11.02.2013 um 12:12 Uhr
Datt iss mein Schalke!
„Datt iss endlich wieder mein Schalke", frohlockte ich, als ich das Interview von Benedikt Höwedes nach der 4:0-Klatsche in München sah. Da stellte sich der deutsche Nationalspieler nach dem Spiel doch tatsächlich vor die Kamera und erklärte in etwas bräsiger Manier, dass man ja schließlich gegen Bayern gespielt und das „nicht schlecht gemacht" habe. In den ersten zwanzig Minuten. In denen hatte Schalke etwa zwanzig Prozent Ballbesitz, und der einzige Spieler, der sich der Mittellinie überhaupt näherte, war Teemu Pukki, der einem angesichts der Einsamkeit dort schon beinahe leid tun konnte. Das mit dem „nicht schlecht gemacht" hatte in etwa den Charakter der Aussage von Roman Neustädter vor einer Woche. Der erklärte dem sky-Reporter, dass man bei der 1:2-Heimpleite gegen den Tabellenletzten die Vorgaben des Trainers gut umgesetzt hätte. Und dass man ja gut arbeiten würde. Unter der Woche.
Der völlige Realitätsverlust der Spieler geht einher mit der schalketypischen Ohnmacht der Vereinsverantwortlichen. Ein Trainer, der das Leiden Christi allein durch seinen Gesichtsausdruck symbolisiert. Ein Manager, der nicht nur mit seinen Transfers Pech hatte (Afellay) oder ins Klo griff (Obasi), sondern dessen Trainerwahl bestenfalls fragwürdig ist. Ein Boss, der momentan auf Geschäftsreise in Asien ist, und der von Fußball in etwa so viel Ahnung hat wie Reiner Calmund von den Essgewohnheiten eines Fotomodells. Schalke ist auf dem besten Weg, sich wieder in die Richtung zu entwickeln, in der es schon in den 80ern war - mit Chaos im Verein, Unruhe auf den Rängen und einem peinlichen Verfall des Bildes in der Öffentlichkeit. Waren die Königsblauen mit Raúl noch ein Aushängeschild der Fußballkultur, so hat ein Dreivierteljahr nach dem Abschied des spanischen Superstars die Tristesse wieder Einzug gehalten am Ernst-Kuzorra-Weg.
Seit Wochen rätseln alle über die Gründe für die Abwärtsspirale, in der sich Schalke befindet. Und wie das dann halt immer so ist, befeuern Gerüchte die Diskussion, weil es weder von Spielern noch von Verantwortlichen klare An- bzw. Aussagen dazu gibt. Die Gerüchteküche - ohnehin eines der Hauptmerkmale Schalker Vereinskultur - spuckt ja oft die seltsamsten Geschichten aus. Das geht von Zoff in der Kabine über Exklusivverträge von einzelnen Spielern mit Schalker Sponsoren und die berühmte Neiddebatte bis hin zu Vorverträgen mit Trainern für die kommende Saison und die deshalb ausgesprochene Jobgarantie für Jens Keller bis zum Saisonende. Jobgarantie über das Saisonende hinaus? Fehlanzeige. Dementsprechend spekulieren alle Medien sofort über eine Ablösung von Keller - denn wie soll ein Trainer seine Philosophie in einer Mannschaft verankern, wenn er dafür nur drei Monate Zeit hat? Eben. Nicht zu vergessen: eine gehörige Portion Verletzungspech. Dieses betrifft nicht nur Ergänzungsspieler wie Christoph Moritz, dessen abermalige Verletzung dafür sorgt, dass der Konkurrenzkampf im defensiven Mittelfeld nicht allzu sehr ausartet, sondern Leistungsträger und zentrale Säulen der Mannschaft wie etwa Abwehrturm Kyriakos Papadopoulos oder Kreativspieler Ibrahim Afellay.
„Mein Schalke" ist vor allem deshalb so chaotisch, weil so viele Emotionen im Spiel sind. Emotionen, die sich überhaupt nicht kanalisieren oder gar zügeln lassen - das hat den Verein immer schon geprägt. So wurde ein Helmut Kremers erst Präsident, nachdem er in der Jahreshauptversammlung Tiraden gegen den Dortmunder Erzfeind („…gegen die haben wir uns früher nicht mal umgezogen!") losließ. Die Vier-Minuten-Meisterschaft, der Raúl-Abschied, Buyo in Mailand beim UEFA-Cup-Gewinn, der Asamoahsche Lauf über die B1 oder die standing ovations für eben jenen Asamoah bei seiner Auswechslung - alles Beispiele für diesen bekloppten Verein, der sich einerseits in gegenseitiger Zuneigung und Solidarität selber aufzufressen droht, andererseits aber bei internen Disputen („Ultras raus!" - „Wir sind Schalker und ihr nicht!") vorher noch ordentlich zerfleischt. Erst zerfleischen, dann auffressen - die Reihenfolge ist ja auch wichtig, nä.
Und so wäre das auch alles ganz gut und schön, wenn nicht gleichzeitig auch noch etwas Sport getrieben würde… da ist man mittlerweile in der Tabelle der Bundesliga auf Platz 10 angekommen, während noch in der Winterpause als Perspektive und Saisonziel noch die Qualifikation für die Champions League ausgegeben wurde. Die Realität hat die Vereinsverantwortlichen mittlerweile eingeholt - Schalke hat erst 29 Punkte, für den Klassenerhalt müssen also noch elf Punkte her. Wie und gegen wen man die holen will - das ist die Frage, auf die Heldt, Keller und Tönnies schnellstmöglich eine Antwort finden müssen. Bis Tabellenplatz 15 sind es nur fünf Punkte - aber da steht Fortuna Düsseldorf, und gegen die geht’s im nächsten Heimspiel. Wäre ein guter Zeitpunkt, um den Abstand nach unten zu vergrößern - oder um sich wieder einmal vor heimischem Publikum bis auf die Knochen zu blamieren. Und so leid es mir manchmal tut - aber „datt wäre dann auch wieder mein Schalke".
Und so bleibt nur noch der Ausblick aufs Wochenende mit einem Auswärtsspiel in Mainz. Vielleicht sind die Mainzer von ihrer „Fassenach" noch so besoffen, dass sie Schalke deshalb gewinnen lassen. Oder Tuchel will gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber nicht zu hoch gewinnen und stellt deshalb nur neun Spieler aufs Feld. Oder Horst Heldt reaktiviert sich als Mittelfeldmotor selbst, haut den Mainzern drei Freistöße in die Maschen und lässt sich hinterher auf dem Zaun von den Fans feiern. Klingt komisch? Bescheuert? Unrealistisch? Es ist Schalke, schon vergessen?!
Der völlige Realitätsverlust der Spieler geht einher mit der schalketypischen Ohnmacht der Vereinsverantwortlichen. Ein Trainer, der das Leiden Christi allein durch seinen Gesichtsausdruck symbolisiert. Ein Manager, der nicht nur mit seinen Transfers Pech hatte (Afellay) oder ins Klo griff (Obasi), sondern dessen Trainerwahl bestenfalls fragwürdig ist. Ein Boss, der momentan auf Geschäftsreise in Asien ist, und der von Fußball in etwa so viel Ahnung hat wie Reiner Calmund von den Essgewohnheiten eines Fotomodells. Schalke ist auf dem besten Weg, sich wieder in die Richtung zu entwickeln, in der es schon in den 80ern war - mit Chaos im Verein, Unruhe auf den Rängen und einem peinlichen Verfall des Bildes in der Öffentlichkeit. Waren die Königsblauen mit Raúl noch ein Aushängeschild der Fußballkultur, so hat ein Dreivierteljahr nach dem Abschied des spanischen Superstars die Tristesse wieder Einzug gehalten am Ernst-Kuzorra-Weg.
Seit Wochen rätseln alle über die Gründe für die Abwärtsspirale, in der sich Schalke befindet. Und wie das dann halt immer so ist, befeuern Gerüchte die Diskussion, weil es weder von Spielern noch von Verantwortlichen klare An- bzw. Aussagen dazu gibt. Die Gerüchteküche - ohnehin eines der Hauptmerkmale Schalker Vereinskultur - spuckt ja oft die seltsamsten Geschichten aus. Das geht von Zoff in der Kabine über Exklusivverträge von einzelnen Spielern mit Schalker Sponsoren und die berühmte Neiddebatte bis hin zu Vorverträgen mit Trainern für die kommende Saison und die deshalb ausgesprochene Jobgarantie für Jens Keller bis zum Saisonende. Jobgarantie über das Saisonende hinaus? Fehlanzeige. Dementsprechend spekulieren alle Medien sofort über eine Ablösung von Keller - denn wie soll ein Trainer seine Philosophie in einer Mannschaft verankern, wenn er dafür nur drei Monate Zeit hat? Eben. Nicht zu vergessen: eine gehörige Portion Verletzungspech. Dieses betrifft nicht nur Ergänzungsspieler wie Christoph Moritz, dessen abermalige Verletzung dafür sorgt, dass der Konkurrenzkampf im defensiven Mittelfeld nicht allzu sehr ausartet, sondern Leistungsträger und zentrale Säulen der Mannschaft wie etwa Abwehrturm Kyriakos Papadopoulos oder Kreativspieler Ibrahim Afellay.
„Mein Schalke" ist vor allem deshalb so chaotisch, weil so viele Emotionen im Spiel sind. Emotionen, die sich überhaupt nicht kanalisieren oder gar zügeln lassen - das hat den Verein immer schon geprägt. So wurde ein Helmut Kremers erst Präsident, nachdem er in der Jahreshauptversammlung Tiraden gegen den Dortmunder Erzfeind („…gegen die haben wir uns früher nicht mal umgezogen!") losließ. Die Vier-Minuten-Meisterschaft, der Raúl-Abschied, Buyo in Mailand beim UEFA-Cup-Gewinn, der Asamoahsche Lauf über die B1 oder die standing ovations für eben jenen Asamoah bei seiner Auswechslung - alles Beispiele für diesen bekloppten Verein, der sich einerseits in gegenseitiger Zuneigung und Solidarität selber aufzufressen droht, andererseits aber bei internen Disputen („Ultras raus!" - „Wir sind Schalker und ihr nicht!") vorher noch ordentlich zerfleischt. Erst zerfleischen, dann auffressen - die Reihenfolge ist ja auch wichtig, nä.
Und so wäre das auch alles ganz gut und schön, wenn nicht gleichzeitig auch noch etwas Sport getrieben würde… da ist man mittlerweile in der Tabelle der Bundesliga auf Platz 10 angekommen, während noch in der Winterpause als Perspektive und Saisonziel noch die Qualifikation für die Champions League ausgegeben wurde. Die Realität hat die Vereinsverantwortlichen mittlerweile eingeholt - Schalke hat erst 29 Punkte, für den Klassenerhalt müssen also noch elf Punkte her. Wie und gegen wen man die holen will - das ist die Frage, auf die Heldt, Keller und Tönnies schnellstmöglich eine Antwort finden müssen. Bis Tabellenplatz 15 sind es nur fünf Punkte - aber da steht Fortuna Düsseldorf, und gegen die geht’s im nächsten Heimspiel. Wäre ein guter Zeitpunkt, um den Abstand nach unten zu vergrößern - oder um sich wieder einmal vor heimischem Publikum bis auf die Knochen zu blamieren. Und so leid es mir manchmal tut - aber „datt wäre dann auch wieder mein Schalke".
Und so bleibt nur noch der Ausblick aufs Wochenende mit einem Auswärtsspiel in Mainz. Vielleicht sind die Mainzer von ihrer „Fassenach" noch so besoffen, dass sie Schalke deshalb gewinnen lassen. Oder Tuchel will gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber nicht zu hoch gewinnen und stellt deshalb nur neun Spieler aufs Feld. Oder Horst Heldt reaktiviert sich als Mittelfeldmotor selbst, haut den Mainzern drei Freistöße in die Maschen und lässt sich hinterher auf dem Zaun von den Fans feiern. Klingt komisch? Bescheuert? Unrealistisch? Es ist Schalke, schon vergessen?!
Aufrufe: 3831 | Kommentare: 10 | Bewertungen: 15 | Erstellt:11.02.2013
ø 8.9
KOMMENTARE
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13.02.2013 | 19:24 Uhr
-2
neo123 :
Der Thon ist ja auch mehr ein Schwätzer!Ich weiß aber auch kein Patentrezept mehr! Ich würde mir wünschen, wenn Höger und Kolasinac sich festspielen können. Meyer wäre auch mal ganz nett oder Ayhan.
Die Saison ist doch eh gelaufen! Geben wir dem Nachwuchs ne Chance!!
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13.02.2013 | 20:17 Uhr
0
Keller ist taktisch extrem unflexibel und setzt etliche Spieler entgegen ihrer Fähigkeiten ein. Draxler zum Beispiel ist ein klassischer Winger, er hat zwar die Technik und das Passspiel eines 10ers aber das eingeschränke Sichtfeld eines Wingers. Ein 10er dürfte er troz seiner Jugend nicht mehr werden. Dennoch wird er nach Holbys Abgang auf diese Position gesetzt.
Auch bei Neustädter. Soll aus einem Kompatem 4:4:2 nach vorne spielen.
Die Krise auf Schalke hat in meinen Augen wenig mit Eskapaden der Spieler zu tun, sondern einfach mit des ahnebüchenen Inkompetenz der sportlichen Führung.
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13.02.2013 | 20:20 Uhr
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ytnom :
ich bin schalke fan und finde die jetzige situation auch nicht toll, aber man muss doch einfach nüchtern an die sache ran gehen.punkt 1: der trainer ist der falsche mann, keine frage. wirkt immer etwas traurig, coacht kaum bis garnicht!? und scheint nicht in der lage zu sein, der mannschaft weiter zu helfen.
punkt 2: heldt kann nichts für das scheinbar schlechte verhältnis von stevens zur mannschaft. meiner meinung nach ist irgendwas zwischen dem hoffenheim und leverkusen spiel vorgefallen (natürlich nur vermutung)
punkt 3: bis auf die obasi (weiter-)verpflichtung hat HH in sachen transfers seine hausaufgaben gemacht. afellay aus barcelona geholt, neustädter ablösefrei, marcia ist ein ordentlicher ersatz und viele graupen wurden abgegeben. einen barnetta ablösefrei zu holen ist eigentlich auch ok. leider findet er nicht zu seiner form, muss man HH dafür verantworten? nebenbei wurden noch wichitge verträge verlängert: Farfan, Huntelaar, Draxler...
Punkt 4: jetzt nach der jugend zu schreien zeugt nicht von viel fußballverstand (sorry). die saison ist ganz und garnicht gelaufen. es ist extrem wichtig wenigstens die euroleague zu erreichen, vorallem um neuzugängen eine perspektive zu bieten + $$$
Punkt 5: gibt es eine alternative zu Jens Keller? wer die alternative kennt und dazu bewegen kann zu schalke zu kommen, der sollte demnächst manager werden. einen top trainer für langfristige ziele mitten in der rückrunde (vllt noch vom konkurrenten) kann man sich direkt abschminken.
im prinzip hab ich da auch keine meinung zu. ich hoffe nur, dass die jungs iwie die kurve bekommen...
1
13.02.2013 | 20:36 Uhr
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Schpeedy :
Super, gefällt mir richtig gut und trifft den Nagel auf den Kopf!
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13.02.2013 | 20:40 Uhr
-2
1
14.02.2013 | 00:00 Uhr
0
Wie kann man auf so eine "Graupe" wie Keller bis Saisonende bauen, und einen Holtby für 1,5 - 2,0 Mio verkaufen. Obwohl die Champions Leauge Quali auf dem Spiel stand/steht???? Alleine wenn sich Schalke für die CL qualifiziert, und wer weiß auch noch dieses Jahr für das Viertelfinale qualifiziert hätte. Da wären etliche Millionen mehr geflossen.
Aber so, scheidet man "Sang- und Klanglos" gegen Istanbul aus, und die Quali fürs nächste Jahr ist jetzt schon fast verspielt
Traurig S04!!!
1
14.02.2013 | 05:12 Uhr
0
nordmarc :
Ganz gut geschrieben, allerdings sollte man die Entlassung von Stevens und den Verkauf von Holtby auch noch stärker thematisieren. Beide Entscheidungen bleiben für mich ein absolutes Rätsel. Sicherlich ist auch gerade viel Verletzungspech im Spiel, aber wie man sich so eine gute Ausgangssituation in BL und CL kaputt machen konnte und wie man quasi von Top16 in Europa zum gerade schwächsten Team der Liga werden konnte hat auch viel mit Selbstverschulden zu tun.
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14.02.2013 | 14:47 Uhr
0
ytnom :
zu holtby möchte ich nochmal eins loswerden. als die mannschaft gut gespielt hat, war holtby auch gut. aber er hat nachher genauso abgebaut wie der rest. gegen hannover war er einer der besten, was den gesamteindruck evtl. etwas verfälscht (zum guten für holtby). ich denke es war richtig, einen spieler der mit dem kopf schon in der pl ist, zu verkaufen. auch weil man guten ersatz bekommen hat für +-0
mfg
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Statistik
Von mir bekommst Du auf jeden Fall 10 Punkte.
Dann hätten wir schon 39, wenn das nur so einfach wäre....
P.S
Hier ein Hinweis: Olaf Thon bei Sport1.
http://www.sport1.de/de/fussball/fussball_bundesliga/artikel_674780.html