Lebefrau, ehemalige Büronachbarin von Steffi Jones, sozial engagierte Person, Leistungssportlerin, Paralympics-Teilnehmerin, Kader-Mitglied der deutschen Behinderten-Nationalmannschaft seit 1999 , viel unterwegs und das ganze auf 4 Rädern. Man könnte meinen das Leben meint es gut mit dir.
Bist du aktuell zufrieden?
Rückblickend hatte ich unendlich viele tolle Erfahrungen und Erlebnisse. Der Sport hat meine Entwicklung und mein Leben stark beeinflusst und viele Richtungen vorgegeben. Dabei meine ich nicht nur die Erfolge, sondern vllt. noch stärker die Niederlagen und die Dinge, die aus meiner Sicht einfach nicht richtig sind. Aktuell läuft es nicht ganz nach meinen Vorstellungen, aber diese Wellenbewegungen sind doch normal im Leben. Hier heißt es sich treu bleiben, versuchen die Situation zu ändern und sich ggf. von manchen Dingen zu verabschieden.
Fotos von Robin Droste:
Nicht nur der Jahrgang verbindet uns, nein, auch einen persönlichen Schicksalsschlag haben wir gemeinsam. Seit 1992 sitzt du im Rollstuhl und bist aber trotzdem der beste Beweis, dass dies nicht das Ende des Lebens sein muss oder verfluchst du jenen Tag noch?
Verfluchen ist nicht die richtige Bezeichnung. Ich bin mir sicher, wenn dieser Tag im Januar 1992 nicht gewesen wäre, hätte ich bestimmt auch ein schönes, interessantes Leben, aber in einer anderen Form. Ich habe lange gebraucht, die neue Situation anzunehmen, aber dann habe ich das getan, was ich bereits vorher immer getan habe: versucht das Beste daraus zu machen. Ganz ehrlich: ich möchte zwar meine Lebenserfahrungen seit dem Unfall nicht missen, aber ich glaube ich hätte mit einem unaufgeregterem Leben ohne Rollstuhl auch ganz gut umgehen können.
Das kann ich sehr gut nachvollziehen aber wie kommt man nun als 11-jähriges Mädel zum Schießsport?
Tja, zu der damaligen Zeit war es für Mädchen auf dem Lande noch sehr schwer im Fußball seine Erfüllung zu finden. Ich habe in einem Nachbarklub mit Jungs zusammen gespielt und das ging nur bis zum Erreichen der Pubertät. Als einzigem Mädchen wurde mir nahegelegt eine andere Sportart auszusuchen, leider. Da ich keine Lust auf typische Mädchensportarten hatte und die Auswahl nicht so groß gewesen ist, habe ich es mal in unserem Schützenverein versucht. Ein wenig Talent hatte ich wohl auch dafür und so bin ich dabei hängen geblieben.
Was macht für dich die Faszination deiner Sportart aus?
Ich finde diesen Sport außerordentlich komplex. Für den Zuschauer mag dies nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich, aber dieser Sport ist viel mehr als nur ruhig dazustehen. Das perfekte Zusammenspiel zwischen technischem Verständnis für das Sportgerät, die perfekten Abläufe, der körperlichen Fitness und der mentalen Ausgewogenheit machen es so schwierig Bestleistungen abzurufen. Hinzu kommen bei den Kleinkaliberdisziplinen auf 50m Entfernung die äußeren Einflüsse durch Wind, Regen, Hitze, Kälte und Sonneneinstrahlung. Nur, wenn alles perfekt in Einklang gebracht werden kann, fliegt die Kugel ins Zentrum der Scheibe. Ich glaube, dieser Sport ist was für Perfektionisten, die jedoch nicht ausschließlich in Messdaten denken, sondern ebenso im Laufe der Trainingszeit ein entsprechendes Gefühl entwickeln.
Fotos von Robin Droste:
Grob überschlagen machst du diesen Sport seit über 30 Jahren und seit 1999 bist du Kader-Mitglied der deutschen Behinderten-Nationalmannschaft. War das ein Ziel von dir und wie sieht es mit der Konkurrenz aus?
Absolut nicht. Ich bin nach meinem Unfall eher zufällig wieder zu meinem Sport zurück gekommen. Als Fußgänger war ich Mitglied einer Nachwuchsauswahl und war dort relativ viel unterwegs. dies wollte ich eigentlich nicht mehr in dieser Form, sondern nur ein wenig professionellere Anleitung haben. Es ist doch ein wenig anders, als zu der Zeit als Fußgänger. Dann wollte ich mal bei ein paar Wettkämpfen teilnehmen und mehr nicht. Nunja, erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Mittlerweile kann ich die Wochenenden im Jahr, an denen ich mal daheim bin an einer Hand abzählen. Das soll nicht heißen, dass ich dies verabscheue, nein. Es ist halt auch so, dass Erfolg süchtig macht und wenn es läuft, dann nimmt man dies gerne in Kauf. Die Konkurrenz aus anderen Nationen ist im Verlauf der letzten Jahren deutlich stärker geworden. Dies liegt sicherlich auch daran, welchen Stellenwert der Sport für Menschen mit Behinderung in anderen Nationen hat und welche Möglichkeiten der Unterstützung dort geboten werden. Die Asiaten zum Beispiel sind fast alle Profis und auch in Europa gibt es davon immer mehr. Dies ist bei uns noch Wunschvorstellung.
Kannst du damit deinen Lebensunterhalt finanzieren? Oder anders gefragt, bekommst du vom dt.Sportbund eine Art Unterstützung? Immerhin bist du ja Silbermedailliengewinnerin von London 2012
Es gibt zwar schon Unterstützung, sei es Sporthilfe, die sich auf einen aktuellen Kaderstatus beruft oder auch durch die Mitgliedschaft im TOP-Team des Deutschen Behindertensportverbandes, dies jedoch deckt nicht annähernd die Kosten. Davon meinen Lebensunterhalt zu finanzieren geht gar nicht. Ich bin berufstätig und versuche nebenher so gut es geht meinem Sport nachzugehen. Dies heißt halt viel Verzicht zu üben. Ein wirkliches Privatleben habe ich seit 1999 nicht mehr und Freundschaften bleiben dabei ebenfalls auf der Strecke.
Das ist natürlich die Kehrseite im Spitzensport und dafür zolle ich dir allerhöchsten Respekt. Ich hatte es ja schon eingangs erwähnt, du warst beim DFB und hattest ein Büro neben Steffi Jones und warst soweit ich das richtig verstanden habe Botschafterin für die Heim-WM der Frauen 2011. Wie kam es dazu und was genau war deine Aufgabe?
Puh, ich war insgesamt sechs Jahre beim DFB beschäftigt und in der gesamten Zeit drehte sich mein Aufgabenschwerpunkt um die Themen DFB-Stiftungen und das Thema Nachhaltigkeit. Diese Bereiche passen wohl auch besonders gut zu mir, da ich mich schon als eine Art Sozialverfechterin sehe und der DFB in dieser Zeit seine Verantwortung über den reinen Spielbetrieb hinaus sehr ernst genommen hat. Nunja, als die FIFA-Frauen-WM anstand, gab es die Idee Botschafterinnen aus unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft zu gewinnen, die diese WM unterstützen. Steffi Jones hatte dabei auch an mich gedacht und mich gefragt. Für mich war es eine Ehre und Selbstverständlichkeit meinen Teil zum Gelingen beizutragen (auch wenn es mit dem Titel nix geworden ist).
Neben deiner damaligen Aufgabe als Botschafterin unterstützt du viele Projekte für Kinder. Um welche Projekte genau handelt es sich dabei?
Neben einigen temporären Projekten und Maßnahmen sind dabei 2 besondere Projekte zu nennen. Dies ist das Projekt Kitz e.V., ein Projekt für ein Musical mit Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen. Dies hat extrem viel Spaß gemacht und war toll anzuschauen, wenn rund 300 Kinder sämtlicher Couleur auf der Bühne ein wunderbares Musical erarbeiten und vorführen. Das war Inklusion pur. Es ging nicht nur um Menschen mit Einschränkungen, nein, es haben auch Kinder aus sozial schwächeren Familien, Migranten, Asylanten, einfach ein wunderbares Spiegelbild der Gesellschaft mitgemacht.
Bereits seit nunmehr 10 Jahren bin ich als Repräsentantin beim Verein SMOG e.V. (Schule machen ohne Gewalt) aktiv. Hierbei geht es darum Präventionsprojekte zu entwickeln und umzusetzen, die quasi vom Kindergartenalter bis zum Schulabschluss für Schüler und Eltern initiiert werden. Einige dieser Projekte sind bereits auf europäischer Ebene ausgezeichnet worden. Ich bin da auch nur ein Teil der SMOG-Familie. Rudi Völler und Sebastian Kehl sind ebenfalls tolle Repräsentanten dieses Vereins und noch viele weitere Persönlichkeiten. Dabei nehmen wir an Veranstaltungen teil, weisen auf die verschiedenen Aufgabenbereiche des Vereins hin und werben auch für weitere Unterstützung. Infos gibt´s auch hier.
Aktuell bin ich Sportartenbotschafterin für die im Jahr 2015 in Berlin stattfindenden European Maccabi Games. Dort treten die besten jüdischen Sportler Europas gegeneinander an und ermitteln die Sieger.
Tolle Projekte, da kann man nur den Hut vor dir ziehen. Aber kommen wir noch mal auf den Sport zu sprechen. Was denkst du, wird es in absehbarer Zeit mal mehr vom Behindertsport im Fernsehen zu sehen geben?
Ich denke und hoffe, dass die aktuellen Bestrebungen zum Thema Inklusion auch auf diesen Bereich stärker abfärben und der Sport für Menschen mit Behinderung auch in den Medien noch stärker in den Fokus gerückt wird. Es hat sich bereits zum Positiven gebessert, aber wir sind noch weit von unserer Wunschvorstellung entfernt. Es wäre toll, eine kontinuierliche Berichterstattung zu erreichen und nicht fast ausschließlich zu den Winter-, bzw. Sommer-Paralympics.
Olympiasiegerin warst du ja nun schon und das bleibt auch ein ganzes Leben lang so. Welche Ziele strebst du noch an?
Wenn man es rein über Titel und Medaillen definieren würde, dann hätte ich bereits alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Ich möchte noch einmal so gerne den für mich perfekten Wettkampf abliefern. Den Wettkampf, wo ich sagen kann, dass ich meine persönlichen Zielsetzungen konsequent über den gesamten Wettkampfverlauf umsetzen konnte und dann wird man sehen, für was es im Vergleich zur internationalen Konkurrenz reicht.
Was würdest du Menschen die ein ähnliches Schicksal wie du teilen mit auf den Weg geben?
Pauschalrezepte gibt es hier leider nicht. Ich kann nur empfehlen, sich die Zeit zu nehmen, um die Lebensveränderung zu akzeptieren, mit allen Facetten. Parallel dazu wäre es wichtig, sich seiner (noch vorhandenen) Stärken bewußt zu werden und daraus sich ggf. neue, andere Ziele in kleinen Schritten zu setzen. Wichtig hierbei sind gerade die kleinen Erfolgserlebnisse, aber auch sich Fehler zu verzeihen. Was ich teilweise noch heute lernen muss, ist Hilfe anzunehmen. Es gibt mittlerweile sehr viele Möglichkeiten aus den Erfahrungen anderer Betroffener zu lernen.
Abschließend würde ich dich bitten, ein paar Sätze zu vervollständigen. Fangen wir an:
Behindertensport ist: . . Sport, wie jeder andere Sport auch.
Außer Schießen gilt dein Interesse was: . . Sport allgemein, Fußball etwas mehr und soziale Anliegen.
Die Medien sind für dich: . . wichtige Transportkanäle gesellschaftlicher Anliegen und Informationsbörse.
Wenn du Frau Merkel treffen könntest, dann: . . würde ich gerne mal in Ruhe ein Bier mit ihr trinken und über die große weite Welt plaudern.
Wenn du einen Wunsch frei hättest, dann: . . möchte ich einfach weiter, so wie bisher, morgens aufrecht in mein Spiegelbild schauen.
Manuela ich sage ganz herzlichen Dank das du dir die Zeit genommen hast für mich. Ich hoffe das all deine Ziele die du dir gesetzt hast in Erfüllung gehen.
An alle Leser. Bei wem ich das Interesse geweckt habe Manuela und ihren Sport zu unterstützen, der kann sich gerne hier informieren.
Kontakt via Twitter: @ManuelaSchmermi
diese Manuela Schmermund kann wohl für jeden, der diesen berühmten Sinn im Leben sucht, ein Vorbild sein.
Allem voran der Sport, dann die Arbeit, ohne die es nicht mal möglich wäre, die Kosten zu decken die durch den Schießsport entstehen - geschweige denn den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Und als wäre das noch nicht genug : soziale Projekte, Repräsentantin, Sportbotschafterin...
Wahrlich ein erfülltes leben!
Und dann kommt die Frage nach dem berühmten Wunsch, wenn man ihn mal frei hätte. Vielleicht ja hier ein hadern mit dem körperlichen Handicap? Fehlanzeige. Erhobenen Hauptes in den Spiegel schauen möchte sie jeden Tag können.
Eine starke Frau!
(..und ein starkes Interview Schnumbi)
Schade das so ein wichtiges Thema nicht mehr Beachtung erhalten hat
Ausgabe I der Reihe: Das Interview mit SPOX.com-Redakteur Fatih Demireli findet ihr hier:
http://www.spox.com/myspox/group-blogdetail/0,202762.html