29.05.2008 um 10:48 Uhr
Den Funken verspielt
Das war schon ein verblüffendes Signal, das Joachim Löw da vor zwei Wochen gesetzt hatte mit der Nominierung von Adler, Jones, Helmes und Marin. Marko Marin! Der 19jährige Super-Dribbler aus der Zweiten Liga, den ja wieder kaum einer kannte. Wirklich unheimlich stark im eins gegen eins sei der, sagte Löw, und schon nach zehn Minuten Scouting habe er, Löw, alles gesehen, was er habe sehen wollen.
Aus psychologischer Sicht war das ein tolles Signal - an die Nachwuchstalente des Landes (Sehr her: So kann's gehen), an die eigene Mannschaft (Sehr her: Der Junge kann euch helfen, wenn's eng wird) und vor allem an die Fans (Sehr her: Das ist euer Odonkor 2.0), deren überbordende Euphorie die DFB-Elf ja nach wie vor braucht, um die eigenen - freilich weniger gewordenen - technischen und taktischen Defizite zu kaschieren.
Zwei Wochen Trainingslager später hat Joachim Löw mit der Ausbootung Marins nun selbst verblüffende Defizite offenbart - als Psychologe, Pädagoge, Motivator. Und das hätte man so ja eigentlich nicht gedacht.
Löw hatte Marko Marin unablässig gelobt, von seinen beeindruckenden Fähigkeiten gesprochen, sein imponierendes Auftreten betont, ihn indirekt gar mit Superstar Lionel Messi vom FC Barcelona verglichen. Dann hat er Marin im Test gegen Weißrussland lediglich ein paar Minuten spielen lassen - wie einen Arrivierten, der seinen Platz sicher hat. Was sonst hätte Marko Marin denn denken sollen als: Yeah, ich bin dabei!
Und plötzlich sprach Löw nun davon, dass der Weg von der Zweiten Liga bis zu einem EM-Turnier womöglich doch zu weit sei, und dass es letztlich nur ein Sandkorn gewesen sei, das den Ausschlag gegeben habe. Solch einen Zirkus mit solch einem Talent zu veranstalten, zeugt nicht gerade von Feingefühl. Und insgesamt sprechen diese Ereignisse auch nicht gerade für die Scouting- Abteilung - offenbar hat man sich in Marin ja schlicht geirrt.
Überhaupt hat Joachim Löw gerade gefühlt einen großen Schritt in Richtung seiner Vorgänger Erich Ribbeck und Rudi Völler unternommen - zumindest in Sachen Nibelungentreue. Löw setzt auf das Altbewährte, wagt keine Experimente. Anders als der ewige Motivator Klinsmann: Der Odonkor-Effekt beruhte ja weniger auf dessen Qualitäten - sondern zu großen Teilen auch auf der allgemeinen Überraschung seiner Nominierung.
Die Flanke von Dortmund ließ den Funken dann überspringen. Das hätte Löw nun weitaus billiger haben können - denn der Funke war ja bereits übergesprungen, vor zwei Wochen, bei der Nominierung: Fußball-Deutschland veranstaltete seitdem ja einen Riesen-Hype um den kleinen Gladbacher mit dem Sean-Penn-Blick. Nicht wenige, die ihn noch nie hatten spielen sehen, sahen Marin ja schon auf einer Stufe mit Franck Ribery.
Und vielleicht hat Joachim Löw Marko Marin nun auch einfach schützen wollen - nachdem er sich eingestehen musste, dass er sich getäuscht hatte, weil es schlicht noch nicht reicht für Marko Marin. Dieser Irrtum Löws hat das DFB-Team nun um die bereits aufgekommene Anfangs-Euphorie der Fans gebracht. Es wird nun eine neuerliche Super-Flanke brauchen. Vielleicht ja auch von Odonkor 1.0
Aufrufe: 2873 | Kommentare: 19 | Bewertungen: 15 | Erstellt:29.05.2008
ø 5.2
KOMMENTARE
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29.05.2008 | 18:18 Uhr
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Raphi49 : klar!
ich möchte dabei sein
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29.05.2008 | 22:28 Uhr
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Rarehero :
Ich glaube, in der ganzen Angelegenheit spielt vielen die Wahrnehmung einen Streich, vor allem den Medien (oder die Berichterstattung der Medien spielt der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit einen Streich). Marin wurde nur zum Trainingslager eingeladen, nicht zur EM. Auch wurde Marin zwar ausgiebig gelobt, aber ihm wurde meines Wissens nach nichts versprochen, dass er dabei sein wird. Vor allem aber - und das ist ein ganz wichtiger Punkt - wissen wir nicht, was hinter den Kulissen zu den Spielern gesagt wurde. Aber so, wie sich Marin bisher geäußert hat, gehe ich davon aus, dass er stets und von Anfang an wusste, wo er in der Gunst der Trainer steht und wie es um seinen Chancen steht. Auch bin ich mir nach seinen Äußerungen sicher, dass er genau weiß, warum er es nicht in den Kader geschafft hat, dass er aber dennoch eine hervorragende Perspektive hat und quasi bereits zur NM gehört, wenn auch erst nach der EM.
Natürlich ist Marin auch enttäuscht, aber ich glaube nicht - aus den genannten Gründen - dass für eine Welt zusammen gebrochen ist und er nun für die nächsten Monate einen Knacks hat. Ganz im Gegenteil glaube ich nach seinen Äußerungen, dass sich für ihn ganz wunderbare Perspektive eröffnet hat, die ihn beflügeln wird.
Man kann natürlich darüber streiten, ob dieses "Casting" generell eine gute Idee war. Ich denke eher nicht und einen Spieler wie Marin hätte man zu einem anderen Zeitpunkt heran führen sollen. Allerdings kämpfte die Mannschaft in den letzten Monaten mit viel, viel Verletzungspech und Ausfällen, die zahlreiche Neunationalspieler notwendig machten. Das Resultat waren chaotische Länderspiele, die vielleicht einfach nicht den Rahmen geboten haben, um einen Spieler wie Marin heran zu führen (Spieler wie Trochowski oder Jones waren zu dem zeitpunkt in ihrer Entwicklung schon weiter).
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29.05.2008 | 22:48 Uhr
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Rarehero :
Weiterhin gibt mir die Art und Weise der Diskussionen Rätsel auf. Einerseits wird beklagt, würde mit zweierlei Maß und schon gar nicht nach Leistung nominieren, aber der Marin soll mit genommen werden, weil es soviel Spaß macht, ihm beim Dribbel zu beobachten, auch wenn er dabei nahezu gänzlich uneffektiv ist? Marin ist ein tolles Talent und er hat gegen einen zweitklassigen Gegner einige nette Ansätze gezeigt. Aber die Trainer haben in den Tagen gesehen, dass sein Niveau doch nicht ganz für eine EM reicht, wie sie es sich erhofft haben. Und die Trainer haben den nötigen Sachverstand, um das beurteilen können. Sie haben die Spieler jeden Tag gesehen. Die Trainer können das Niveau der Spieler viel besser beurteilen als wir, die Marin nur 45 Minuten gesehen habben - und dennoch erlauben wir uns, die Entscheidung in Frage zu stellen.
Dann auch noch zu sagen, dass Marins Nichtnominierung die Euphorie tötet, halte ich für gänzlich abwegig. Der Gute hätte bestenfalls einige wenige Minuten gespielt und dabei wahrscheinlich nicht das Geringste bewegt. Wie kann das die Euphorie bremsen? Dieses Detail ist absolut unbedeutend.
Ein Schritt in Richtung Ribbeck und Vogts? Sollen wir jetzt sympathische Dribbelkünstler, die noch nicht das nötige Niveau haben, mitnehmen nur damit wir wieder von "jungen Wilden" reden können? Sollten Ballack, Poldi, Klose, Metze, Lahm, usw. gegen irgendwelche Nachwuchsspieler austauschen, um uns von Ribbeck abzugrenzen? Welche Alternativen zu den Stammkräften haben wir denn?
Darf ich an der Stelle daran erinnern, wie froh alle waren, dass Löw die Arbeit von Klinsmann nahtlos übernommen hat! Eine Arbeit, mir der wir eine berauschende Quali gespielt haben (bis zu den vielen Verletzungen). Nun soll diese Arbeit falsch und nicht mehr richtig sein? Wegen eines Marko Marin, der keine Rolle gespielt hätte?
Diese ganze Diskussion ist eigentlich völlig nichtig. Aber vielleicht ist das gut so. Es hab mal Zeiten, in denen wir echte Probleme hatten.
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29.05.2008 | 23:01 Uhr
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Rarehero :
Ein wenig Luft habe ich doch noch ...Wenn man Ausland wüsste, was wir hier für Diskussionen führen, würde man die Deutschen wahrscheinlich lauthals auslachen. Leute, wir haben vor zwei Jahren ein berauschendes Fußballfest gefeiert. Wir haben eine großartige Quali gespielt. Wir haben in den letzten zwei Jahre viele großartige Spiele unserer Jungs gesehen. Wir freuen uns darüber, dass wir wieder zu den großen der Welt gehören und tollen Fußball spielen können.
Eigentlich sollten wir alle die Deutschlandfahne im Fenster hängen haben, in Schwarz-Rot-Gold zur Arbeit gehen und vor lauter Vorfreude auf die EM platzen - aber wir reden all das weg wegen einer unbedeutenden Nichtnominierung eines vielversprechenden Talents. Wenn wir uns selber von Außen sehen könnten, würden wir uns wohl auslauchen und nicht glauben können, was da passiert.
Eines noch zu Marin: Was glaubt ihr eigentlich, wie die EM für Marin gelaufen wäre, hätte man ihn mit genommen? Glaubt ihr, er hätte Spiele gekriegt, in denen er große Fußballkunst hätte zeigen können? Sicher nicht, aber alle hätten es stets erwartet, dass er zum Einsaz kommt. Sämtliche Medien wären vor lauter Forderungen nach seinem Einsatz aus allen Nähten geplatzt. Irgendwann hätte er vielleicht seinen Einsatz gekriegt - und er hätte gegen die renommierten Spieler der großen Nationen keine Chance gehabt und man hätte ihm tatsächlich (im übertragenen Sinne) den Kopf abgebissen. Hättet ihr sowas sehen wollen? Was wäre dann los gewesen? Und wie hätte Marin das alles aufgenommen?
Aber eigentlich sind diese Fragen unnütz: Hätte man Marin mitgenommen, würden jetzt alles schlecht reden, weil wir neben Neuville einen weiteren Zweitligaspieler mit genommen hätten.
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29.05.2008 | 23:08 Uhr
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nemanja :
Für mich ist das der erste Blog, bei dem die Kommentare den eigentlichen Star darstellen:
"Man stelle sich nur mal vor er würde gegen Italien eine 1zu1 Situation gegen El Rhino Gattuso wagen, der würd ihm den Kopf abbeißen, Odonkor kann wenigstens weglaufen"
"Ich bin froh wenns endlich losgeht und freu mich besonders auf das erste Spiel, meine Frau ist nämlich Polin, da wird die Ehe mal für 90 Minuten außer Kraft gesetzt!"
SO GEIL! DANKE JUNGS
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29.05.2008 | 23:11 Uhr
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Er hat sich nach der Einwechslung doch voll reingehängt!
Und dann Odonkor mitnehmen ...
Für mich unverständlich! So nen Jungspunt hätte das ganze Spiel bestimmt aufgemischt!
Gruß Nick
www.voodoogaming.de
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30.05.2008 | 05:15 Uhr
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Zarathustra : Ich will ja nicht den Teufel
an die Wand malen, aber was ist wenn sich Löw geirrt hat. Odonkor wurde von den Italienern im Halbfinale 2006 völlig kalt gestellt. Seine Gegenspieler haben sich einfach ein bisschen zurückfallen lassen, weil sie wussten, dass er sich den Ball anfangs einmal weit vorlegt. Er hatte daraufhin keine Chance an seinen Gegenspielern vorbeizukommen. Da wäre mir ein Marin dann doch lieber, weil unberechnbarer gewesen.Und was sollen diese Vergleiche mit er ist wohl doch noch kein Messi. Es geht ja nicht, darum wie gut er im vergleich zu Messi, sondern im Vergleich zu Trochowski oder Odonkor ist. Beide sind für mich Graupen, die ich nicht als EM-tauglich erachte.
Ich glaube nicht an die Unfehlbarkeit Jogi Löws. An einer guten Quali ist ein Nationaltrainer noch nie gemessen worden...
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30.05.2008 | 15:04 Uhr
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Rarehero :
Aber es kann auch nicht alles falsch gewesen sein, was bei der Quali passiert ist . Nicht bei der Quali, die wir gespielt haben.Die Verantwortung lastet auf den Schulter derer, die auch die WM und die Quali so großartig bestritten haben. Und um die Form einzelner Spieler mache ich mir keine große Sorgen. Klar, viele haben in den letzten sechs bis acht Monaten gefehlt. Das war und ist sicher auch ein Problem (man denke an die teils gruseligen Länderspiele in der Zeit), aber die meisten Stammkräfte haben sich in den letzten Wochen und Monaten gesund und teilweise eindrucksvoll zurpck gemeldet. Da es den Deutschen fast immer gelang, die Vorbereitung zu einem Turnier zu nutzen, um die Form zu finden, mache ich mir an der Stelle keine Sorgen (abgesehen vielleicht von der Abwehr).
Die junge aber noch eine wenig grüne Mannschaft von 2006 wird nun ein wenig gerifter auch diese EM positiv gestalten und weit kommen. Ob nun Odo oder Marin auf der Bank sitzen bzw. in einem möglichen Spiel gegen Italien sofort den Ball verlieren oder den Kopf abgebissen bekommen, wird für den Erfog oder Nichterfolg der Mannschaft unbedeutend sein.
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