Ganz Fußballdeutschland sehnt den 15. August herbei, wenn endlich die Bundeliga in ihre neue Saison startet. Nur eine kleine Gruppe Fußballverrückter richtet ihr Augenmerk bereits auf den vorangehenden Donnerstag. Denn dann werden die Schiedsrichteransetzungen des 1. Spieltags bekannt gegeben. Ein Festtag für alle Bulischianti-Freunde, nach rund drei Monaten ansetzungsloser Zeit.

Bulischianti, das klingt wie eine neue Rotweinsorte aus der Toskana, ist aber nichts anderes als das wohl abgedrehteste Tippspiel in Zusammenhang mit der Fußball-Bundesliga. "Bulischianti" ist die Kurzform von Bundesligaschiedsrichteransetzungstipp, den ich zusammen mit ein paar ähnlich verrückten Sonderlingen seit geraumer Zeit im Internet exerziere. Dieser absonderliche Wettbewerb ist ein gutes Beispiel dafür, welch seltsame Ausmaße die Begeisterung für den Fußball annehmen kann.

Worum also geht es? Für jeden Spieltag legt Schiedsrichter-Obmann Volker Roth zusammen mit dem zuständigen Ausschuss die Schiedsrichteransetzungen für die Bundesligaspiele fest. Ziel von Bulischianti nun ist es, zu mutmaßen, wie Herr Roth vorgeht. Böse Zungen behaupten, er erledige die Ansetzungen während seiner allmorgendlichen Sitzung auf dem heiligen Örtchen, während sich unsereins stundenlang den Kopf zerbricht. Mag sein? Das stört uns nicht! Im Gegenteil: Seit Bulischianti wissen wir nun, wie wir uns die elendig langen Minuten auf dem Allerheiligsten vertreiben können. Der vermutlich etwas konsternierte Fußball-Laie wird ungläubig den Kopf schütteln und sich fragen "Was soll das?" Zugegeben, diese Frage stellen wir uns auch immer wieder.

Da wir aber bislang noch zu keiner befriedigenden Antwort gekommen sind, sei an dieser Stelle die zweite Frage des unvoreingenommenen Beobachters beantwortet: "Woher kann man wissen, wer was wann pfeift?" Hier greifen die heiligen Bulischianti-Regeln. Dazu gehört zum Beispiel, dass ein Berliner Schiedsrichter nie ein Hertha-Spiel pfeifen darf (es sei denn, Mirko, Ante & Co. haben ihre Finger im Spiel). Neben dem regionalen Gesichtspunkt haben aber natürlich auch Qualitätsunterschiede ihre Bedeutung: Topspiele werden meist von Top-Schiedsrichtern gepfiffen: Markus Schmidt bei Schalke – Bayern – eine abstruse Vorstellung! Sofern die Zeit bei der Sitzung reicht, versucht Volker Roth natürlich auch darauf zu achten, die Schiedsrichter zwischen den Vereinen möglichst gerecht zu verteilen: So soll möglichst jeder Verein in den Genuss Fandel'scher Pfiffe kommen. Und genauso muss im Laufe einer Saison jeder Club einmal die seltsame Welt des Peter Sippel kennenlernen.
Dies alles und manches mehr gilt es bei Bulischianti zu berücksichtigen – ein wahrhaft ausgeflipptes Tippspiel für Fußballverrückte!

Hier nun ein kleiner Einblick in die heiligen Bulischianti-Regeln:

§ 1: Angemessenheitsregel
Top-Spiele sollten auch nur von Top-Schiedsrichtern gepfiffen werden. Spiele von mittlerer und untergeordneter Bedeutung dürfen und sollen dagegen von mittelklassigen Schiedsrichtern geleitet werden. PvdS (Perlen vor die Säue): Top-Schiedsrichter sollten möglichst nicht bei unbedeutsamen Spielen eingesetzt werden.

§ 2: Verteilungsregel
Die Schiedsrichter der Liga sollten die Vereine möglichst gleich häufig während einer Saison pfeifen. Insbesondere ist zu vermeiden, dass ein Schiedsrichter innerhalb kurzer Zeit mehrere Spiele ein und derselben Mannschaft pfeift.

§ 3: Regionalitätsregel
Schiedsrichter dürfen keine Spiele pfeifen, bei denen eine Mannschaft beteiligt ist, die aus räumlicher Nähe des Wohnortes des Unparteiischen stammt oder demselben Landesverband angehört. Dorekong (Doppelte regionale Kongruenz): Die Regel kann im Einzelfall vernachlässigt werden, wenn beide Mannschaften nahe des Wohnortes des Schiedsrichters beheimatet sind.

§ 4: Imkompabilitätsregel
Bestimmte Schiedsrichter dürfen bzw. sollen aufgrund in der Vergangenheit liegender Ereignisse bestimmte Mannschaften nicht mehr pfeifen. Schulbeispiel war bis zuletzt die sog. "Lex Merk"; Markus Merk durfte seit dem Saisonfinale 2001 nicht mehr Spiele des FC Schalke 04 leiten.

§ 5: Verfügbarkeitsregel
Selbstverständlich, aber doch zu beachten: Pfeifen kann nur, wer dazu in der Lage ist und überdies Zeit hat. Verletzte Schiedsrichter stehen genauso wie abstinente Kollegen nicht zur Verfügung.

§ 6: Unwägbarkeitsregel
Erwarte das Unerwartete: Ansetzungen sind grundsätzlich spekulativ und nicht mit Sicherheit vorauszusehen. Neben den unumgänglichen Bulischianti-Regeln bestimmen die Laune und Experimentierfreude von Volker Roth, das Wetter und vielleicht auch in China umfallende Reissäcke die Ansetzung.

Und wer jetzt denkt "Wie krank ist das denn?", dem beantworte ich diese, wenn auch rein rhetorische, Frage gerne mit einem selbstironischen "Sehr!".