01.12.2009 um 21:26 Uhr
Bundesliga B
Dienstag, 7.11.2006:
Der Karlsruher SC besiegt 1860 München mit 4:1 und belegt den ersten Platz der 2. Fußball-Bundesliga. Nach dem Spiel ziehen die Fans der Karlsruher jubelnd vom Wildparkstadion in die Stadt und feiern ihr Team und ihren Trainer Ede Becker. Die Welt ist schön. Am Ende der Saison steigt der KSC in die erste Bundesliga auf.
Samstag, 18.4.2009:
Nach einem spektakulären und hochklassigen Fußballspiel trennt sich der Karlsruher SC 2:2 von 1899 Hoffenheim und ist mit 4 Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz Tabellenletzter der Fußball-Bundesliga. Als Trainer Ede Becker in der 63. Minute bei einem 1:2 Rückstand den defensiven Mittelfeldmann Godfried Aduobe auswechselt und dafür den offensiveren Alexander Iashivili bringt, kocht die Volksseele über. „Becker raus!" skandiert die Fankurve. Aduobe hatte übrigens wegen einer Verletzung um seine Auswechselung gebeten. Am Ende der Saison steigt der KSC in die 2. Bundesliga ab.
Nun frage ich euch: Wenn ihr Fans des KSC wärt, bei welchem Erlebnis wärt ihr lieber dabei gewesen? Ich vermute einfach mal: Beim ersten. Tolle Stimmung, ein gutes Spiel, viele Tore und der Blick auf die Tabelle macht auch Spaß. Das Komische daran: Angeblich ist doch die Zeit, die ein Klub in der 2. Liga verbringt, die schreckliche Leidenszeit. Und die erste Liga ein 34 Spieltage dauerndes Freudenfest. Oder etwa nicht?
Na ja, eher nicht, würde ich sagen. Zumindest, wenn man Anhänger einer Mannschaft ist, die sich nicht langfristig in der ersten Liga etabliert hat. Und das wird immer schwerer. Schließlich starteten 10 von 18 Mannschaften in diese Bundesligasaison mit dem erklärten Ziel, einen internationalen Wettbewerb zu erreichen. Zur Erinnerung: Fünf internationale Startplätze sind uns sicher, vielleicht kommt ein Sechster hinzu. Für mehr muss schon Weihnachten und Ostern auf den gleichen Tag fallen. Dahinter gibt es ein Mittelfeld, bestehend aus Frankfurt und Hannover. Die sind übrigens ein Beispiel dafür, dass beständige Ligazugehörigkeit auch nicht glücklich macht. Nachdem man sich etabliert hat, wollen die Fans nämlich plötzlich nicht nur genug Punkte für den Klassenerhalt, sondern auch noch attraktiven Fußball. Dann folgen zwei Teams, die eigentlich ins Mittelfeld gehören würden, wenn sie sich nicht so oft selbst im Weg stehen würden (Gladbach und Köln) und der Rest, na ja, der ist nur auf Besuch. So wie zwei Jahre lang der KSC.
Natürlich gibt es immer mal wieder Ausreißer nach oben oder unten. Dass momentan Stuttgart und Hertha die beiden letzten Plätze belegen war eher nicht so geplant. Schließlich gehörten die zu den Teams, die sich international orientieren wollten. Und dass Mainz 05 momentan auf Platz 7, vor dem amtierenden deutschen Meister Wolfsburg steht, war auch nicht unbedingt zu erwarten. Aber jetzt mal die Hand hoch, wer glaubt, dass sich die Nullfünfer auf Jahre hinaus in der oberen Tabellenhälfte etablieren werden. Keiner? Hatte ich mir gedacht.
Immer mehr Klubs geben mittlerweile nämlich nicht mehr die Maxime aus, dauerhaft erste Liga zu spielen. Sondern sie wollen zu den Top 25 Klubs in Deutschland gehören. Natürliches Revier: Die untere Hälfte der Bundesligatabelle und die obere Tabellenhälfte der 2. Liga. Sozusagen eine Bundesliga B. Zusammen mit Cottbus, Aachen, Kaiserslautern, Bielefeld und so weiter. Und wer meint, zu dieser Gruppe zu gehören sei unter seiner Würde, der sollte mal über Folgendes nachdenken: Mainz baut gerade ein neues Stadion. Die in Aachen und Augsburg wurden im Sommer fertig gestellt. Pauli baut um, Freiburg, Cottbus und Karlsruhe müssten dringend etwas tun. Schließlich muss man die wirtschaftlichen Voraussetzungen schaffen, um überhaupt auf diesem Niveau der Bundesliga B mithalten zu können. Und 30,000 Zuschauer sollten dann schon reinpassen, in den neuen Fußballtempel. Wer die nicht hat, der muss sich bald nach weiter unten orientieren.
Denn klar ist: Diese Aufteilung Fußball-Deutschlands beruht natürlich auf den finanziellen Voraussetzungen der Klubs. Und weil sicher viele gleich wieder rufen: Geld ist aber auch nicht alles, antworte ich darauf mit: Stimmt. Aber ohne Geld ist alles nichts. Geld schießt keine Tore. Aber die Spieler, die man dafür kaufen kann, schon. Die Wahrscheinlichkeit, für 5 Millionen einen brauchbaren Zweitligaspieler zu finden ist nun mal größer, als wenn man einen ablösefreien Mann verpflichten muss.
Das soll nicht heißen, dass man ohne die entsprechenden finanziellen Mittel nicht auch mal eine gute Erstligasaison spielen kann. Bleiben wir beim Beispiel Karlsruhe. Im Aufstiegsjahr überraschte der (eingespielte) KSC die Eliteklasse trotz des kleinsten Etats der Liga mit offensivem Fußball und war zur Winterpause Sechster. Am Ende sprang Rang 11 heraus und das war ein großer Erfolg. Aber dann griffen die Mechanismen des Fußballs: Die Konkurrenz wirbt die besten Spieler ab (in diesem Fall z.B. Spielmacher Hajnal) und die zu ersetzen ist extrem schwer. Greift man daneben, wie es der KSC tat, geht es eben wieder bergab. Und es ist keine Frage, ob es bergab geht. Die Frage ist nur, wann es passiert.
Deshalb hatte Freiburgs verstorbener Präsident Achim Stocker vollkommen Recht, als er nach den Aufstieg seines SC sagte, der nächste Abstieg sei schon vorprogrammiert. Auch wenn es damals (und vielleicht auch heute noch) viele nicht hören wollen: Die Wahrscheinlichkeit, dass der SC Freiburg (oder Mainz, Bochum und wie sie alle heißen) die nächsten zehn Jahre ununterbrochen in der ersten Liga verbringen ist verschwindend gering. Und jetzt mal ehrlich: In Liga zwei vorne weg zu marschieren und der Konkurrenz den Hintern zu versohlen macht doch ohnehin viel mehr Spaß als, sagen wir mal, ein 0:6 gegen Werder Bremen.
Und deshalb empfehle ich den Aufstiegsanwärtern aus Liga zwei (Kaiserslautern, Bielefeld usw.), sich ernsthaft zu überlegen, ob sie sich das überhaupt antun wollen. Für die Stimmung im Klub und das Umfeld wäre es vielleicht besser, einfach auf den Aufstieg zu verzichten und auch im nächsten Jahr wieder die 2. Liga zu dominieren. Hertha und Stuttgart wären euch auch wirklich dankbar.
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 7137 | Kommentare: 40 | Bewertungen: 22 | Erstellt:01.12.2009
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KOMMENTARE
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02.12.2009 | 12:27 Uhr
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midget :
10 punkte, da du nicht den FC erwähnt hast ;)scherz bei seite. gelungene darstellung eines 2. liga experten. die phrasen haust du zwar raus, wie lattek in besten zeiten, allerdings hast du im detail sehr recht.
nehmen wir mal meinen kleinen bescheidenen fussballclub aus köln. bin ich ja fan von. seit gefühlten hundert jahren, tatsächlich sind es genau 33.
ich und viele andere leidensgenossen, u.a. mein hochverehreter vater, 44 kumpels und don, sehen den FC lieber schön spielen und in der tat. ich feiere lieber ein 8-0 in der zweiten liga gegen (damals) wacker burghausen, als dass ich 4-0 klatschen hinnehmen muss gegen vereine die ich nicht mag.
sehe ich in die zukunft meines clubs, sehe ich nichts. wahrscheinlich mit ein grund warum daum gen bosporus auswanderte. der FC wird in absehbarer zeit weder in den europapokal kommen noch unter den ersten 10 der liga sich etablieren.
von daher wäre ich zwar traurig nicht mehr zur elite deutschlands zu gehören, würde mich dennoch nicht verbuddeln, da ich mich auf die montagsspiele der zweiten liga , auch freuen würde. diese liga wird eh unterschätzt.
ähm, nicht das man mich falsch versteht, ich WILL NICHT, dass mein verein absteigt. wenn es aber dazu käme, wären wir wenigstens wieder eine spitzenmannschaft. wenn auch in liga 2.
starker blog. andreas!
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02.12.2009 | 12:33 Uhr
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xxlhonk :
@ MidgetEr hat doch den FC Dings erwähnt...
"...wenn sie sich nicht so oft selbst im Weg stehen würden (Gladbach und Köln) und der Rest, na ja, der ist nur auf Besuch..."
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02.12.2009 | 12:37 Uhr
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xxlhonk :
Ich wusste das Du das sagst.Aber deutet er nicht an, dass ihr gerade mal wieder auf dem Wege in Richtung Bochum seid?
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02.12.2009 | 12:37 Uhr
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AndreasRenner : @midget
Wenn ich Dich darauf hinweise, dass ich den FC sehr wohl erwähnt habe, ziehst Du mir dann Punkte ab? Im Übrigen erfüllt der Vorwurf, ich würde Phrasen raushauen wie einst Udo Lattek den Tatbestand der Beleidigung. Ganz davon abgesehen, dass ich ihn ohnehin nicht nachvollziehen kann.
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02.12.2009 | 12:40 Uhr
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Dr_D :
@midget
Der FC wird im Blog erwähnt! Vereine die ins Mittelfeld gehören, aber sich selbst im Weg stehen ( Gladbach und Köln ). Jetzt ein Abzug?
@honk
Auch bei den "Grossen" können junge Spieler eingebaut werden. Ein sehr gutes Beispiel ist Barca, gut liegt jetzt nicht wirklich in Schland, aber trotzdem. Die holen immer wieder junge Leute in die 1. Mannschaft und haben auch noch Erfolg damit. Ja ich weiss, in Deutschland wachsen die Iniesta, Xavi, Messi nicht auf den Bäumen, aber Puyols haben wir auch.
Man muss einfach nur a) den Mut haben und b) etwas Glück und c) Standhaftigkeit, Durchhaltevermögen.
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02.12.2009 | 12:43 Uhr
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xxlhonk :
@ Dr_DIch wollte damit nicht sagen, dass man alle jungen Spieler erst einmal verleihen muss.
Im Gegenteil.
Aber oft ist der Weg so etwas einfacher für die jungen Kerle.
Gegenbeispiele gibt es immer wieder.
Ob in Schalke, München oder auch Hamburg.
Aber um diese Vereine geht es hier ja nicht.
Oder willst DU Schalke dazu zählen?
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02.12.2009 | 12:43 Uhr
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midget :
@andreaswar ja nicht böse gemeint aber:
Für mehr muss schon Weihnachten und Ostern auf den gleichen Tag fallen.
oder
Geld ist aber auch nicht alles, antworte ich darauf mit: Stimmt. Aber ohne Geld ist alles nichts. Geld schießt keine Tore.
und natürlich hast du den FC erwähnt, ich weiss es ja, allerdings in einem positiveren licht, da du ihn ja schon fürs mittelfeld der liga hochredest. in der realität sieht es ja en bisschen anders aus.
also: nicht erwähnt in zusammenhang mit bochum, lautern etc.
dafür danke ich dir!
so alles geregelt jetzt ;)
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02.12.2009 | 12:44 Uhr
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Naja. Die 2.Ligasaison hatte auch die schönen und weniger schönen Seiten.
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Statistik
Ich bin doch schon Präse...sprecher vom MMC
Danke für die Blumen.
Ich denke dass genau die von Andreas genannten Clubs die richtige Anlaufstelle zur Nachwuchsförderung sind und wären.
Denn
1. haben die das richtige Niveau dafür
2. ist das genau die richtige Plattform für die jungen Spieler, die ja zum Teil auch von den "großen" Vereinen nur ausgeliehen werden, damit die Spielpraxis bekommen (können)
3. Sind diese Vereine auch imagemässig in der Lage, die Junges anzulocken
4. Ist die sportliche Aufgabe sehr groß und da kann das Talent dann mal zeigen, was es wirklich drauf hat und sich auch im Auf- und/oder Abstiegskampf bewähren. Man schaue sich nur mal einen Rodnei an. In Berlin nicht gewollt, ist der Junge der zweikampfstärkste Spieler der 2ten Liga! In Berlin wäre der verheizt worden oder hätte nur auf der Bank gesessen.
Jetzt hat er die Praxis und Aufmerksamkeit.
Und wenn sich die Vereine clever anstellen, lassen sich aus diesen Leihgeschäften win-win-win-Situationen herstellen.
Der Spieler gewinnt, weil er Spiele und damit eine Plattform bekommt.
Der verleihende Verein gewinnt, weil der Spieler Praxis bekommt und man sehen kann, ob er das Format und die wahre Qualität hat, um wieder zurück geholt zu werden (Siehe Kroos).
Und der leihende Verein hat starke Spieler und signalisert eine klare Strategie.
Das ist alles etwas kurz gehalten, und bedarf verschiedener Parameter und auch einen starken Vereinsvorstand.
Aber machbar (und sinnvoller) scheint mir dieser Weg alle Male.
Und wenn ich mir gerade Cottbus anschaue, haben die, obwohl in der 2ten Liga aktuell nur auf Platz 11, deutlich mehr Ruhe im Verein.
Alle wissen da, das man auf junge Spieler setzt und das die ein wenig Zeit brauchen.
Und solange die alles geben, sind auch Niederlagen kein Problem für die Fans.