Martin ist Student, lebt in München und verfolgt nicht nur die Profis des FC Bayern, sondern auch die Amateure und Nachwuchsmannschaften im Stadion.
Servus Martin. Nächste Woche haben wir erneut Länderspielpause. Zeit für dich zu relaxen oder wie verbringst du deine Zeit, wenn der FC Bayern mal nicht spielt?
Unter der Woche kann ich auf meinem Überstundenkonto in der Arbeit endlich mal wieder ein kleines Polster anhäufen und am freien Wochenende freut sich die Familie darüber, dass ich mal wieder mehr Zeit für sie habe!
Das Schöne ist, dass man in solchen Pausen, sein ganz persönliches Fazit, über bisher Erreichtes, ziehen kann. Wie siehst du die Profis des FC Bayern in der bisherigen Saison?
Es ist wie ein unglaublich schöner Traum, aus dem man sonst normalerweise auffwacht. Ich hoffe, wir wachen daraus nicht so schnell auf. Zweifellos ist es aber natürlich so, dass der April und Mai entscheidend sein werden und im Herbst noch keine Titel gewonnen werden.
Du bist ein sogenannter Allesfahrer, sprich, du hast schon so ziemlich jede Fußballarena in Europa gesehen. Wie motivierst du dich, die Amateure des FC Bayern, zum Beispiel nach Illertissen oder Buchbach zu begleiten.
Die Regionalliga ist ein wichtiger Ausgleich für mich, neben dem Blitzlichtgewitter bei den Profis auch mal einfach mal nur Fußball zu sehen ohne dem riesengroßen Tamtam, welches bei Bundesliga- und Europapokalspielen herrscht.
Apropos Amateure. Letzte Saison hatte man mit Würzburg und in dieser Saison mit Regensburg dicke Brocken vor der Brust. Zur Halbzeit der Saison führt Regensburg die Tabelle an. Ein erwartetes Bild oder hattest du die Bayern Amateure mit auf der Rechnung?
Bisher spielen sowohl Regensburg als auch die Bayern Amateure unter meinen Erwartungen. Die Regensburger haben auf keinen Fall die Klasse, die die Würzburger letztes Jahr hatten und haben mich weder beim Spiel gegen unsere Profis (Wenn man Lahm, Alonso, Rode + Ersatzspieler der Amateure so bezeichnen kann) noch gegen unsere Amateure überzeugt. Leider spielt aber auch unsere Mannschaft eine recht bescheidene Saison. Für mich ist die derzeitige Mannschaft unter den Mannschaften der beiden vergangenen Saisons anzusiedeln. Nicht vom Talent her, das wäre vorhanden, aber die Einstellung stimmt einfach hinten und vorne nicht.
Wie meinst du das? Spielst du dabei auf Sinan Kurt und Steeven Ribery an? Bei beiden hörte man ja, dass sie sich einige Fehlverhalten geleistet haben sollen.
Das ist ein Problem, das sich durch die ganze Mannschaft zieht, auch wenn einzelne Spieler mit diesem Problem sicher mehr hervorstechen an andere.
Szenen aus dem Amateurderby TSV 1860 - Bayern München
Die Mannschaft hat im Sommer sicherlich durch diverse Abgänge an Qualität verloren. Allerdings sollte es durch die Strafversetzung von Kurt, Gaudino und Green von den Profis zu den Amateuren auch eine deutliche Qualitätsaufwertung gegeben haben. Merkt man dies im Spiel und haben sich die 3 voll in das Team integriert?
Gaudino spielt sehr unkonstant und hat vor allem gegen Gegner, die ihn körperlich attackieren, große Probleme. Wenn er Zeit und Raum hat, gibt er der Mannschaft sicher eine große Qualität. Julian Green spielt schlechter als vor zwei Jahren, im Vergleich hat er sich eher zurück denn weiterentwickelt. Und zu Sinan Kurts Leistung bei den Amateuren ist jedes Wort überflüssig.
Was müsste aus deiner Sicht passieren, damit es vielleicht doch noch mit Platz 1 und den damit verbundenen Aufstiegsspielen klappt?
Aktuell hat man das Gefühl, einem Teil der Mannschaft ist der Aufstieg recht egal, weil die Spieler sich in der nächsten Saison eh bei einem anderen höherklassigen Verein sehen. Aber die Spieler müssen endlich verstehen, dass ihre derzeitige Leistung maßgeblich dafür ist, wo sie künftig landen. Viele fühlen sich zu gut für die Regionalliga, zeigen aber jedes Wochenende, dass es eben genau die richtige Liga für ihre derzeitige Leistung ist. Der ein oder andere wird ein böses Erwachen haben, wenn seine künftige Realität dann eben nicht 2. Bundesliga, sondern Abstiegskampf in der dritten bzw. Aufstiegskampf in der 4. Liga lautet. Und dort ist man dann nahe an der Grenze zum Amateurfußball, von dem man nicht leben kann, ohne noch nebenbei zu arbeiten.
Allerdings müsste es doch das langfristige Ziel des Vereins sein, dass die Amateure sich in Liga 3 etablieren. Zumindest wäre es für die Talente, die zweifelsohne vorhanden sind ein großes Plus. Oder siehst du den Stellenwert der Amateure, durch das neu entstehende Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) auf Dauer gar gefährdet?
Zweifellos ist das Niveau und das Umfeld in der 3. Liga deutlich besser, um große Talente zu entwickeln. Mit Müller, Badstuber und Alaba haben wir ja drei Spieler auf Weltklasseniveau als gute Beispiele. Und gerade unser derzeitiger U17 Jahrgang ist der wohl beste seit dem Müller/Badstuber/Hummels Jahrgang, für den eine optimale Entwicklung wichtig wäre.
Im November steht noch für alle Münchener ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Termin an. It´s Derbytime. Aus meiner Sicht leider nur bei den Amateuren. Fieberst du dem 22.11. schon entgegen?
Überhaupt nicht. Zum einen wegen dem nervigen Drumherum und dem vielen Stress, der damit verbunden ist. Und zum anderen eben, weil das Derby ein Spiel ist, in dem die richtige Einstellung der Spieler so wichtig ist wie in keinem anderem Saisonspiel. Im Hinspiel im August haben wir hier eine beschämende Leistung gezeigt. Und so, wie ich die Mannschaft derzeit kenne, ist meine Angst groß, dass sie auch diesmal nicht versteht, was ein Derby bedeutet.
Auffällig ist, dass zu normalen Amateurspielen etwa 1000 Zuschauer in die Hermann-Gerland-Kampfbahn kommen. An Derby-Tagen sind es zwischen 10.000 12.000. Woran machst du diesen Hype fest?
Es ist typisch, dass es immer ein großes Saisonhighlight gibt, Bei den Profis ist der Hype ja ähnlich herausstechend bei Spielen gegen den BVB. Prinzipiell waren halt die Derbys früher besser besucht, aber eher im Bereich zwischen 2000 und 6000 Zuschauer. Dann gab es immer mehr teils berechtigte, teils unberechtigte Negativschlagzeilen rund um das Duell und das hat dann sehr viele Leute angezogen. Aktuell ist aber mein Eindruck, dass der Hype geringer wird. Wir versuchen auch gezielt, dieses Abflauen des Hypes zu fördern.
Die meisten Bayernfans hätten sich bei der letzten Pokalauslosung sicher das Spiel Bayern München TSV 1860 gewünscht. Du und sicher einige andere Münchener nicht, warum?
Es ist unbestritten, dass der FC Bayern in München die Nummer 1 ist. Sportlich und fantechnisch. Den einzigen Effekt, den ein Derby haben kann, ist davon irgendwas in Zweifel zu ziehen. Das letzte Derby haben wir auf allen Ebenen gewonnen: Sportlich ein wenig glücklich, aber auf geniale Weise, auf den Rängen mit unserer Choreografie und dem klar besseren Support sowie auf der Straße mit der rot-weißen Westkurve und einem deutlich besser besuchtem roten Treffpunkt im Vergleich zu dem der Blauen. Wir haben bei einem Derby nichts zu gewinnen, nur etwas zu verlieren.
Schauen wir mal im Jahrgang etwas weiter nach unten. Kürzlich wurde der Spatenstich für das neue Leistungszentrum gelegt. Eigentlich ist dieser Bau längst überfällig, da die Säbener Straße aus allen Nähten platzt. Was können wir von diesem Projekt erwarten?
Dass dieses Projekt startet, ist längst überfällig. An der Säbener Straße müssen sich derzeit die Teams beim Training den Platz teilen, zudem entsprechen die Trainingsplätze teilweise gar nicht den üblichen Spielfeldmaßen. Die U19 und U17 tragen ihre Heimspiele momentan auf einem Platz aus, der für die Zuschauer sehr unangenehm ist. Derzeit quetschen sich 13 Nachwuchsspieler sowie Hoeneß, Tarnat, Dremmler, Vogel sowie die Trainer in das kleine Jugendhaus. Künftig haben alle deutlich mehr Platz und es entstehen Wohnungen für rund 75 Jugendliche, theoretisch können also drei komplette Mannschaften dort künftig wohnen.
Zum anderen sorgt dies natürlich auch für Entlastung an der Säbener Straße. Die Frauen müssen nicht mehr in Aschheim draußen trainieren und das bisherige Jugendhaus kann künftig zum Bürogebäude umfunktioniert werden, auch hier hat der FC Bayern bereits massive Kapazitätsprobleme an der Säbener Straße
Ab 2017 sollen hier die Nachwuchsteams beste Bedingungen vorfinden.
Die Konkurrenz im Jugendbereich ist groß. Wie könnte der Verein hier strategisch vorgehen, um die Jahrgangsbesten hier in München zu bündeln?
Man muss einfach an jedem Detail konsequent arbeiten. Das fängt bei den Rahmenbedingungen an, die ja durch den Neubau auf höchstes Niveau gebracht werden. Dann kommt natürlich das Ausbildungsniveau dazu, also die Qualität des Trainings, die Teilnahme an den höchsten Spielklassen sowie der Youth League, die Teilnahme an Trainingseinheiten bei Pep Guardiola. Und der wichtigste Baustein ist natürlich die Perspektive für die Nachwuchsspieler. Hier gilt es zum einen nachzuweisen, dass man es beim FC Bayern schaffen kann, sich bei den Profis durchzusetzen und zum anderen darf jungen Spielern kein Stein in den Weg gelegt werden, wenn es für den FC Bayern nicht reicht, aber sich eine gute Chance bei einem anderen Verein auftut. Auch wenn es manchmal nicht gut für die Amateure ist.
Wir haben beim FC Bayern die höchsten Ansprüche, dementsprechend müssen wir daran arbeiten, dass auch jedes Detail diesen Ansprüchen genügt
Kannst du uns Einblicke geben, inwieweit Uli Hoeneß in diesem Projekt involviert ist?
Das ist von Außen sehr schwer zu beurteilen. Ich persönlich habe die ein oder andere Anekdote gehört, die aber unmöglich zulassen, hier eine fundierte Einschätzung zu geben.
Neben den U19 und U17 Jahrgängen besuchst du auch oft die Spiele der Youth League. Gibt es qualitative Unterschiede zur europäischen Konkurrenz in dieser Altersklasse?
In der Youth League zahlt der FC Bayern bisher sehr viel Lehrgeld. Ähnlich wie bereits in der vergangenen Saison spielt auch unsere derzeitige U19 gut mit, aber die Cleverness fehlt. Nach vier Spielen steht erst ein Punkt auf dem Konto, aber in drei dieser Spiele war unser Team mindestens gleichwertig, speziell das letzte Spiel gegen Arsenal hätten wir aufgrund zahlreicher hochklassiger Torchancen gewinnen müssen.
Ich möchte dich bitten, uns vielleicht ein paar Namen zu nennen, auf die der FC Bayern Fan in Zukunft vielleicht achten sollte. Besser gesagt, wenn siehst du aus der Jugend in Zukunft bei den Profis?
In der U17 gibt es eine ganze Reihe an Spielern, die in Frage kommen. Die Mannschaft gilt als die beste Nachwuchsmannschaft des FC Bayern seit dem Team um Hummels, Badstuber und Müller. Wer es dann aber am Ende schafft, hängt von so vielen Kleinigkeiten ab. Oder kennt jemand heute noch Borut Semler, der damals in der A-Jugend 30 Tore in 25 Spielen erzielte? Ich bin mir allerdings sehr sicher, dass es mindestens einer der folgenden Namen noch sehr weit bringen wird: Ron-Thorben Hofmann, Lukas Mai, Adrian Fein, Tobias Heiland, Timothy Tillman, Meritan Shabani, Franck Evina, Manuel Wintzheimer.
Abschließend möchte ich dich bitte folgende Sätze so knapp wie möglich zu vervollständigen. Fangen wir an:
Wenn die Amateure den Aufstieg doch noch schaffen, dann - erlebe ich den ersten Platzsturm meines Lebens
Welche Schlagezeile würdest du gerne mal über deinen Verein lesen? - X Jahre nach David Alaba erkämpft sich endlich wieder ein eigener Jugendspieler beim FC Bayern einen Stammplatz
Dein erstes Buch hätte welchen Titel? - Ich schreibe kein Buch
Wenn du einen Wunsch frei hättest, welcher wäre es? - Ein Job beim FC Bayern als Berichterstatter für die Nachwuchsmannschaften
So jemandem müsste man den Job als Berichterstatter doch auf Knien anbieten.
Aber sonst ganz interessantes Interview
gutes interview, vorallem auch mal ein paar andere fragen im bezug auf bayern.
das mit dem derby ist so, allerdings macht es trotzdem immer spaß auch sportlich zu zeigen wer die #1 ist ;)
meine hoffnung zukünftig in der youth league mal die ko phase zu erreichen ruhen ebenfalls auf die derzeitige u17, da könnte was wachsen.