M.W: Sie sind u. a. Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung der Deutschen Sporthochschule Köln. Was genau können wir uns darunter vorstellen.
Dr. Froböse: Sport und Bewegung sind zwei wesentliche Faktoren, die dafür sorgen, dass der Mensch gesund bleibt. In meiner Funktion als Leiter des Zentrums für Gesundheit mache ich die Menschen auf genau diesen Umstand aufmerksam. Für viele Leiden, gibt es eine sportliche Antwort und gemeinsam mit meinen Kollegen setze ich alles daran, den Menschen zu vermitteln, wie sie sich durch Sport gezielt von Ihren körperlichen Problemen verabschieden können oder noch besser, was jeder von uns tun kann, um seinen Körper vor diesen Problemen zu bewahren.
M.W: Welche Funktionen haben Sie aktuell noch inne?
Dr. Froböse:
- Sachverständiger des Bundestages in Fragen der Prävention
- Vorsitzender des Forschungsinstituts für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS e.V.) der DSHS Köln
- Sportschlau-Experte im ARD-Morgenmagazin
- Mitglied zahlreicher Beiräte/ Kommissionen
M.W: Die Winterpause ist seit geraumer Zeit passe. Für die Bundesligaspieler hieß es Wunden lecken, regenerieren und sich auf die Rückrunde vorzubereiten. Reichen die knapp 3 Wochen Pause um den Akku wieder aufzuladen?
Dr. Froböse: Kleinere Wehwehchen können in dieser Zeit auskuriert werden, für eine komplette Regeneration ist die Zeit jedoch zu knapp. Winterpause bedeutet schließlich auch nicht, dass die Spieler auf der faulen Haut legen, sondern sie müssen sich fit halten für den Rückrundenstart. In den meisten Fällen findet zudem ein Trainingslager statt, in dem die Belastungen sehr intensiv sind. Für ein kurzes Verschnaufen reicht die Winterpause, um den Akku jedoch vollständig auf zu laden ist sie zu kurz.
M.W: Die meisten hielten ihre Trainingslager logischerweise in warmen Gefilden ab. Birgt das nicht auch ein gewisses Risiko, wenn man dann wieder zurückkommt, gerade wenn man die Muskulatur oder das Immunsystem in Betracht zieht?
Dr. Froböse: Ein gutes Immunsystem kann die Temperaturschwankungen abfangen. Dazu muss es natürlich vorher ausreichend gestärkt sein. Faktoren, die das Immunsystem beeinflussen sind etwa ausreichend Schlaf sowie eine gute Regeneration nach einer intensiven Belastung. Auf die Einhaltung dieser Einflüsse sollte besonders im Trainingslager auch geachtet werden. Denn dort sind die Trainingseinheiten teilweise sehr kraftraubend und belasten somit den Körper. Bekommt der Körper nicht ausreichend Regeneration, so erhöht sich automatisch die Kälteanfälligkeit bei einer Rückkehr ins kalte Deutschland. Aber manchmal verstehe ich auch nicht warum man so weit reisen muss für ein Trainingslager. Sinn macht es meist nicht!
M.W: Kann man pauschal sagen, dass man bei kälteren Temperaturen anders trainieren sollte als bei normaler Witterung?
Dr. Froböse: Prinzipiell ist auch bei kälteren Temperaturen ein gewohntes Training möglich. Allerdings sollte man darauf achten, dass das Warm-up ausreichend ist bzw. gegebenenfalls entsprechend der Witterung verlängert wird. Auch die Kleidung sollte den Temperaturen angepasst werden. Zum Trainingsstart sollte man leicht frieren. Nach einigen Minuten Bewegung wird dann das Kältegefühl nachlassen. Am besten ist der Zwiebel-Look, bei dem man mehrere Schichten übereinander zieht. Falls es während des Trainings zu warm wird, kann man die oberste Schicht problemlos ablegen. Bei Minusgraden ist ein Tuch vor dem Mund empfehlenswert, um die Bronchien nicht der direkten Kälte auszusetzen. Durch den Stoff wird die kalte Luft angewärmt, bevor Sie in die Bronchien gelangt. Ab -15° sollte allerdings auf ein Training verzichtet werden.
Im Fußball hört man immer mehr von sportlichem und seelischem Druck, dem die Spieler ausgesetzt seien. Man ist zum Erfolg verdammt oder man fällt knallhart durch das Raster. Es ist auch kein Geheimnis, dass immer mehr Spieler zu Medikamenten greifen oder sich von Vereinsärzten fit spritzen lassen.
M.W: Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Dr. Froböse: Absolut kritisch, ich plädiere für eine ausreichende Rehabilitationszeit nach einer Verletzung. Spritzen sind kontraproduktiv. Sie bekämpfen zwar den Schmerz, jedoch nicht die Ursache. Das zieht einen Teufelskreis nach sich. Denn auch Spitzensportler sind Menschen wie wir und die biologischen Prozesse brauchen eben ihre Zeit.
M.W. Welche Spätfolgen kann dies bei Fußballern hervorrufen kann?
Dr. Froböse: Der Körper und seine Strukturen sind ein fragiles Konstrukt. Ist eine Verletzung nicht ausgeheilt, werden immer neue Verletzungen zum Vorschein kommen bzw. entstehen. Denn der ganze Körper gerät aus dem Gleichgewicht durch eine geschädigte Struktur. Durch eine Verletzung werden fast automatisch Schonhaltungen eingenommen. Dadurch werden wiederum andere Strukturen stärker und unphysiologisch belastet. Damit steigt die Gefahr von Verletzungen in dieser Struktur. Es ist also ein Teufelskreis, aus dem man nur herauskommen kann, wenn Verletzungen vernünftig auskuriert werden und danach eine ausreichende Rehabilitationszeit für den Spieler eingeräumt wird.
M.W: Sie sagen es. Bestes Beispiel ist aktuell der FC Bayern München. Ein Verein mit perfekten Strukturen und schier unerschöpflichen finanziellen Möglichkeiten. Trotzdem hat man den Eindruck, dass in der medizinischen und trainingsspezifischen Arbeit etwas falsch läuft. Täuscht der Eindruck und welche Rolle spielt hier das Verhältnis Trainer / Arzt?
Dr. Froböse: Leider wird selbst im hochprofessionellen Fußball die Rolle eines ausgeglichenen Athletiktrainings noch unterschätzt. Die Belastungen sind nicht ausgeglichen genug und Verletzungen als Folge vorprogrammiert.
Es ist absolut von Vorteil, wenn Trainer und Arzt ein enges Verhältnis haben und das im Optimalfall schon BEVOR eine Verletzung überhaupt vorhanden ist. Denn so könnte Verletzungen präventiv vorgebeugt werden, wenn der Arzt Hinweise auf eine mögliche Überlastung sieht. Doch leider spielen bei der Trainingsgestaltung Egos eine große Rolle.
M.W: Gerade die Zahl an muskulären Verletzungen steigen sprunghaft an. Man kann doch hier nicht mehr von Zufall sprechen oder?
Dr. Froböse: Grund dafür sind zum einen die bereits angesprochenen einseitigen Belastungen. Zum anderen aber auch die verfrühten Trainingseinstiege nach Verletzungen bzw. die mangelhafte Regenerationszeit. Baut man nach einem Kreuzbandriss etwa nicht ausreichend Muskulatur in dem betroffenen Bein wieder auf, so sind Muskelverletzungen vorprogrammiert. Zudem werden durch Verletzungen andere Strukturen unphysiologisch mehr belastet durch Schonhaltungen. Auch hier kann durch die verstärkte Belastung eine Muskelschädigung hervorgerufen werden.
M.W: Jüngstes Opfer ist Jerome Boateng. Ein austrainierter Modellathlet, der sich einen Muskelbündelriss in den Adduktoren zuzog. Kann dies unter umständen die Folge einer nicht auskurierten Verletzung sein?
Dr. Froböse: Besonders unter dem Erfolgsdruck kann es sicherlich sein, dass ein Spieler zu früh wieder in den Spielbetrieb zurückkehrt. Um erfolgreich zu sein, werden mögliche Folgeschäden einer verfrühten Rückkehr auf den Platz leider oftmals in Kauf genommen. Bei Boateng sehe ich aber auch, dass gerade die Elastizität und Länge der Muskeln zu wenig ausgeprägt war. Das könnte eine Ursache sein.
M.W: Die Liste der Ausfälle lässt sich beliebig lang fortführen. Egal ob Benatia, Götze, Badstuber oder Ribery. Alle erlitten muskuläre Verletzungen. Eine Frage muss erlaubt sein. Muss sich hier der Trainer und sein Team auch mal hinterfragen. Ist vielleicht eine zu hohe Trainingsbelastung oder zu wenig Regeneration der ausschlaggebende Punkt.
Dr. Froböse: Periodsierung ist hier das Stichwort. In allen Sportarten ist es normal, dass auf einen oder zwei Höhepunkte im Jahr hintrainiert wird. Nach diesem Höhepunkt folgt in der Regel eine Zeit der Regenration bis es wieder mit dem nächsten Trainingszyklus los geht. Im Fußball gibt es diese Regulierung jedoch nicht. Von den Spielern wird erwartet über einen Zeitraum von sechs Monaten immer die Höchstleistung zu bringen und so wird auch trainiert. Phasen der Regeneration kommen da leider oftmals zu kurz. Besonders bei Teams die in zwei oder drei Wettbewerben gleichzeitig spielen ist die Belastung noch einmal höher.
M.W: Verletzungen im Spitzensport wird man nie ganz verhindern können. Was kann man jedoch als Sportler vorbeugend dafür tun, dass man das Risiko so gut es geht, minimiert?
Dr. Froböse: Das wichtigste ist auf seinen Körper zu hören und bei Anzeichen einer Überlastung schnelle Gegenmaßnahmen durch physiotherapeutische Behandlungen einzuleiten und in jedem Fall die Intensität des Trainings zu verringern. Denn Schmerzen weg trainieren zu können ist ein Ammenmärchen. Und vor allem das Athletiktraining viel mehr in den Vordergrund rücken, damit präventiv gearbeitet werden kann.
M.W: Thomas Tuchel und der BVB machen es gerade vor. Hat die Ernährung auch einen gewissen Einfluss auf Verletzungen?
Dr. Froböse: Zumindest ist eine bewusste und ausgewogene Ernährung nicht schädlich. Besonders in den Phasen des Muskelaufbaus kann eine eiweißorientierte Ernährung zuträglich, denn Eiweiß ist der Hauptbaustoff des Muskels. Und auch zur Regeneration nach dem Spiel oder einem harten Training ist die abgestimmte Versorgung der Spieler mit hochwertigen Nähr- und Vitalstoffen enorm bedeutsam. Denn wenn Spieler minderwertig Essen und Trinken ist das so als wenn wir schlechten Sprit für unser Auto tanken.
Wie sieht er denn, dass bei Boateng die "Elastizität und Länge der Muskeln zu wenig ausgeprägt war"? Er hat ihn ja nie untersucht, oder?
Für micht wirkt das so, als stünde das Ergebnis des Interviews schon vorher fest: Pep macht in Sachen Trainingssteuerung wenig richtig und verheizt die Spieler. Nur haben wir dafür nie Beweise, weil wir keinen Einblick in die Krankenakten usw. haben.
Dazu passt auch den BVB als Vorbild zu nennen, der im ersten Jahr unter Tuchel ist. Außerdem hatten Reus, Schmelzer, Miki, Bender auch schon Muskelverletzungen. Und ich kann mich nicht erinnern, dass bei Bayern die ersten zwei Jahre extrem viele Muskelverletzungen aufgetaucht sind.