02.02.2009 um 16:12 Uhr
Der Beste aller Zeiten?
Amerika ist bekanntlich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In den USA fällt alles mindestens eine Nummer größer aus als bei uns. Autobahnauffahrten, T-Shirts, Popcorn und Cola im Kino. Und die Übertreibungen.
Super Bowl XLIII (oder auch 43) sei "der beste aller Zeiten" gewesen, behauptet ein über-enthusiastischer amerikanischer Kollege. Na ja. Klar, es war ein spannendes Spiel, ausgeglichen und hart umkämpft. Und der sechste Titelgewinn für Pittsburgh (ein NFL-Rekord) gibt dem ganzen eine historische Note. Aber den Titel "alleiniger Rekordtitelträger" könnten die Steelers schon in der nächsten Saison wieder loswerden. Also nur nicht zu euphorisch werden.
Schon im Vergleich mit dem letzten NFL-Finale bekommt die Nummer 43 Probleme. Damals siegte nämlich der krasse Außenseiter und verhinderte damit einen wahrhaft historischen Rekord: eine ungeschlagene Saison der New England Patriots nämlich. Davon mal abgesehen, habe ich ein grundsätzliches Problem mit großspurigen Einschätzungen wie "der beste aller Zeiten." Ich kann es nämlich nicht beurteilen. Schließlich habe ich längst nicht aller Super Bowls gesehen.
Und so stelle ich mir die Frage: Was wird von diesem Super Bowl bleiben? Welche Spielzüge werden wir in den nächsten Jahren von diesem Finale immer und immer wieder sehen? Es werden sicher diese drei sein:
1. James Harrisons 100 Yard-Interception Return mit auslaufender Uhr im zweiten Viertel
Zum einen war Harrisons spektakuläre Aktion der längste INT-Return Touchdown der Super Bowl-Geschichte. Aber er kam eben auch zu einem kritischen Zeitpunkt. Nachdem die Steelers das erste Viertel dominiert hatte war die Partie im zweiten Quarter gekippt. Arizona war am Drücker. 18 Sekunden vor der Pause waren die Cardinals an Pittsburghs 1-Yard-Linie angekommen und standen kurz davor, mindestens den Ausgleich zum 10:10 zu erzielen. Oder sogar mit einer 14:10 Führung in die Pause zu gehen. Bis Harrison Kurt Warners Pass abfing und erst zu Boden ging, als er in der gegnerischen Endzone war. Statt Ausgleich oder Führung für Arizona ging Pittsburgh mit einem 17:7 Vorsprung in die Halbzeit. Es war ein enormer Umschwung im Spiel.
2. Larry Fitzgeralds 64 Yard Touchdown 2 Minuten und 47 Sekunden vor Schluss.
Bis dahin war der Plan von Steelers-Abwehrcoach Dick LeBeau aufgegangen. Und der lautete: Fitzgerald wird uns nicht besiegen. Dann fing der beste Spieler der Playoffs einen kurzen Pass, die beiden Safeties der Steelers ließen ihn einen Moment aus den Augen und 9 Sekunden später lagen die Cardinals erstmals in Führung.
3. Santonio Holmes' siegbringender Touchdown
Diese Aktion hatte einfach alles: Es war die Entscheidung, weil Arizona keine Zeit mehr hatte, um eine passende Antwort zu finden. Weil Pittsburghs gefährlichster Angreifer ihn erzielte. Weil an diesem Play einfach alles stimmte. Denn die Cardinals-Passverteidigung sah gar nicht so schlecht aus. Um sie zu überwinden, bedurfte es eines perfekten Passes von Ben Roethlisberger und eines akrobatischen Fangs von Holmes, der gerade so noch seinen rechten Fuß im Feld auf den Boden brachte. Es war die Bestätigung einer alten Football-Weisheit: Gegen einen perfekten Pass gibt es keine Verteidigung.
Der Sieg der Steelers war sicher nicht unverdient. Allerdings würde ich hier das Gleiche über die Cardinals schreiben, wenn das Spiel mit dem umgekehrten Ergebnis geendet hätte. Es war einfach am Ende eine Partie, die derjenige gewinnt, der als letztes mit ausreichender Zeit auf der Uhr in Ballbesitz ist. Und das war Pittsburgh. Für den Sieg der Steelers gab es aber auch Gründe.
1. Zu viele Strafen für Arizona.
11 Strafen für 106 Yards Raumverlust sind gegen eine starke Verteidigung einfach zu viel. Gegen die beste Defense der NFL ist es schwer genug, in drei Versuchen 10 Yards zu erzielen. Müssen es in drei Versuchen 20 Yards sein, wird das Unterfangen fast unmöglich. Aber diese Strafen waren zum großen Teil weder auf Unkonzentriertheiten der Cardinals noch auf mangelnde Disziplin zurück zu führen. Denn gerade die fünf Penalties für Holding (und der Chop Block gegen Edgerrin James) waren das Resultat davon, dass Pittsburghs Verteidiger ihre Gegner im direkten Duell geschlagen hatten und nur noch per Foul zu stoppen waren. Diese Strafen waren das direkte Ergebnis von Pittsburghs Defensivqualität.
2. Tackling
Es wird sicher niemand verwundern, dass die Steelers-Verteidigung (die Nummer eins der Liga) zumeist sicherte Tackles setzte. Auffällig aber, wie oft Verteidiger der Cardinals (vor allem in der ersten Hälfte) in perfekter Position waren, um den Gegner zu tacklen, nur um dann ins Leere zu greifen. Dadurch machte Pittsburgh jede Mange Raumgewinn auch noch nach der ersten "Feindberührung", der den Cardinals verwehrt blieb. Es zeigte auch: Der defensive Plan der Cardinals-Trainer ging über weite Strecken auf, die Verteidiger waren an der richtigen Stelle, um den Gegner zu stoppen. Dass sie die Aktion dann nicht erfolgreich beendeten, demonstriert, dass es in der Cardinals-Defense noch an individueller Qualität mangelt.
3. Die Steelers-Offensive Line beim letzten Ballbesitz
Kein Druck auf Roethlisberger bedeutete, dass "Big Ben" alle Zeit der Welt hatte, freie Passfänger zu finden. Und das tat er dann auch. Bis dahin hatten die Cards den Spielmacher der Steelers im vierten Quarter ständig unter Druck gesetzt. Als es zählte, kam nichts mehr. Und Roethlisberger spielte wie so oft in dieser Saison. Über weite Strecken gut, aber unspektakulär. Bis es darauf ankam. Dann legte er noch mal eine Schippe drauf. Und bewies, dass die beste Messlatte einer Quarterback-Leistung ist, wie der Spieler bei den entscheidenden dritten Versuch und am Ende der beiden Halbzeiten spielt. Roethlisberger war am besten, als das Spiel auf der Kippe stand.
Sein Gegenüber Kurt Warner bot aber auch eine herausragende Leistung. Fast ohne Laufspiel, unter ständigem Druck, hätte Warner das Spiel fast gewonnen. Stattdessen brachte er nun schon zum zweiten Mal in einem NFL-Finale sein Team kurz vor Schluss nach vorne, nur um dann mit ansehen zu müssen, wie seine Verteidigung diese Führung noch vergeigt. Was belegt, dass die Sieg/Niederlagen-Bilanz allein sicher nicht der perfekte Gradmesser für die erbrachte Leistung eines Spielmachers ist. Bei einem Rückstand von 7:20, elfeinhalb Minuten vor Spielende, führte Warner die Cardinals zwei Mal in Folge zu einem Touchdown. Einmal begann die Angriffsserie an der eigenen 13-Yard Linie, das andere Mal war es die eigene 36. Gegen die beste Verteidigung der NFL. Nicht schlecht für einen alten Mann.
Am Ende reichte es nicht zum Sieg für Kurt Warner. Trotzdem ist er für mich einer der Helden dieses Super Bowls. Der sehr gut war (und glaubt mir, die NFL-Endspiele waren schon sehr oft, vor allem in den Neunzigern, wesentlich unattraktiver). Aber ganz sicher nicht der beste aller Zeiten.
Bis bald,
Andreas
Super Bowl XLIII (oder auch 43) sei "der beste aller Zeiten" gewesen, behauptet ein über-enthusiastischer amerikanischer Kollege. Na ja. Klar, es war ein spannendes Spiel, ausgeglichen und hart umkämpft. Und der sechste Titelgewinn für Pittsburgh (ein NFL-Rekord) gibt dem ganzen eine historische Note. Aber den Titel "alleiniger Rekordtitelträger" könnten die Steelers schon in der nächsten Saison wieder loswerden. Also nur nicht zu euphorisch werden.
Schon im Vergleich mit dem letzten NFL-Finale bekommt die Nummer 43 Probleme. Damals siegte nämlich der krasse Außenseiter und verhinderte damit einen wahrhaft historischen Rekord: eine ungeschlagene Saison der New England Patriots nämlich. Davon mal abgesehen, habe ich ein grundsätzliches Problem mit großspurigen Einschätzungen wie "der beste aller Zeiten." Ich kann es nämlich nicht beurteilen. Schließlich habe ich längst nicht aller Super Bowls gesehen.
Und so stelle ich mir die Frage: Was wird von diesem Super Bowl bleiben? Welche Spielzüge werden wir in den nächsten Jahren von diesem Finale immer und immer wieder sehen? Es werden sicher diese drei sein:
1. James Harrisons 100 Yard-Interception Return mit auslaufender Uhr im zweiten Viertel
Zum einen war Harrisons spektakuläre Aktion der längste INT-Return Touchdown der Super Bowl-Geschichte. Aber er kam eben auch zu einem kritischen Zeitpunkt. Nachdem die Steelers das erste Viertel dominiert hatte war die Partie im zweiten Quarter gekippt. Arizona war am Drücker. 18 Sekunden vor der Pause waren die Cardinals an Pittsburghs 1-Yard-Linie angekommen und standen kurz davor, mindestens den Ausgleich zum 10:10 zu erzielen. Oder sogar mit einer 14:10 Führung in die Pause zu gehen. Bis Harrison Kurt Warners Pass abfing und erst zu Boden ging, als er in der gegnerischen Endzone war. Statt Ausgleich oder Führung für Arizona ging Pittsburgh mit einem 17:7 Vorsprung in die Halbzeit. Es war ein enormer Umschwung im Spiel.
2. Larry Fitzgeralds 64 Yard Touchdown 2 Minuten und 47 Sekunden vor Schluss.
Bis dahin war der Plan von Steelers-Abwehrcoach Dick LeBeau aufgegangen. Und der lautete: Fitzgerald wird uns nicht besiegen. Dann fing der beste Spieler der Playoffs einen kurzen Pass, die beiden Safeties der Steelers ließen ihn einen Moment aus den Augen und 9 Sekunden später lagen die Cardinals erstmals in Führung.
3. Santonio Holmes' siegbringender Touchdown
Diese Aktion hatte einfach alles: Es war die Entscheidung, weil Arizona keine Zeit mehr hatte, um eine passende Antwort zu finden. Weil Pittsburghs gefährlichster Angreifer ihn erzielte. Weil an diesem Play einfach alles stimmte. Denn die Cardinals-Passverteidigung sah gar nicht so schlecht aus. Um sie zu überwinden, bedurfte es eines perfekten Passes von Ben Roethlisberger und eines akrobatischen Fangs von Holmes, der gerade so noch seinen rechten Fuß im Feld auf den Boden brachte. Es war die Bestätigung einer alten Football-Weisheit: Gegen einen perfekten Pass gibt es keine Verteidigung.
Der Sieg der Steelers war sicher nicht unverdient. Allerdings würde ich hier das Gleiche über die Cardinals schreiben, wenn das Spiel mit dem umgekehrten Ergebnis geendet hätte. Es war einfach am Ende eine Partie, die derjenige gewinnt, der als letztes mit ausreichender Zeit auf der Uhr in Ballbesitz ist. Und das war Pittsburgh. Für den Sieg der Steelers gab es aber auch Gründe.
1. Zu viele Strafen für Arizona.
11 Strafen für 106 Yards Raumverlust sind gegen eine starke Verteidigung einfach zu viel. Gegen die beste Defense der NFL ist es schwer genug, in drei Versuchen 10 Yards zu erzielen. Müssen es in drei Versuchen 20 Yards sein, wird das Unterfangen fast unmöglich. Aber diese Strafen waren zum großen Teil weder auf Unkonzentriertheiten der Cardinals noch auf mangelnde Disziplin zurück zu führen. Denn gerade die fünf Penalties für Holding (und der Chop Block gegen Edgerrin James) waren das Resultat davon, dass Pittsburghs Verteidiger ihre Gegner im direkten Duell geschlagen hatten und nur noch per Foul zu stoppen waren. Diese Strafen waren das direkte Ergebnis von Pittsburghs Defensivqualität.
2. Tackling
Es wird sicher niemand verwundern, dass die Steelers-Verteidigung (die Nummer eins der Liga) zumeist sicherte Tackles setzte. Auffällig aber, wie oft Verteidiger der Cardinals (vor allem in der ersten Hälfte) in perfekter Position waren, um den Gegner zu tacklen, nur um dann ins Leere zu greifen. Dadurch machte Pittsburgh jede Mange Raumgewinn auch noch nach der ersten "Feindberührung", der den Cardinals verwehrt blieb. Es zeigte auch: Der defensive Plan der Cardinals-Trainer ging über weite Strecken auf, die Verteidiger waren an der richtigen Stelle, um den Gegner zu stoppen. Dass sie die Aktion dann nicht erfolgreich beendeten, demonstriert, dass es in der Cardinals-Defense noch an individueller Qualität mangelt.
3. Die Steelers-Offensive Line beim letzten Ballbesitz
Kein Druck auf Roethlisberger bedeutete, dass "Big Ben" alle Zeit der Welt hatte, freie Passfänger zu finden. Und das tat er dann auch. Bis dahin hatten die Cards den Spielmacher der Steelers im vierten Quarter ständig unter Druck gesetzt. Als es zählte, kam nichts mehr. Und Roethlisberger spielte wie so oft in dieser Saison. Über weite Strecken gut, aber unspektakulär. Bis es darauf ankam. Dann legte er noch mal eine Schippe drauf. Und bewies, dass die beste Messlatte einer Quarterback-Leistung ist, wie der Spieler bei den entscheidenden dritten Versuch und am Ende der beiden Halbzeiten spielt. Roethlisberger war am besten, als das Spiel auf der Kippe stand.
Sein Gegenüber Kurt Warner bot aber auch eine herausragende Leistung. Fast ohne Laufspiel, unter ständigem Druck, hätte Warner das Spiel fast gewonnen. Stattdessen brachte er nun schon zum zweiten Mal in einem NFL-Finale sein Team kurz vor Schluss nach vorne, nur um dann mit ansehen zu müssen, wie seine Verteidigung diese Führung noch vergeigt. Was belegt, dass die Sieg/Niederlagen-Bilanz allein sicher nicht der perfekte Gradmesser für die erbrachte Leistung eines Spielmachers ist. Bei einem Rückstand von 7:20, elfeinhalb Minuten vor Spielende, führte Warner die Cardinals zwei Mal in Folge zu einem Touchdown. Einmal begann die Angriffsserie an der eigenen 13-Yard Linie, das andere Mal war es die eigene 36. Gegen die beste Verteidigung der NFL. Nicht schlecht für einen alten Mann.
Am Ende reichte es nicht zum Sieg für Kurt Warner. Trotzdem ist er für mich einer der Helden dieses Super Bowls. Der sehr gut war (und glaubt mir, die NFL-Endspiele waren schon sehr oft, vor allem in den Neunzigern, wesentlich unattraktiver). Aber ganz sicher nicht der beste aller Zeiten.
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 4612 | Kommentare: 11 | Bewertungen: 2 | Erstellt:02.02.2009
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KOMMENTARE
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Aber immerhin ein ausgeglichenes, spannendes Spiel mit einem Underdog, der weit über sich hinauswächst und damit das Ganze erst möglich macht.
Die Cardinals waren einfach unglaublich stark, als man auf no-huddle umgestellt hat und Warner nahezu ausschließlich aus der Shotgun agierte. Zu diesem Zeitpunkt habe ich die Steelers' D zum ersten Mal rat- und hilflos erlebt (inklusive LeBeau), weil sie einfach nicht die Zeit und die Möglichkeiten hatten, um angemessen zu reagieren. Harrisons Interception tat natürlich unheimlich weh, denn ich denke wirklich, dass die Cardinals zu dem Zeitpunkt die Steelers mit einem Touchdown in der Tasche gehabt hätten. Das Playcalling in der Situation hat mir allerdings gar nicht gefallen, auch wenn der Spielzug recht schön gestaltet war. Aber warum wirft man aus kurzer Distanz einen flachen Pass in die Mitte der Endzone, wenn man Außen Fitzgerald in Manndeckung hat und nur hoch in die richtige Richtung werfen muss (wie dann später so durchgeführt)? Sicherer ist das auf jeden Fall und man hat dafür bezahlt...
Jammerschade natürlich, dass Rodgers-Cromartie und Francisco beim letzten Drive neben den Schuhen standen und Holmes des öfteren aus den Augen verloren, denn bis dahin spielte vor allem Ersterer exzellent.