03.09.2011 um 18:11 Uhr
Danke Tommy!
Seien wir mal ehrlich, die rosigen Zeiten des deutschen Tennis sind lange vorbei. Zeiten in denen Steffi Graf eine ganze Nation vor dem Fernseher lockte, Boris Becker und Michael Stich sich ein rein Deutsches Wimbledon Finale bestritten und zusammen Olympia Gold im Doppel holten. Man mag es kaum glauben, aber diese glorreichen Zeiten des deutschen Herrentennis liegen über 15 Jahre zurück. Während es im Deutschen Damentennis wieder rapide Bergauf geht, dank der neuen unbekümmerten Generation um Andrea Petkovic, Sabine Lisicki und Julia Görges sieht es bei den Herren trist wie selten zuvor aus. In den letzten zehn Jahren gab es eigentlich nur einen Deutschen Spieler, der es vermochte Weltklasse Leistungen über einen längeren Zeitraum zu bringen, der es geschafft hatte nach jeden noch so tiefen Nackenschlag sich wieder aufzurichten und um viele unvergessliche Matches abzuliefern. Dieser langsam erlöschende Hoffnungsfunke ist Tommy Haas. Ein Spieler zwischen Genie und Wahnsinn, voller Emotionen und Aggressivität und vielleicht die vorerst letzte große Deutsche Tennis Ikone.
Als der damals 19 Jährige Tommy Haas seine Karriere auf der ATP Tour begann, hätte er wohl nie damit gerechnet, dass seine gesamte Laufbahn zwischen Himmel und Hölle pendeln würde. Seine erfolgreichste Zeit war ohne Frage um die Jahrtausend Wende. Zu beginn des Jahres 1999 erreichte er das Halbfinale der Australien Open, scheiterte aber an der russischen Tennis Legende Jewgeni Kafelnikow in drei Sätzen. Trotzdem war dies sein Durchbruch in die Weltspitze, der erste Turniersieg folgte nur wenig später gegen den Amerikaner Jim Courier in Memphis. Zudem scheiterte er nur Knapp an der Qualifikation für die Tennis WM in Hannover. Im darauf folgenden Jahr erreichte er Sensationell das Finale des Olympischen Tennisturniers in Sydney, scheiterte aber in einem wahren Tenniskrimi erneut an Kafelnikow. Doch seine erfolgreichste Saison sollte noch kommen. Im Jahr 2001 errang er vier Turniersiege auf der ATP Tour, darunter der deutliche Dreisatz Erfolg über den Weißrussen Max Mirny bei dem Masters Series Turnier in Stuttgart, scheiterte jedoch erneut knapp an der Qualifikation für das ATP Masters. Nach dem wiederholten Erreichen des Halbfinales der Australien Open (Fünfsatz Niederlage gegen Marat Safin) gelang ihm am 18. Februar 2002 der Sprung auf den 2. Platz der Weltrangliste, aber in diesem für Haas schicksalsträchtigen Jahr wendete sich das Blatt. Im Sommer verunglückten seine Eltern bei einem schweren Motorrad Unglück und es war lange Unklar ob es sein sehr nahe stehender Vater überleben würde. Zudem folgten zwei schwerwiegende Schulter Operationen die im gesamten 2003 kein Spiel zuließen.
Doch woran noch kaum jemand glaubte, Haas kam zurück. Und wie er das tat. Nach 467 Tage startete er ein phänomenales Comeback, erreichte zwei Turniersiege in Houston und Los Angeles. Nach einem eher durchwachsenen Jahr schaffte der gebürtige Hamburger den Sprung in die zurück in die Weltspitze. In einem der besten Spiele die ich Live verfolgen konnte, scheiterte er in einer Fünfsatzschlacht an dem damals unbestrittenen besten Spieler der Welt Roger Federer , zeigte dennoch eine Phasenweiße brillante Leistung und führte den Schweizer zeitweilig vor. Es folgten drei Titel auf der ATP Tour und das denkwürdige Viertelfinale bei den US Open, indem er einen sicher geglaubten Sieg gegen seinen Angstgegner Nikolai Dawydenko verspielte. Auch Anfangs des nächsten Jahres spielte Haas auf hohen Level, bezwang nach einem der legendärsten Ausraster auf der ATP Tour seinen russischen Angstgegner und erreichte erneut ein Halbfinaler eines Grand Slams. Doch der Chilene Fernando Gonzales verhinderte den langersehnten Einzug ins Finale der Australien Open.
Im Jahr 2008 begann erneut eine Odyssee für den Wahlamerikaner, das Verletzungspech stoppte erneut seinen Erfolgstrend und er konnte nur wenige Glanzlichter setzen. Doch wie schon so oft in seiner sich stetig in andere Richtungen entwickelnden Laufbahn startete „Hasi" noch einmal durch, nachdem er seinen mittlerweile besten Kumpel Roger Federer bei den French Open an den Rand einer Niederlage brachte, jedoch am Ende wieder Unterlag dominierte er die Gerry Weber Open in Halle nach belieben, obwohl er nur dank einer Wild Card ins Feld gerutscht war. Im Finale entzauberte er den heutigen Primus Novak Djokovic. In Wimbledon erreichte er nach einem unvergesslichen Spiel gegen den Kroaten Marian Cilic und einer erneuten Vorführung Djokovics, zum ersten Mal die Vorschlussrunde beim Prestige trächtigsten Turnier der Welt, doch erneut war Federer die Endstation. Der Rest der Saison 2009 verlief solide, aber wenig berauschend. Nach dem Aus in Runde Drei gegen den Franzosen Jo Wilfried Tsonga 2010 in Melbourne stürzte Haas erneut in eine Verletzungsmisere. Im Gegensatz zu den vergangenen Comebacks konnte Haas sich dieses Mal nicht so Eindrucksvoll zurückmelden und es lief schlicht und ergreifend enttäuschend für die ehemalige deutsche Nummer 1.
Über die Person Tommy Haas lässt sich durchaus streiten, einige Eskapaden neben den Platz und seine oft Provokante Art trugen nicht unbedingt zum Image des Saubermanns bei, aber wenn wir ehrlich sind, Emotionen machen doch den Sport erst besonders. Er wird wohl nie die Chance bekommen ein Grand Slam zu gewinnen, nie an einem Masters Finale teilnehmen und wahrscheinlich war der Turniersieg in Halle sein letzter großer Titel. Seine Weltranglisten Bilanz erinnert mehr an ein Berg Etappen Profil der Tour de France als an eine tolle Karriere. Aber all dass sollte keine Rolle spielen bei der Bewertung dieses Ausnahmekönners. Viele schaffen es einmal aufzustehen wenn sie am Boden liegen, aber der deutsche schaffte es in einer Permanenz, die seines Gleichen sucht. Diese Leistungen kann man mit keinen Titel der Welt gleichsetzen und es bleibt einen einfach nur das hypothetische Gefrage was wäre wenn? Sicherlich hätte Thomas Haas nie die Weltspitze dominiert, aber es hätten sich zu seinen 13 ATP Erfolgen einige mehr gesellt. Mittlerweile wird es immer sicherer, dass sein 14. Profijahr gleichzeitig sein letztes war, was nach ihm kommt ist Ungewiss. Kontinuität ist zum Fremdwort im deutschen Herrentennis geworden, der überschätze Phillip Kohlschreiber, Florian Meyer und Phillip Petzschner sind an unbeständig kaum zu überbieten. Talente sind Mangelware und ob es in näherer Zukunft eine solch imposante Entwicklung wie bei den Damen gibt, ist zweifelhaft.
Nachdem der Blog doch sehr umfassend geworden ist, halte ich den Schluss kurz. Danke Tommy, für 14 Jahre Emotionen, Wutanfälle und Tolle Matches! Die krachende Rückhand, das gemeckere mit den Schiedsrichtern der Welt sowie das zerschlagen der Rackets, das wird uns alle fehlen.
Der krönende Abschluss :
http://www.youtube.com/watch?v=8gQ2NhteF44&feature=results_main&playnext=1&list=PL47D77F9525B0430E
Aufrufe: 6253 | Kommentare: 24 | Bewertungen: 20 | Erstellt:03.09.2011
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KOMMENTARE
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05.09.2011 | 16:15 Uhr
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mainzerforever :
also das Wort ''erneut'' scheint dein Lieblingswort zu sein. Das hört sich sprachlich nicht so toll an, wenn in vier aufeinander folgenden Sätzen ''erneut'' steht. Sonst aber wirklich gut und interessant. 8 Pts ;)
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05.09.2011 | 16:18 Uhr
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gopanse :
Schöner Blog.Ich weiss zwar nicht, warum Kohlschreiber überbewertet sein soll; von dem erwartet doch niemand was (das hält er dann auch), aber es stimmt, nach Haas (und mit Abstrichen Kiefer) kam nicht mehr viel.
Die schönste Rückhand im Herrentennis hat sich aber stark bei den US Open verabschiedet und nochmal gezeigt, dass er einfach ein Klassespieler war/ist.
Tommy, mach et jut !
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05.09.2011 | 18:26 Uhr
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jasi2106 :
Ich kann mich deinem Blog nur anschließen. Wirklich super geschrieben! 10P.Ich habe immer gerne die Spiele von Tommy Haas angeschaut. Ich kann mich an ein paar wirklich klasse Spiele u.a. bei den US Open (oft auch in der Night Session) erinnern. Auch dieses Jahr habe ich mich auf jedes der 3 Spiele gefreut.
Es war immer wieder unglaublich wie er nach den Verletzungen die Kraft hatte zurückzukommen und dann auch wieder richtig gute Leistungen gezeigt hat.
Schade, dass seine Karriere nun zu Ende geht.
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05.09.2011 | 19:17 Uhr
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Die Rückhand von Haas ist eine der schönsten aller Zeiten, leider war die Vorhand nicht so stark.
Trotzdem hätte er viel mehr erreichen können wenn er nicht ständig verletzt gewesen wäre...
Wenn sein Name fällt denke ich immer an ein legendäres Match bei den US Open gegen James Blake wo er in einer ganz entscheidenden Phase Stopp-Lob-Stopp-Lop gespielt hat, da haben die Amerikaner Standing Ovations verteilt...
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05.09.2011 | 22:14 Uhr
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danke tommy haas für dein tennis!
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05.09.2011 | 22:56 Uhr
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lbvbl :
Haas ist der wohl krankste Spieler auf der Tour...seine Selbstgespräche sind legendär und ich hatte nen lachflash als er Davydenko einen "kleinen russichen Widerling" genannt hat....mal ehrlich vom Talent her hätte er ein ganz großer werden können, aber der Körper hat nich mitgespielt...
edit: zwar nich ganz so groß wie Haas, aber Kiefer war auch mal die Nummer 3
Danke Tommy, das markanteste deutsche Tennisgesicht, was allerdings bei den Warmduschern von Mayer, Kohli und Beck auch kein Wunder ist:D
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06.09.2011 | 00:04 Uhr
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Red_7 :
Ich finde nicht, das man das Kohlschreiber und Co wirklich vorwerfen kann. Wenn sie zufrieden sind mit dem Status Quo, dann sollen sie so weitermachen. Sie spielen schließlich nicht um irgendeinen öffentlichen Anspruch auf Spitzenspieler zu befriedigen, sondern verdienen damit ihr Geld...
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06.09.2011 | 01:23 Uhr
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bkg86 :
Servus,also erstmal toller Blog.
Ich persönlich war nie ein Fan von Haas, es gab Zeiten da hab ich gehofft, dass er verliert. Nun mag das dumm klingen für einen wie mich der selber Tennis spielt und sozusagen mit Haas großgeworden ist (ja gut die Endphase Stich, Becker war auch noch dabei). Mir war Haas einfach immer zu arrogant, zu Schnöselhaft. Gerade wenn ich seinen Vater sah, sah ich das deutsche Tennisproblem: Diese völlig versnobbten Tennisfamilien.
Ich war da immer eher auf der Kieferseite, wobei man auch ihm für seine oft phlegmathische Spielweise genug Vorhaltungen machen kann.
Wie auch immer, in Zeiten wie diesen und das hast du gut zum Ausdruck gebracht, wo das deutsche Herrentennis völlig danieder liegt weil manche Spieler einfach nicht wollen (Kohlschreiber,Petzschner), andere es nicht besser können (Berrer,Mayer) habe auch ich meinen Frieden mit Tommy gemacht.
Noch einmal zurückzukommen, nach so einer Verletzung, da kann man nur den Hut ziehen.
Vom Talent alleine her hätte er sicher über ein Jahrzehnt Top 10 spielen können, und auch wenn ich nicht glaube das er jemals einen Grand Slam Sieg geholt hätte, ein Finale wie es ja z.B. selbst ein Schüttler geschafft hatte, wäre drin gewesen und hätte er sich verdient gehabt.
Ich an seiner Stelle würd auch noch eine Saison dranhängen.
Wie auch immer, es steht zu hoffen dass es irgendwann malwieder mit dem Herrentennis bergauf geht. Ich seh zwar kein Licht am Ende des Tunnels, aber die Mädels zeigen wie schnell sowas gehen kann.
Man kann es sich nur wünschen, weil Leute wie ihr und ich, die noch nachts Aussie und US Open sonst leider aussterben.
MFG
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06.09.2011 | 10:06 Uhr
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Agony :
super blog 10P. echt stark und ich denke er hat es verdient mehr gewürdigt zu werden hier in deutschland. einzige super spieler und auch noch ein super typ. go tommy !!!!!
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