Das Spiel der Edeltechniker Mesut Özil, Mario Götze oder Marco Reus basiert auf den Fähigkeiten eines genialen Ausnahmekönners, der fast in Vergessenheit geriet. Die Rede ist von Heinz Flohe, dem Weltmeister von 1974.
Diese Behauptung stellt der Filmemacher Frank Steffan auf, der seinen Dokumentarfilm "Heinz Flohe - Der mit dem Ball tanzte" vor wenigen Tagen auf dem renommierten 11mm Fußballfilm Festival in Berlin vorstellte. Es ist die filmisch umgesetzte Wiederentdeckung eines Wegbereiters technischer Finessen und eines Vorreiters der modernen Fußballtechnik allgemein.
Netzer: "Er ist so unglaublich gut gewesen"
Es sind nicht nur die auch heute noch atemberaubenden Spielszenen, die in der Dokumentation zu sehen sind, auch die Aussagen von prominenten Fußballgrößen zeugen von allerhöchster Wertschätzung. Bayern Münchens Triple Trainer Jupp Heynckes bezeichnet Flohe dort etwa als "Artisten" und führt selbst heute noch staunend aus, das "man so etwas bis dahin nicht kannte."
Günther Netzer betont, dass es keinen in Deutschland gegeben habe, der Flohes technische Fähigkeiten erreichte. "Er ist so unglaublich gut gewesen, hat Dinge gemacht, die keiner von uns konnte, auch die ganz großen Spieler Deutschlands nicht" steigert Netzer diese Feststellung noch.
Eine Aussage, die von Dr. Jupp Kapellmann, Weltmeister 1974 und dreifacher Champions League Sieger mit Bayern München, mit der These, das "Heinz Flohe heute die 100 Millionen Grenze oder generell jede Transferrekordsumme sprengen würde" gestützt wird. Dies stehe für ihn außerhalb jeder Diskussion.
Beckenbauer: "Einer der besten Techniker der Welt"
Auch Franz Beckenbauer bezeichnet Flohe zu dessen aktiver Zeit, in der als dreifacher DFB Pokalsieger (1968/77/78) und Deutscher Meister 1978, auch nationale Titel sammelte, als "einen der besten Techniker der Welt."
Warum aber bestritt dieses Ballgenie nur 39 Länderspiele und ist heute der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannt? Die Antwort sucht der Film in der Persönlichkeit Flohes, dem einerseits augrund seiner extremen Medienscheu eine wichtige Lobby fehlte. Andererseits vermied der Edeltechniker den offenen Konflikt, etwa mit Wolfgang Overath, seinem Mitspieler beim 1.FC Köln. Obwohl er diesen leistungstechnisch mit der Zeit überholte, ordnete er sich dem machbewussten Weltstar unter. Erst Trainer-Legende Hennes Weisweiler forcierte das Karriereende des alternden Overath und machte Flohe zum Kapitän. Die Folge: Das Double 1978 mit einem Heinz Flohe in Gala-Form.
Probleme mit dem Bundestrainer
Das Verhältnis zu DFB-Bundestrainer Helmut Schön war stets problematisch, zu unterschiedlich waren diese beiden Charaktere. Der schöngeistige Klassikliebhaber auf der einen, der feierfreudige Boxfan Flohe auf der anderen Seite, das passte nicht. Der formstärkste Mittelfeldspieler bestritt bei der WM 1974 nur drei Spiele. Auch bei der EM 1976 kam Flohe zumeist von der Bank, war aber durch Tore und Vorbereitungen mitverantwortlich für den Finaleinzug gegen die CSSR. Bei der WM 1978 endlich gesetzt, zeigte er beim 6:0 über Mexiko eine Weltklasseleistung mit zwei Toren, aber er verletzte sich später und Deutschland schied ohne seinen Spielmacher gegen Österreich in Cordoba aus.
Das tragische Ende
Im Dezember 1979 endete die Karriere Flohes durch eines der folgenreichsten Fouls der Bundesligageschichte tragisch. Bis auf eine kurze Phase als Co-Trainer des 1.FC Köln verließ er die große Fußball-Bühne und hielt sich von den Medien fern. Im Mai 2010 brach Heinz Flohe aufgrund von Herzproblemen auf offener Strasse zusammen und blieb drei Jahre im Wachkoma. Er verstarb als erster 74er Weltmeister am 15. Juni 2013.
Niersbach: "Özil kommt Flohe am nächsten!"
Zwei Jahre nach seinem Tod feiert Heinz Flohe nun eine Art Comeback. Der 1.FC Köln benannte seine Fußballschule nach seinem Double-Kapitän, seit Oktober 2014 steht sein Denkmal vor der Südtribüne des Kölner Stadions. Unabhängig davon erschien nun der Heinz Flohe Film über einen eigentlich unvergleichlichen Fußballer. Doch DFB Präsident Wolfgang Niersbach fand einen aktuellen Spieler, der Flohe ähnelt. "Der Spieler, der ihm am nächsten kommt ist Mesut Özil, der auch diese Leichtigkeit im Spiel hat sowie die Nähe zwischen Genie und Wahnsinn."
Ob Özil der Name Heinz Flohe ein Begriff ist und das er zu den Größen des deutschen Fußballs gehört? Vielleicht bald, denn der Film "Der mit dem Ball tanzte" wandelt bewusst jenseits der üblichen Fußballfilmklischees und ist dank der sehr komprimierten, tragischen und auch triumphalen Lebensgeschichte des Heinz Flohe so kurzweilig, dass ihn sich sowohl Fußballfans, aber auch weniger am runden Leder Interessierte ansehen können. Wohl auch darum belegte er beim 11mm Fußballfilm-Festival als bester deutscher Beitrag des Jahres 2015 just den 2. Platz.
Vielen Dank für den Blog!!!
Man kann fraglos noch viel mehr schreiben - aber: Mich freut vor allem, dass Du überhaupt über Flocke geschrieben hast!
und vor allem schön, dass ein ganz großer die wüdigung erhält, die er verdient.