22.08.2011 um 12:09 Uhr
Das Vakuum auf der Zehn
Diesen Sommer waren es 6. Letzten Winter waren es 6. In den Jahren zuvor auch nicht wirklich mehr. Die kicker-Rangliste des deutschen Fußballs ist in der Rubrik ,,offensives Mittelfeld" in letzter Zeit eher rar besetzt. Diese Zahl wirkt noch dramatischer, wenn man bedenkt, dass vor 20 Jahren noch sage und schreibe 28 Spieler in dieser Kategorie vertreten waren. Doch warum ist die ehemalige Paradeposition der deutschen Bundesliga so ins Hintertreffen geraten? Warum gibt es dieses Spielmacher-Problem? Und vor allem: Gibt es das überhaupt?
Es ist nicht so, dass die Position des zentralen offensiven Mittelfeldspielers im modernen Fußball nicht mehr vergeben wird. Die meisten Bundesligateams haben einen sogenannten Zehner in ihrer Aufstellung, da sie mit einem 4-2-3-1 System oder einer Raute im Mittelfeld agieren. Allerdings werden nicht immer typische Spielmacher auf dieser Position eingesetzt. So stehen zum Beispiel mit Thomas Müller, der als einziger Spieler dieser Rubrik in die Internationale Klasse eingestuft wurde, und Marko Marin zwei Spieler in der Rangliste, die vom Spielertyp her gar keine typischen Spielmacher sind. Dadurch verstärkt sich noch einmal die Frage, wo die ganzen echten ,,10er-Typen" hin sind. Am Besten lässt sich diese Frage am Beispiel FC Schalke 04 erörtern. Im Kader der Knappen befinden sich mit José Manuel Jurado, Lewis Holtby, Julian Draxler, Alexander Baumjohann und Jan Moravek gleich fünf echte Spielmachertypen. Doch die Position des zentralen offensiven Mittelfeldspielers soll in der kommenden Saison von Raúl besetzt werden- der ist normalerweise Mittelstürmer. Draxler, Baumjohann und Moravek werden voraussichtlich hauptsächlich auf den Außenpositionen im offensiven Mittelfeld zum Zuge kommen, Jurado und Holtby sind für das zentrale defensive Mittelfeld eingeplant. Weil Schalke-Coach Ralf Rangnick erkannt hat, dass es dort aufgrund vieler defensiver Spielertypen wie Papadopoulos, Matip oder Kluge an Kreativität mangelt. Das soll nun von einem Spielmachertypen behoben werden. Wobei man auch hier gleich auf einen weiteren Gesichtspunkt des ,,10-er Problems" trifft: Da in den letzten Jahren immer mehr mit dem 4-2-3-1 System gespielt wurde, standen zu Beginn automatisch zwei defensiv ausgerichtete Spieler in der Zentrale auf dem Platz. Da die Trainer nach einer Zeit allerdings erkannt haben, dass das deutlich zu Lasten der Kreativität im Mittelfeld ist, wurden immer häufiger offensive Mittelfeldspieler eine Position nach hinten versetzt. Diese Theorie wird auch dadurch verstärkt, wenn man sich die Kicker-Rangliste in der Rubrik Defensives Mittelfeld anschaut. Dort wimmelt es nur so von Spielern, die vom Spielertyp her eher Spielmacher denn rustikaler Abräumer sind oder zumindest eine offensive Grundausrichtung haben. Ob sie nun Arturo Vidal, Nuri Sahin , Christian Tiffert, Sergio Pinto, Zdravko Kuzmanovic, Bastian Schweinsteiger oder Sebastian Rudy heißen: Sie alle wurden im Laufe der Zeit von einer offensiveren Position ins defensive Mittelfeld zurückversetzt, um dort für mehr Kreativität zu sorgen- mit Erfolg. Dieser Trend wird sich wohl auch in der kommenden Spielzeit fortsetzen, da ein Ilkay Gündogan bei Borussia Dortmund den Nuri Sahin-Ersatz auf der 6 geben wird oder ein Lewis Holtby- wie bereits erwähnt- bei den Königsblauen das Spiel von hinten ankurbeln soll.
Erst Schweinsteiger, dann Vidal, jetzt Holtby: Immer mehr Offensivspieler werden als Sechser eingesetzt
Doch trotz der Rückversetzung vieler Spieler kann man nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige dieser Akteure zwar offensive ausgerichtet, jedoch meistens keine typischen Spielmacher der Sorte Mesut Özil, das deutsche Paradebeispiel dieser Position, der im Ausland bei Real Madrid in Spanien in dieser Rolle zum Weltstar aufgestiegen ist. Der Job des klassischen Spielmachers ist auch sehr anspruchsvoll, Die Aufgaben des Spielmachers werden im Kicker mit den Worten ,, Der Zehner muss [...] nach hinten denken, nach vorne lenken, in die Spitze stoßen, selbstlos auflegen und eiskalt vollstrecken." beschrieben. Diese Aufgaben sind für einige Bundesligaspieler dann wohl doch zu anspruchsvoll. Trotzdem werden die meisten Bundesligaklubs wohl wieder mit einem Zehner in die Saison gehen. Anlaufstelle Nummer Eins für Spielmacher im Oberhaus ist dabei wohl der amtierende Meister Borussia Dortmund, wo sich mit Shinji Kagawa, Mario Götze, Antonio da Silva und Ilkay Gündogan gleich vier hochwertige Spielmacher tummeln. Allerdings kann nur einer von ihnen auch auf dieser Position spielen. Das wird aller Voraussicht nach Kagawa sein. Der Japaner sorgte bereits in der Hinrunde der vergangenen Saison mit Toren, Vorlagen und kreativen Geistesblitzen für Furore- bis ihn beim Asien-Cup im Winter ein Mittelfußbruch stoppte und er für die komplette Rückrunde ausfiel. Ersetzt wurde er im zweiten Halbjahr des Dortmunder Triumphzuges meistens von Mario Götze oder Robert Lewandowski. Da jedoch beide auf anderen Positionen (Götze rechtes Mittelfeld, Lewandowski Sturm) häufiger zum Einsatz kamen, tauchten sie dort in der Kicker-Rangliste auf- und nicht in der Rubrik Offensives Mittelfeld. Diese Eigenschaft von Spielern, auf mehreren Positionen ohne großen Qualitätsverlust eingesetzt werden zu können, bezeichnet man im Fußball-Neudeutsch als Polyvalenz. Diese Eigenschaft mag zwar für Trainer und auch die meisten Spieler von Vorteil sein- für die kicker-Rangliste auf der Position offensives Mittelfeld ist sie es nicht. Trotzdem könnten in Zukunft wieder mehr Spieler in dieser Rubrik auftauchen, da mit Akteuren wie Takashi Usami (Bayern), Moritz Leitner(Dortmund), Yunus Malli (Mainz), Daniel Didavi (Nürnberg), Per Cilijan Skjelbred (Hamburg), Roberto Firmino (Hoffenheim), Mateusz Klich, Ja-Cheol Koo (beide Wolfsburg) und eventuell auch Julian Draxler (Schalke), sollte er doch auf seiner Lieblingsposition eingesetzt werden, junge Leute nachdrängen. Diese Spieler und noch viele anderen könnten also in Zukunft dafür sorgen, dass in der nächsten Rangliste des Kickers wieder mehr als 6 offensive Mittelfeldspieler vertreten sind. Es müssen ja nicht gleich 28 sein.
by Marc Hauser
Es ist nicht so, dass die Position des zentralen offensiven Mittelfeldspielers im modernen Fußball nicht mehr vergeben wird. Die meisten Bundesligateams haben einen sogenannten Zehner in ihrer Aufstellung, da sie mit einem 4-2-3-1 System oder einer Raute im Mittelfeld agieren. Allerdings werden nicht immer typische Spielmacher auf dieser Position eingesetzt. So stehen zum Beispiel mit Thomas Müller, der als einziger Spieler dieser Rubrik in die Internationale Klasse eingestuft wurde, und Marko Marin zwei Spieler in der Rangliste, die vom Spielertyp her gar keine typischen Spielmacher sind. Dadurch verstärkt sich noch einmal die Frage, wo die ganzen echten ,,10er-Typen" hin sind. Am Besten lässt sich diese Frage am Beispiel FC Schalke 04 erörtern. Im Kader der Knappen befinden sich mit José Manuel Jurado, Lewis Holtby, Julian Draxler, Alexander Baumjohann und Jan Moravek gleich fünf echte Spielmachertypen. Doch die Position des zentralen offensiven Mittelfeldspielers soll in der kommenden Saison von Raúl besetzt werden- der ist normalerweise Mittelstürmer. Draxler, Baumjohann und Moravek werden voraussichtlich hauptsächlich auf den Außenpositionen im offensiven Mittelfeld zum Zuge kommen, Jurado und Holtby sind für das zentrale defensive Mittelfeld eingeplant. Weil Schalke-Coach Ralf Rangnick erkannt hat, dass es dort aufgrund vieler defensiver Spielertypen wie Papadopoulos, Matip oder Kluge an Kreativität mangelt. Das soll nun von einem Spielmachertypen behoben werden. Wobei man auch hier gleich auf einen weiteren Gesichtspunkt des ,,10-er Problems" trifft: Da in den letzten Jahren immer mehr mit dem 4-2-3-1 System gespielt wurde, standen zu Beginn automatisch zwei defensiv ausgerichtete Spieler in der Zentrale auf dem Platz. Da die Trainer nach einer Zeit allerdings erkannt haben, dass das deutlich zu Lasten der Kreativität im Mittelfeld ist, wurden immer häufiger offensive Mittelfeldspieler eine Position nach hinten versetzt. Diese Theorie wird auch dadurch verstärkt, wenn man sich die Kicker-Rangliste in der Rubrik Defensives Mittelfeld anschaut. Dort wimmelt es nur so von Spielern, die vom Spielertyp her eher Spielmacher denn rustikaler Abräumer sind oder zumindest eine offensive Grundausrichtung haben. Ob sie nun Arturo Vidal, Nuri Sahin , Christian Tiffert, Sergio Pinto, Zdravko Kuzmanovic, Bastian Schweinsteiger oder Sebastian Rudy heißen: Sie alle wurden im Laufe der Zeit von einer offensiveren Position ins defensive Mittelfeld zurückversetzt, um dort für mehr Kreativität zu sorgen- mit Erfolg. Dieser Trend wird sich wohl auch in der kommenden Spielzeit fortsetzen, da ein Ilkay Gündogan bei Borussia Dortmund den Nuri Sahin-Ersatz auf der 6 geben wird oder ein Lewis Holtby- wie bereits erwähnt- bei den Königsblauen das Spiel von hinten ankurbeln soll.
Erst Schweinsteiger, dann Vidal, jetzt Holtby: Immer mehr Offensivspieler werden als Sechser eingesetzt
Doch trotz der Rückversetzung vieler Spieler kann man nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige dieser Akteure zwar offensive ausgerichtet, jedoch meistens keine typischen Spielmacher der Sorte Mesut Özil, das deutsche Paradebeispiel dieser Position, der im Ausland bei Real Madrid in Spanien in dieser Rolle zum Weltstar aufgestiegen ist. Der Job des klassischen Spielmachers ist auch sehr anspruchsvoll, Die Aufgaben des Spielmachers werden im Kicker mit den Worten ,, Der Zehner muss [...] nach hinten denken, nach vorne lenken, in die Spitze stoßen, selbstlos auflegen und eiskalt vollstrecken." beschrieben. Diese Aufgaben sind für einige Bundesligaspieler dann wohl doch zu anspruchsvoll. Trotzdem werden die meisten Bundesligaklubs wohl wieder mit einem Zehner in die Saison gehen. Anlaufstelle Nummer Eins für Spielmacher im Oberhaus ist dabei wohl der amtierende Meister Borussia Dortmund, wo sich mit Shinji Kagawa, Mario Götze, Antonio da Silva und Ilkay Gündogan gleich vier hochwertige Spielmacher tummeln. Allerdings kann nur einer von ihnen auch auf dieser Position spielen. Das wird aller Voraussicht nach Kagawa sein. Der Japaner sorgte bereits in der Hinrunde der vergangenen Saison mit Toren, Vorlagen und kreativen Geistesblitzen für Furore- bis ihn beim Asien-Cup im Winter ein Mittelfußbruch stoppte und er für die komplette Rückrunde ausfiel. Ersetzt wurde er im zweiten Halbjahr des Dortmunder Triumphzuges meistens von Mario Götze oder Robert Lewandowski. Da jedoch beide auf anderen Positionen (Götze rechtes Mittelfeld, Lewandowski Sturm) häufiger zum Einsatz kamen, tauchten sie dort in der Kicker-Rangliste auf- und nicht in der Rubrik Offensives Mittelfeld. Diese Eigenschaft von Spielern, auf mehreren Positionen ohne großen Qualitätsverlust eingesetzt werden zu können, bezeichnet man im Fußball-Neudeutsch als Polyvalenz. Diese Eigenschaft mag zwar für Trainer und auch die meisten Spieler von Vorteil sein- für die kicker-Rangliste auf der Position offensives Mittelfeld ist sie es nicht. Trotzdem könnten in Zukunft wieder mehr Spieler in dieser Rubrik auftauchen, da mit Akteuren wie Takashi Usami (Bayern), Moritz Leitner(Dortmund), Yunus Malli (Mainz), Daniel Didavi (Nürnberg), Per Cilijan Skjelbred (Hamburg), Roberto Firmino (Hoffenheim), Mateusz Klich, Ja-Cheol Koo (beide Wolfsburg) und eventuell auch Julian Draxler (Schalke), sollte er doch auf seiner Lieblingsposition eingesetzt werden, junge Leute nachdrängen. Diese Spieler und noch viele anderen könnten also in Zukunft dafür sorgen, dass in der nächsten Rangliste des Kickers wieder mehr als 6 offensive Mittelfeldspieler vertreten sind. Es müssen ja nicht gleich 28 sein.
by Marc Hauser
Aufrufe: 3183 | Kommentare: 3 | Bewertungen: 6 | Erstellt:22.08.2011
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KOMMENTARE
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26.08.2011 | 01:31 Uhr
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Mit Micoud, Diego und Özil hatten sie in der Vergangenheit immer ein gutes Händchen was die Besetzung dieser Position anging und mussten so über Jahre hinweg ihr System, also die Raute, kaum verändern.
Anders im letzten Jahr.
Mit dem Abgang von Özil bei Bremen zeigten sich deutliche Schwierigkeiten im Spiel von Werder Bremen.
Die Umstellung zum zeitweiligen 4-5-1- war für Bremen sehr schwer, es zeigt also wie schwer der Abgang eines richtigen Zehners auch im modernen Fussball noch wiegen kann.
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27.08.2011 | 13:36 Uhr
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In dieser Zeit war der Spielmacher besonders für die tödlichen Pässe in die Spitze bekannt. Damals hatte er dafür aber noch zwei Stürmer, die er bedienen konnte. Heute Fungiert die "Zehn" fast schon als Hängende Spitze und muss selbst viel öfter den Abschluss suchen.