am nächsten Tag wirklich einen Dreier gehabt und die haben das in der Kabine mitbekommen. Wir haben es übertrieben."

Polemik:
("öffentlicher, meist scharfer und unsachlicher Meinungsstreit")

Streit ist immer gut. Ein guter Skandal verkauft eben sich besser als ein 08-15-Bericht vom Auftakttraining der Bayern. Deshalb ist Bild immer vorne mit dabei, wenn es darum gilt, sich mit irgendjemandem anzulegen oder wegen irgendetwas die Meinung zu geigen. Vor allem, wenn der englische Boulevard wieder einmal gegen die Deutschen wettert und irgendwelche uralten Nazi- oder Weltkrieg-Assoziationen ausgräbt, ist Bild zur Stelle und gibt Konter, um solche "Geschmacklosigkeiten erster Güte" nicht ungestraft davonkommen zu lassen.



Doch auch Figuren, die der Bild gar nichts Böses wollen, bekommen ihr Fett weg, denn Stress steigert immer die Auflage. Lionel Messi beispielsweise hat Bild nichts getan, und trotzdem lautete die Titelzeile am Tag des Argentinien-Spiels bei der WM: "Maradona, heute kriegt dein Messi auf die Fressi!". Auch Sebastian Deisler kann ein Lied davon singen, dass der Ton der Bild schnell umschlagen kann, je nachdem, wie es gerade passt. Anno 2001 war der noch der große Hoffnungsträger des deutschen Fussballs, der von allen als der kommende deutsche Fussballstar gefeiert wurde, und Bild verpasst ihm schnell den Namen "Basti-Fantasti". Als Deutschland im Oktober 2001 in München gegen England mit 1-5 verlor und eine Jahrhundertniederlage einsteckte, gab Bild dafür größtenteils Deisler die Schuld. Es wurde geschrieben, dass Deisler im Spiel "um 40 Zentimeter geschrumpft" gewirkt habe und dass er wohl schon "auf den Geldkoffern des FC Bayern" sitze, also hieß eine Schlagzeile: "Basti, wir streichen dir das Fantasti!". Die Bild am Sonntag fragte außerdem "War der Nervendruck zu groß?". Wenn man an die Entwicklung und das Ende von Deislers Karriere denkt, wirken diese Schlagzeilen heute umso verheerender.



"Wir streichen dir das Fantasti!"

Und während der Euro 2008 gab es ein schönes Duell mit der polnischen Tageszeitung "Fakt", die vor dem Spiel Deutschland-Polen auf der Titelseite Ballack als Krieger darstellte, dem vom Nationaltrainer der Polen, Leo Beenhaker, der Kopf abgeschlagen wird,. Das ließ sich Bild nicht gefallen und eröffnete den Boulevardkrieg, tagelang war der Skandal auf beiden Seiten Thema Nummer Eins. Die ganze Pöblerei war ja ganz nett, aber: beide Zeitungen stammen aus demselben Haus. Die "Fakt" gehört nämlich auch dem Axel-Springer-Verlag. Das Giftduell der Zeitungen war also wahrscheinlich bloße Auflagenmacherei.

Freundschaftspflege:
("denen, die kooperieren, so oft wie möglich Zucker in den Hintern blasen")

Die Beziehung zwischen Bild und wichtigen Personen des Fussballs bestimmt sich nach relativ einfachen Regeln: Wie du mir, so ich dir. Wenn sich ein Fussballer der Bild gegenüber kooperativ zeigt, bereitwillig Informationen liefert, und keine Zicken macht, bekommt er von der Bild keine Probleme und kommt in den Artikeln immer gut weg. Und diese Art der Kooperation muss für Menschen in einer solchen Position ziemlich verlockend sein, denn wenn eine Zeitung, die jeder liest, einen regelmäßig als tollen Hecht darstellt, dann ist das ja schon ziemlich vorteilhaft.


Mit "Bild" zu Gottstatus: Franz Beckenbauer

Franz Beckenbauer verfasst in der Bild seit Jahrzehnten Kolumnen und wird von ihr regelmäßig als Gottfigur des deutschen Fussballs porträtiert, deren Meinung in Fussballdeutschland Gesetz ist. Als er noch aktiv war fädelte sein Manager Robert Schwan einen Wechsel in die USA ein, der den Kaiser im Herbst seiner Karriere noch einmal ordentlich kassieren ließ. Die Bild aber konnte den Verlust ihres Zugpferdes nicht fassen und machte Schwan deshalb kurzerhand zum "Judas des deutschen Fussballs". Als andere Medien über ein uneheliches Kind des Kaisers berichteten, hielt seine Kumpelzeitung zu ihm und schwieg eisern. Erst als es nicht mehr anders ging, veröffentlichte Bild die Neuigkeit, natürlich mit Exklusivinterview des Erwischten.
Lothar Matthäus hatte während seiner aktiven Zeit den Spitznamen "IM (Inoffizieller Mitarbeiter) Lothar", weil er oft und gerne Interna aus der Kabine an seinen Bild-Spezi Wolfgang Ruiner weitergab. Was bei den Bayern passierte, stand am nächsten Tag in der Bild. Bei soviel Kooperationsbereitschaft half die Bild dann auch gerne dabei mit, den alternden Lothar noch in den Kader der EM 2000 zu zwingen. In der Rückrunde bekam Matthäus auffälligerweise gute Noten, egal in welchem Spiel, egal bei welcher Leistung.


Dank Bild immer Klassenbester: Lothar Matthäus

Für die breite Öffentlichkeit stand deshalb schnell fest: der Matthäus hat es noch drauf, den brauchen wir! Bundestrainer Erich Ribbeck ließ sich auch beeindrucken und nahm den inzwischen 39-jährigen mit zur EM, was aber Gift für die Atmosphäre in der Mannschaft war und in einem Ausscheiden in der Gruppenphase endete. Auch 2004, als nach dem Rücktritt Rudi Völlers ein neuer Bundestrainer gesucht wurde, brachte Bild seinen Kumpel in Stellung und warb vehement für Matthäus.
Ein noch aktives Steckenpferd der Bild ist Phillip Lahm. Der tritt in Bild-Werbespots auf und lässt die Zeitung seine Hochzeit seitenweise ausschlachten. Dafür wird er in Artikeln beschrieben als "Mann der Superlative", "Boss Lahm" und "echter Führungsspieler". Lahms Fans äußerten per Facebook Kritik an seiner Bild-Werbung, seine Reaktion war ziemlich trocken: "Diese Zeitung lesen viele Menschen."

Diesmal sogar: Teil 3


Aufrufe: 14020 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 23 | Erstellt:22.07.2010
ø 9.8
KOMMENTARE
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eshkeeya
MODERATOR
22.07.2010 | 02:35 Uhr
3
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eshkeeya : 
22.07.2010 | 02:35 Uhr
0
eshkeeya : 
Kommentare bitte unter den letzten Teil, Danke
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