28.02.2008 um 14:08 Uhr
Darth Vaders und Backenfutter
Derby-Time. Bayern vs. 1860, endlich mal wieder was los in der Stadt.
Am Ende ja wirklich ein mitreißender Kick, auch wenn's eigentlich erst nach 84 Minuten so richtig losging, als der Ohrschrauber vom Feld wackelte. Aber endlich mal wieder ein richtiges Fußballspiel mit allem drum und dran in der Double-A, endlich mal wieder mehr Gebrüll als von 5000 Gäste-Fans und ein paar Bayern-Lümmeln und endlich mal wieder Knistern von Pasing bis Englschalking, von Ramersdorf bis Hasenbergl (für nicht Münchner: Von West nach Ost und Süd bis Nord).
Neben drei Gelb-Roten Karten, einem wiederholten Elfmeter und einem Last-Minute-Sieg der Bayern gab's deshalb auch noch eine andere Derby-Bilanz: Drei demolierte U-Bahnen mit eingeschlagenen Scheiben, eine verletzte Mitarbeiterin der Münchner Verkehrsgesellschaft, zwölf verhaftete "Fans" und vier weitere in Polizeigewahrsam. Klar, für internationale Derby-Verhältnisse ziemlich easy, aber gemessen an der sonst fast schon freundschaftlichen Stimmung zwischen beiden Klubs und der Polizeipräsenz in der bayrischen Landeshauptstadt war's, O-Ton Polizei-Sprecher Wenger "so schlimm wie schon lange nicht mehr".
Ich selbst hab mich aus dem gröbsten Trubel rausgehalten. So gut es ging eben. Vorher ein bisschen Atmosphäre tanken musste schon sein. Wenn ich privat ins Stadion gehe, bin ich kein Freund des sterilen erst-10-Minuten-früher-Kommens und 5-Minuten-vor-Abpfiff-Gehens. Ein echtes Fußballspiel dauert mindestens fünf Stunden, mit Vor- und Nachspiel.
Um 16.30 Uhr beginnt das Derby für mich. Die Redaktion liegt in der Nähe des Sendlinger Tores, dort rotten sich bereits die 1860-Fans zusammen. Polizei ist natürlich auch schon da, dabei ist der Löwe zunächst recht friedlich, obwohl der Feind von der Säbener Straße das Heiligtum, das Grünwalder Stadion, im Vorfeld rot-weiß beschmiert hatte. Gesoffen wird natürlich nicht zu knapp, auch das Gegröle wird von Minute zu Minute lauter. Sei's drum, die Polizei hat den Mob im Griff, die Jungs in Grün sind heute schwarz, sehen alle aus wie Darth Vader und verstehen bestimmt keinen Spaß. Als die ersten Flaschen auf Polizei-Busse fliegen, verziehe ich mich in Richtung Norden, muss man sich nicht geben.
17 Uhr. Keine 300 Meter weiter am Viktualienmarkt sammelt sich der Bayern-Mob. Auch die Schickeria, die von Uli Hoeneß so geliebte Ultra-Gruppierung, trifft sich dort. Riesenjubel als zwei Fans das erste Vereinswappen der Bayern aus dem Jahr 1900 am Kirchturm des Alten Peters befestigen, Blickrichtung Sendlinger Tor und Löwen-Fans, versteht sich. Auch hier sind die Darth Vaders und kesseln die rund 300 singenden Bayern-Fans ein, in Richtung Sendlinger Tor geht gar nichts, bloß kein Zusammenstoß der Fan-Massen ist das oberste Ziel.
17.30 Uhr. Als sich der Bayern-Trupp in Bewegung setzt, hänge ich mich hinten dran, muss man ja mal anschauen. Immer mehr Fans laufen mit, der Weg geht vorbei am Marienplatz die Theatinerstraße runter zur Feldherrenhalle am Odeonsplatz. Mittlerweile sind es locker 500 oder 600 Mann, die Polizei läuft mit, die Fans singen ausgelassen. In den Modegeschäften der Theatinerstraße drücken sich die Schicki-Micki-Kunden am Schaufenster von innen die Nase platt, an den Fenstern der Fassaden überall Gesichter und Fotoapparate. Hab ich in München auch noch nicht erlebt. Die Montagsmaler aus dem Grünwalder Stadion werden gefeiert, "Ihr habt ein rot-weißes Stadion" oder "Wenn wir wollen, malen wir Euch an", sind die kreativsten Neuschöpfungen im Liederrepertoire der Bayern-Fans. Am Odeonsplatz werden die Roten von der Polizei in die U-Bahn runter gezwängt, der Löwe muss derweil am Sendlinger Tor noch warten. Ein Zusammenstoß in der U-Bahn wäre wohl der "worst case", das wird so vermieden.
Ich bleibe noch ein wenig am Odeonsplatz und gehe erst um 18.30 Uhr zur U-Bahn runter. Die erste Durchsage berichtet schon was von Fahrzeugschäden, der erste Zug ist dann auch schon vollgestopft mit Sechzig-Fans. Ein paar Jungs in Bayern-Trikots neben mir werden von den U-Bahn-Insassen übel beschimpft als sich die Türen öffnen. Gott sei Dank fliegen keine Bierflaschen raus oder rein, das wäre echt übel, da gibt's schnell mal Rambazamba. Zwei Züge warte ich noch, da gibt's kein rein, kein raus, die sind alle dicht. Also Taxi, das geht über Schleichwege ganz flüssig. Die letzten zwei Kilometer werden gelaufen.
19.45 Uhr. Endlich am Stadion angekommen. Ein Kollege erzählt mir gerade am Handy, das im U-Bahn-Tunnel gar nichts mehr geht. Löwen-Fans haben Scheiben eines Zuges eingeschlagen, danach alle raus aus der U-Bahn, nächster Zug, und an der nächsten Haltestelle das gleiche Spiel von vorne. Dreimal das ganze. Normalerweise braucht man 15 Minuten vom Marienplatz zur Arena, so dauert das heute locker ne Stunde. Gut, dass es Taxis gibt. Die trostlose Esplanade zum Stadion raus ist polizeifrei, wundert mich. Sind wohl alle an der U-Bahn-Station, dort soll's Backenfutter gegeben haben. Je näher man dem Stadion kommt, desto weniger Hass ist spürbar. Gut so, geht ja schließlich auch um Fußball und nicht um Keile.
20.25 Uhr. Ich sitze im Oberrang Süd hinter dem Bayern-Block, da hat man Überblick, aber null Atmosphäre. Mal wieder Opernpublikum um mich herum, wenigstens ausnahmsweise mal in Fußball-Farben. Die Bayern-Choreo halten trotzdem alle brav hoch. Von vorne ist das alte Vereinswappen dargestellt, der 108. Geburtstag des Vereins wird gefeiert. "Ganz München feiert das Geburtstagskind" prangt in großen Lettern von der Südtribüne, darunter "und ihr sollt auch ein Stück vom Kuchen abhaben", daneben wirft ein Münchner Kindl einem Löwen eine Torte ins Gesicht. Nett. Organisiert hat das übrigens der Club Nr. 12, die andere Lieblingsvereinigung von Uli Hoeneß.
23.04 Uhr. Ribery schnickt den Elfer rein, die Löwen verlieren in letzter Minute. Der Bayern-Block explodiert (wenn der Bayern-Block überhaupt explodieren kann). Der Löwe ist einen Augenblick lang mucksmäuschenstill, nach dem Schlusspfiff werden die Jungs von Marco Kurz dennoch gebührend gefeiert. Draußen vor dem Stadion bleibt danach alles ruhig. Irgendwie scheinen alle zufrieden zu sein, von Revanchegelüsten der Löwen keine Spur. Reicht ja jetzt auch für den einen Tag. Um 0.30 Uhr bin ich zuhause, mein Derby hat heute acht Stunden gedauert.
Am Ende ja wirklich ein mitreißender Kick, auch wenn's eigentlich erst nach 84 Minuten so richtig losging, als der Ohrschrauber vom Feld wackelte. Aber endlich mal wieder ein richtiges Fußballspiel mit allem drum und dran in der Double-A, endlich mal wieder mehr Gebrüll als von 5000 Gäste-Fans und ein paar Bayern-Lümmeln und endlich mal wieder Knistern von Pasing bis Englschalking, von Ramersdorf bis Hasenbergl (für nicht Münchner: Von West nach Ost und Süd bis Nord).
Neben drei Gelb-Roten Karten, einem wiederholten Elfmeter und einem Last-Minute-Sieg der Bayern gab's deshalb auch noch eine andere Derby-Bilanz: Drei demolierte U-Bahnen mit eingeschlagenen Scheiben, eine verletzte Mitarbeiterin der Münchner Verkehrsgesellschaft, zwölf verhaftete "Fans" und vier weitere in Polizeigewahrsam. Klar, für internationale Derby-Verhältnisse ziemlich easy, aber gemessen an der sonst fast schon freundschaftlichen Stimmung zwischen beiden Klubs und der Polizeipräsenz in der bayrischen Landeshauptstadt war's, O-Ton Polizei-Sprecher Wenger "so schlimm wie schon lange nicht mehr".
Ich selbst hab mich aus dem gröbsten Trubel rausgehalten. So gut es ging eben. Vorher ein bisschen Atmosphäre tanken musste schon sein. Wenn ich privat ins Stadion gehe, bin ich kein Freund des sterilen erst-10-Minuten-früher-Kommens und 5-Minuten-vor-Abpfiff-Gehens. Ein echtes Fußballspiel dauert mindestens fünf Stunden, mit Vor- und Nachspiel.
Um 16.30 Uhr beginnt das Derby für mich. Die Redaktion liegt in der Nähe des Sendlinger Tores, dort rotten sich bereits die 1860-Fans zusammen. Polizei ist natürlich auch schon da, dabei ist der Löwe zunächst recht friedlich, obwohl der Feind von der Säbener Straße das Heiligtum, das Grünwalder Stadion, im Vorfeld rot-weiß beschmiert hatte. Gesoffen wird natürlich nicht zu knapp, auch das Gegröle wird von Minute zu Minute lauter. Sei's drum, die Polizei hat den Mob im Griff, die Jungs in Grün sind heute schwarz, sehen alle aus wie Darth Vader und verstehen bestimmt keinen Spaß. Als die ersten Flaschen auf Polizei-Busse fliegen, verziehe ich mich in Richtung Norden, muss man sich nicht geben.
17 Uhr. Keine 300 Meter weiter am Viktualienmarkt sammelt sich der Bayern-Mob. Auch die Schickeria, die von Uli Hoeneß so geliebte Ultra-Gruppierung, trifft sich dort. Riesenjubel als zwei Fans das erste Vereinswappen der Bayern aus dem Jahr 1900 am Kirchturm des Alten Peters befestigen, Blickrichtung Sendlinger Tor und Löwen-Fans, versteht sich. Auch hier sind die Darth Vaders und kesseln die rund 300 singenden Bayern-Fans ein, in Richtung Sendlinger Tor geht gar nichts, bloß kein Zusammenstoß der Fan-Massen ist das oberste Ziel.
17.30 Uhr. Als sich der Bayern-Trupp in Bewegung setzt, hänge ich mich hinten dran, muss man ja mal anschauen. Immer mehr Fans laufen mit, der Weg geht vorbei am Marienplatz die Theatinerstraße runter zur Feldherrenhalle am Odeonsplatz. Mittlerweile sind es locker 500 oder 600 Mann, die Polizei läuft mit, die Fans singen ausgelassen. In den Modegeschäften der Theatinerstraße drücken sich die Schicki-Micki-Kunden am Schaufenster von innen die Nase platt, an den Fenstern der Fassaden überall Gesichter und Fotoapparate. Hab ich in München auch noch nicht erlebt. Die Montagsmaler aus dem Grünwalder Stadion werden gefeiert, "Ihr habt ein rot-weißes Stadion" oder "Wenn wir wollen, malen wir Euch an", sind die kreativsten Neuschöpfungen im Liederrepertoire der Bayern-Fans. Am Odeonsplatz werden die Roten von der Polizei in die U-Bahn runter gezwängt, der Löwe muss derweil am Sendlinger Tor noch warten. Ein Zusammenstoß in der U-Bahn wäre wohl der "worst case", das wird so vermieden.
Ich bleibe noch ein wenig am Odeonsplatz und gehe erst um 18.30 Uhr zur U-Bahn runter. Die erste Durchsage berichtet schon was von Fahrzeugschäden, der erste Zug ist dann auch schon vollgestopft mit Sechzig-Fans. Ein paar Jungs in Bayern-Trikots neben mir werden von den U-Bahn-Insassen übel beschimpft als sich die Türen öffnen. Gott sei Dank fliegen keine Bierflaschen raus oder rein, das wäre echt übel, da gibt's schnell mal Rambazamba. Zwei Züge warte ich noch, da gibt's kein rein, kein raus, die sind alle dicht. Also Taxi, das geht über Schleichwege ganz flüssig. Die letzten zwei Kilometer werden gelaufen.
19.45 Uhr. Endlich am Stadion angekommen. Ein Kollege erzählt mir gerade am Handy, das im U-Bahn-Tunnel gar nichts mehr geht. Löwen-Fans haben Scheiben eines Zuges eingeschlagen, danach alle raus aus der U-Bahn, nächster Zug, und an der nächsten Haltestelle das gleiche Spiel von vorne. Dreimal das ganze. Normalerweise braucht man 15 Minuten vom Marienplatz zur Arena, so dauert das heute locker ne Stunde. Gut, dass es Taxis gibt. Die trostlose Esplanade zum Stadion raus ist polizeifrei, wundert mich. Sind wohl alle an der U-Bahn-Station, dort soll's Backenfutter gegeben haben. Je näher man dem Stadion kommt, desto weniger Hass ist spürbar. Gut so, geht ja schließlich auch um Fußball und nicht um Keile.
20.25 Uhr. Ich sitze im Oberrang Süd hinter dem Bayern-Block, da hat man Überblick, aber null Atmosphäre. Mal wieder Opernpublikum um mich herum, wenigstens ausnahmsweise mal in Fußball-Farben. Die Bayern-Choreo halten trotzdem alle brav hoch. Von vorne ist das alte Vereinswappen dargestellt, der 108. Geburtstag des Vereins wird gefeiert. "Ganz München feiert das Geburtstagskind" prangt in großen Lettern von der Südtribüne, darunter "und ihr sollt auch ein Stück vom Kuchen abhaben", daneben wirft ein Münchner Kindl einem Löwen eine Torte ins Gesicht. Nett. Organisiert hat das übrigens der Club Nr. 12, die andere Lieblingsvereinigung von Uli Hoeneß.
23.04 Uhr. Ribery schnickt den Elfer rein, die Löwen verlieren in letzter Minute. Der Bayern-Block explodiert (wenn der Bayern-Block überhaupt explodieren kann). Der Löwe ist einen Augenblick lang mucksmäuschenstill, nach dem Schlusspfiff werden die Jungs von Marco Kurz dennoch gebührend gefeiert. Draußen vor dem Stadion bleibt danach alles ruhig. Irgendwie scheinen alle zufrieden zu sein, von Revanchegelüsten der Löwen keine Spur. Reicht ja jetzt auch für den einen Tag. Um 0.30 Uhr bin ich zuhause, mein Derby hat heute acht Stunden gedauert.
Aufrufe: 4833 | Kommentare: 9 | Bewertungen: 6 | Erstellt:28.02.2008
ø 9.8
KOMMENTARE
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28.02.2008 | 14:24 Uhr
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Ste :
Gut geschrieben - als Nicht-Münchner kann man das gestrige Geschehen in der Stadt gut nachvollziehen.
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28.02.2008 | 15:52 Uhr
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lordalmo : bitte nicht spekulieren!
woher willst du wissen dass die schickeria das transparent am alten peter aufgehängt hat??bitte keine wilden spekulationen!
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28.02.2008 | 15:55 Uhr
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FlorianBogner : Entschuldige bitte...
...wenns nicht die Schickeria war, dann tut's mir leid. Hatte ich so interpretiert. Ist aber letztendlich auch egal, wer's war.
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28.02.2008 | 16:01 Uhr
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lordalmo :
Ich weiß auch nicht wers war. Aber in einem Artikel der auf der Startseite von Spox ist, solche "Schuldzuweisungen" zu machen, find ich leichtsinnig.
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28.02.2008 | 16:11 Uhr
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lordalmo :
Schuld an Aktivitäten die der bayerischen Polizei nicht besonders gefallen dürften...
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28.02.2008 | 17:17 Uhr
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Gummi07 :
nicht schlecht geschrieben... deine erlebnisse kommen mir ziemlich bekannt vor... wir haben das ja in Dresden oft genug^^ nur das es leider meistens immer eskaliert...
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28.02.2008 | 20:56 Uhr
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Mariostyle : Scherzkeks
Echt ein Super Spiel muss ich sagen.Also für mich kann 1860 kein Fussball Spielen.In der Zweiten Liga spielen die einfach nur scheisse.Gestern haben die nicht besser gespielt wenn ich schon den Stürmer da vorne sehe kukovic oder wie der Super Stürmer da heisst dann bekomme ich brechreiz einfach nur schrott das team.Sorry von vorne bis hinten
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